AKWL MB 3-2014 - 28.04.2014 - page 16

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03 / 2014
Aus- und FortbildunG
Wissenschaftliche Fortbildungstagung zu „Antiinfektiva“
„Antiinfektiva werden in den aller-
meisten Fällen als Akutmedikation
eingesetzt und sind in der Lage eine
bestehende und dauerhafte Pharma-
kotherapie aus dem Gleichgewicht
zu bringen“, leitete Kammerpräsi-
dentin Gabriele Overwiening den
Fortbildungsvormittag ein. Der erste
Vortrag drehte sich rund um die Fra-
ge, ob in Deutschland zu viele Anti-
biotika eingesetzt werden. Professor
Michael Kresken, Vorstandsmitglied
der Paul-Ehrlich-Gesellschaft, stimmt
dieser These zu. 2011 wurden in der
Humanmedizin 816 Tonnen Antibi-
otika verbraucht. 85 Prozent davon
entfielen auf den ambulanten Be-
reich: „Wir setzen im ambulanten
Bereich große Mengen Antibioti-
ka mit breitem Wirkspektrum ein“,
kommentierte Kresken. Der Anteil
von Breitbandantibiotika wie Ce-
phalosporinen und Gyrasehemmern
hat zugenommen. So kommt es zu
Resistenzproblemen, vor allem bei
gramnegativen Bakterien wie Esche-
richia coli. Der Anteil multiresistenter
Erreger in Krankenhäusern und am-
bulanter Versorgung ist laut Kresken
deutlich gestiegen.
Anschließend referierte Professor Gert
Höffken vom Uniklinikum Dresden
über ambulant erworbene Atemwegs-
infektionen. Laut Höffken werden 75
Prozent aller ambulant eingesetzten
Antibiotika bei Atemwegsinfektionen
eingesetzt, obwohl 80 Prozent der
Atemwegsinfekte nicht von Bakterien
verursacht werden. Häufig ist eine kli-
nische Unterscheidung zwischen bak-
teriellen und viralen Infekten nicht
möglich, so dass Ärzte aus Sicherheits-
gründen Antibiotika verschreiben.
Dieser nicht sachgemäße Gebrauch
ist neben einer schlechten Adhärenz
ein Risikofaktor für das Auftreten von
Resistenzen. Eine Möglichkeit, den
Antibiotikaeinsatz zu reduzieren, ist
das Prinzip des sogenannten „Delayed
prescribing“, des Verschreibens unter
Vorbehalt: Nur wenn sich der Zustand
des Patienten weder verbessert noch
stabilisiert, wird eine Antibiotikathera-
pie durchgeführt.
Dr. Ralf Hartmann vom Bundeswehr-
krankenhaus in Berlin ging in seinem
Vortrag auf Virusinfektionen der
Haut ein. Von humanen Papillomavi-
ren(HPV) ausgelöste Warzen treten
im Laufe des Lebens bei nahezu jedem
Menschen auf. Es ist enorm wichtig,
diese frühzeitig und konsequent zu
behandeln. Hierzu stehen kerato-
lytische Substanzen zur Verfügung.
Unterstützend können heiße Hand-
und Fußbäder durchgeführt werden.
„Warzen mögen keine Wärme“, so
der Dermatologe. Die wichtigsten
Vertreter der Herpesviren sind die
Herpes-simplex-Viren HSV-1 und HSV-2
sowie das Varizella-Zoster-Virus (VZV).
Lippenherpesbläschen sind laut Hart-
mann zu 80 Prozent auf HSV-1 zurück-
zuführen, während Herpes genitalis
zu 80 Prozent auf Typ-2-Viren zurück-
geht. Durch Oralverkehr ist aber eine
eindeutige Abgrenzung nicht immer
möglich. Der Wirkstoff Brivudin sollte
wegen der Gefahr einer tödlichen
Wechselwirkung niemals gemeinsam
mit dem Zytostatikum 5-Fluorouracil
eingesetzt werden. Hier die wichtige
Frage bei der Abgabe: „Bekommen Sie
gerade eine Chemotherapie?“.
Mehr als 300 Kolleginnen und Kollegen nahmen am 9. März an der kostenfreien Fortbildungsveranstaltung der AKWL
zum Thema „Antiinfektiva“ in Münster teil. Drei spannende Vorträge begeisterten die Zuhörer.
Prof. Dr. Michael Kresken
Prof. Dr. Gert Höffken
Dr. Ralf Hartmann
Fotos (3): Monika Schlusemann
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