Background Image
Previous Page  27 / 64 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 27 / 64 Next Page
Page Background

ging es an die Côte d‘ Azur oder

ins Schweizer Wallis, immer in eine

Ferienwohnung, um selbstbestimmt

zu sein. Zu Hause konnte der täg-

liche Spaziergang gut und gerne drei

Stunden dauern, „selbst als mein

Mann schon 98 Jahre alt war“, er-

gänzt Inge Klein.

Schließlich wurde es Zeit für die

Vorsorge, ent-

schied ihr

Mann zu

seinem

hundertsten Geburtstag, und man

erkundete die Friedhöfe nach einer

geeigneten Grabstelle. Auf dem

Südfriedhof wurde das Ehepaar

fündig, erledigte die Formalitäten

und ließ den Grabstein aus der

Normandie aufstellen. Bis dahin

folgte das Leben klaren, bestän-

digen Rhythmen mit wenigen Aus-

schlägen nach oben oder unten.

Hindernisse

Doch dann musste Inge Klein we-

gen einer Virusinfektion sechsmal

an den Füßen operiert werden.

Ihr Mann übernahm den Haushalt

so gut er konnte, bis er 2013 mit

102 Jahren starb. „Ich war tief-

traurig, aber ließ mir nichts anmer-

ken.“ Zwei Jahre lang konnte sie

ihre Wohnung wegen ihrer Füße

nicht verlassen. Der Sozialdienst

kümmerte sich um die Seniorin.

Die Stofftiere, die Bücher, Häkel-

und Stricknadeln gaben ihr Halt.

Nach der letzten Operation kam

Inge Klein in die Kurzzeitpflege der

Hausgemeinschaften St. Augusti-

nus. Doch wie sollte es danach

weitergehen? Trotz Spezialschuhen

war an eine Rückkehr in die eige-

nen vier Wände nicht zu denken,

auch wenn sie es zunächst nicht

wahrhaben wollte. Dino Kierdorf,

Leiter der Hausgemeinschaften

St. Augustinus, konnte seinen Gast

schließlich davon überzeugen, ein

freigewordenes Zimmer auf Dauer

zu beziehen. „Ich bat um eine Nacht

Bedenkzeit, dann sagte ich zu“, er-

innert sich Inge Klein. ‚Man muss

das Leben nehmen, wie es kommt‘

getreu diesem Lebensmotto wurde

die seit 83 Jahren von ihr bewohnte

Wohnung aufgelöst. Einige Möbel,

wie die Kommode und der Sessel,

fanden in dem neuen Zimmer Platz.

Ebenso die Zange, „damit ich die

Schraubverschlüsse öffnen kann.“

Selbst ist die Frau! Ohne Gram

blickt sie auf den Umzug zurück.

Inge Klein hat sich in ihrem neuen

Zuhause sehr gut eingelebt. Der

Rhythmus hat sich wieder in ihrem

Leben eingestellt: dienstags, 10:30

Uhr Fitness für Körper und Geist,

nachmittags eine Stunde vorgele-

senen Geschichten zuhören, denn

selber lesen fällt ihr zunehmend

schwer; Donnerstag um 11:00 Sin-

gen, denn Singen macht glücklich,

Gymnastik, Bewegung am Ergo-

meter und einmal imMonat geht es

zumWochenmarkt. Malen ist gut für

die Stimmung und so ist Inge Klein

eine Konstante in der Malgruppe

‚Krambambuli‘. Und reicht die Wolle

nicht mehr für die nächste Strick-

jacke, dann geht es mit dem Taxi

in die Kölner Innenstadt zu Karstadt

in die Handarbeitsabteilung. Wenn

man schon mal da ist, wird auch

gleich der Schokoladenvorrat auf-

gefüllt. „Nicht für mich, sondern für

die netten Mitarbeiter in den Haus-

gemeinschaften“, erklärt sie. „So

kann ich mich erkenntlich zeigen für

die liebevolle Fürsorge“. Inge Klein

ist mittlerweile im Beirat der Ein-

richtung, begrüßt neue Bewohner

und muntert diese auch schon mal

auf. „Ich bin sehr zufrieden mit mei-

nem Leben. Das, was war und das,

was ist – beides ist gut. Ich habe

auch hier meine Ruhe und stricke

gerne – der Lupe sei Dank. Wenn

ich Gesellschaft möchte, brauche

ich nur die Tür aufzumachen.“ – Wo

es mir gefällt, da bleibe ich.

Aufbruch zu einer der vielen

Reisen des Ehepaares Klein

CellitinnenForum 1/2017

27