Ort. Mittags wurde das Programm
durch Fallbesprechungen und Sta-
tionsvisiten sowie Vorträgen und
intensivem Gedankenaustausch
ergänzt.
An einem Arbeitstag machte das
Team einen Ausflug in das entle-
gene Gesundheitszentrum von Gi-
konko, unter der Leitung der deut-
schen Kollegin und Benediktinerin
Schwester Dr. Uta Düll. Dort konn-
ten wir als Kontrast die perfekte
Organisation eines NGO-Kranken-
hauses unter deutscher Leitung
miterleben. Dr. Düll führt dort in
einem kleinen Haus mit nur einem
OP-Saal und einem Anästhesiepfle-
ger praktisch die gesamte unfallchi-
rurgische Versorgung der Region
durch. Zusätzlich ist die chirurgisch
breit ausgebildete Ärztin anerkann-
te Anlaufstelle für Patienten mit
‚Wasserkopf‘ (Hydrocephalus). In
dem kleinen Haus werden jährlich
über 90 Shunt-Operationen durch-
geführt. Erneut wurden wir liebevoll
empfangen und führten nach einem
Rundgang und einem leckeren Mit-
tagessen auf der schwäbischen
Eckbank der Missionsküche – es
gab Gemüse und Obst aus dem
eigenen Garten – am Nachmittag
mehrere operative Eingriffe gemein-
sam durch.
Ausflüge in der Freizeit
Auch das Kennenlernen des so fas-
zinierenden Landes durfte natürlich
nicht zu kurz kommen. Am freien
Wochenende wurde eine Exkur-
sion in den Volcano National Park
geplant, der an der Grenze zur
Demokratischen Republik Kongo
liegt. Dort kamen wir freitagabends
an und konnten bereits samstag-
morgens in der Frühe nach einer
ausgiebigen Einweisung durch die
Wildhüter den Aufstieg zu einer der
dort in freier Wildbahn lebenden
Berggorilla-Familien beginnen.
Nach etwa dreieinhalb Stunden
anstrengendem Marsch durch
den Bergurwald trafen wir dann in
rund 3.000 Meter Höhe tatsächlich
auf die 17-köpfige Amahoro-Go-
rilla-Familie. Über viele Jahre sind
solche Tiere an die Anwesenheit
von Menschen gewöhnt worden.
So konnten wir bis unmittelbar
an die Gorilla-Familie heran und
erlebten wundervolle Momente
mit diesen friedlichen Menschen-
affen. Tobende Baby-Affen, friedlich
dösende Gorilla-Mütter, provokan-
te, angeberische Schwarzrücken
sowie einen tief entspannten Sil-
berrücken. Diese faszinierenden
Wesen durften wir für eine Stunde
miterleben. Mehr als eine Stunde
täglich dürfen die Tiere nicht von
Menschen besucht werden und so
machten wir uns mit tollen Eindrü-
cken im Gepäck an den Abstieg.
An einem weiteren Nachmittag be-
suchten wir das Kigali Genocide Me-
morial Center. Es muss nicht weiter
betont werden, wie bedrückend die
Stimmung ist, wenn man sich für
mehrere Stunden mit Bildmaterial,
Videodokumentationen sowie dem
Massengrab von über 250.000
dort anonym bestatteten Genozid-
Opfern beschäftigt. Man kann sich
kaum vorstellen, wie ein Land eine
solche humanitäre Katastrophe
überhaupt verarbeiten kann. Es ist
schwer, dies mit den Menschen dort
zu erörtern, da Begriffe wie Genozid,
Hutu oder Tutsi nur ungern benutzt
werden. Man spricht kaum über die-
se Vergangenheit und versucht, die
Normalität der Gegenwart zu akzep-
tieren. Sofern es überhaupt möglich
ist zu vergessen, dass 1994, durch
Propaganda aufgestachelt, Hutus
ihre Nachbarn und deren Familie
samt Kleinkindern auf grausame
Weise umbrachten. Oft lebte man
bis dahin freundschaftlich Tür an Tür.
Nach zehn Tagen hatte dieser un-
glaublich erfahrungsreiche Aufent-
halt leider sein Ende. Doch wurde
am letzten Tag noch einmal ein ty-
pischer ruandischer Markt besucht,
um die nun fast leeren Koffer für den
Rücktransport mit einheimischen
Früchten und Avocados zu füllen.
Ruanda ist eine Perle Afrikas. Die
Unterstützung der Menschen in
diesem kleinen, aber eigenwilligen
Land ist jede Mühe wert.
Prof. Dr. Götz Lehnerdt,
Klinik für HNO-Heilkunde,
Kopf- und Hals-Chirurgie,
St. Anna-Klinik, Wuppertal
CellitinnenForum 2/2017
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