ging es an die Côte d‘ Azur oder
ins Schweizer Wallis, immer in eine
Ferienwohnung, um selbstbestimmt
zu sein. Zu Hause konnte der täg-
liche Spaziergang gut und gerne drei
Stunden dauern, „selbst als mein
Mann schon 98 Jahre alt war“, er-
gänzt Inge Klein.
Schließlich wurde es Zeit für die
Vorsorge, ent-
schied ihr
Mann zu
seinem
hundertsten Geburtstag, und man
erkundete die Friedhöfe nach einer
geeigneten Grabstelle. Auf dem
Südfriedhof wurde das Ehepaar
fündig, erledigte die Formalitäten
und ließ den Grabstein aus der
Normandie aufstellen. Bis dahin
folgte das Leben klaren, bestän-
digen Rhythmen mit wenigen Aus-
schlägen nach oben oder unten.
Hindernisse
Doch dann musste Inge Klein we-
gen einer Virusinfektion sechsmal
an den Füßen operiert werden.
Ihr Mann übernahm den Haushalt
so gut er konnte, bis er 2013 mit
102 Jahren starb. „Ich war tief-
traurig, aber ließ mir nichts anmer-
ken.“ Zwei Jahre lang konnte sie
ihre Wohnung wegen ihrer Füße
nicht verlassen. Der Sozialdienst
kümmerte sich um die Seniorin.
Die Stofftiere, die Bücher, Häkel-
und Stricknadeln gaben ihr Halt.
Nach der letzten Operation kam
Inge Klein in die Kurzzeitpflege der
Hausgemeinschaften St. Augusti-
nus. Doch wie sollte es danach
weitergehen? Trotz Spezialschuhen
war an eine Rückkehr in die eige-
nen vier Wände nicht zu denken,
auch wenn sie es zunächst nicht
wahrhaben wollte. Dino Kierdorf,
Leiter der Hausgemeinschaften
St. Augustinus, konnte seinen Gast
schließlich davon überzeugen, ein
freigewordenes Zimmer auf Dauer
zu beziehen. „Ich bat um eine Nacht
Bedenkzeit, dann sagte ich zu“, er-
innert sich Inge Klein. ‚Man muss
das Leben nehmen, wie es kommt‘
getreu diesem Lebensmotto wurde
die seit 83 Jahren von ihr bewohnte
Wohnung aufgelöst. Einige Möbel,
wie die Kommode und der Sessel,
fanden in dem neuen Zimmer Platz.
Ebenso die Zange, „damit ich die
Schraubverschlüsse öffnen kann.“
Selbst ist die Frau! Ohne Gram
blickt sie auf den Umzug zurück.
Inge Klein hat sich in ihrem neuen
Zuhause sehr gut eingelebt. Der
Rhythmus hat sich wieder in ihrem
Leben eingestellt: dienstags, 10:30
Uhr Fitness für Körper und Geist,
nachmittags eine Stunde vorgele-
senen Geschichten zuhören, denn
selber lesen fällt ihr zunehmend
schwer; Donnerstag um 11:00 Sin-
gen, denn Singen macht glücklich,
Gymnastik, Bewegung am Ergo-
meter und einmal imMonat geht es
zumWochenmarkt. Malen ist gut für
die Stimmung und so ist Inge Klein
eine Konstante in der Malgruppe
‚Krambambuli‘. Und reicht die Wolle
nicht mehr für die nächste Strick-
jacke, dann geht es mit dem Taxi
in die Kölner Innenstadt zu Karstadt
in die Handarbeitsabteilung. Wenn
man schon mal da ist, wird auch
gleich der Schokoladenvorrat auf-
gefüllt. „Nicht für mich, sondern für
die netten Mitarbeiter in den Haus-
gemeinschaften“, erklärt sie. „So
kann ich mich erkenntlich zeigen für
die liebevolle Fürsorge“. Inge Klein
ist mittlerweile im Beirat der Ein-
richtung, begrüßt neue Bewohner
und muntert diese auch schon mal
auf. „Ich bin sehr zufrieden mit mei-
nem Leben. Das, was war und das,
was ist – beides ist gut. Ich habe
auch hier meine Ruhe und stricke
gerne – der Lupe sei Dank. Wenn
ich Gesellschaft möchte, brauche
ich nur die Tür aufzumachen.“ – Wo
es mir gefällt, da bleibe ich.
Aufbruch zu einer der vielen
Reisen des Ehepaares Klein
CellitinnenForum 1/2017
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