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Inge Klein (88) ist eine waschechte

Kölnerin, aber nicht im herkömm-

lichen Sinn. Sie ist kein ‚jeckes

kölsches Original‘. Ihre Sprache

lässt eher auf Hannover als auf

die rheinische Metropole als Ge-

burtsort schließen. Dass sie ihrer

Geburtsstadt immer treu blieb,

ist mehr eine Fügung als eine be-

wusste Entscheidung. 1928 kam

sie in der Südstadt zur Welt, zog

mit ihren Eltern zwei Jahre später

in eine Wohnung auf der Thekla-

straße in Weidenpesch – und blieb

dort 83 Jahre lang. Sie wuchs als

behütetes Einzelkind auf, das es

gewohnt war, alleine zu spielen.

Sie schaute der Mutter beimNähen

zu und liebte es, dabei Garnrol-

len und Knöpfe zu sortieren. „Ich

war ein glückliches Kind. Schon

als Baby habe ich immer gestrahlt

und als Teenager konnte ich ohne

Anlass Lachkrämpfe bekommen,

sehr zum Ärger meines Vaters.“ Mit

anderen Kindern auf der Straße zu

spielen, ließen die Eltern nach einer

Rangelei mit den Nachbarskindern

nicht mehr zu. Aber das war Inge

Klein egal, denn Mutter und Vater

kümmerten sich liebevoll um sie,

spielten mit ihr und legten in aus-

gedehnten Spaziergängen den

Grundstein für ihre Liebe zumWan-

dern. „Jungen Müttern empfehle

ich diese Erziehungsmethode nicht.

Sie bereitet die Kinder nicht auf das

Leben vor“, mahnt sie. „So allein,

musste ich mich allerdings auch

nicht mit Geschwistern oder Freun-

dinnen zanken“, wägt sie ab und

lacht. Typisch für die ältere Dame,

in jeder Situation einen positiven

Aspekt zu finden. Das Aufwach-

sen ohne Gleichaltrige hat ihrem

Frohsinn und Lebensmut jedenfalls

nichts anhaben können.

Lebensweg

Als junge Frau trat sie in die Fuß-

stapfen der Mutter und machte eine

Ausbildung mit Gesellenprüfung zur

Schneiderin. In den fünfziger Jahren

war das Schneiderhandwerk nicht

mehr gefragt. Blusen, Röcke und

Kleider kaufte man nun ‚von der

Stange‘. Also sattelte Inge Klein

um auf Bürokauffrau und fing bei

der J. Witt & Co. KG, Großhandel

für Werkzeuge an, von der sie sich

mit 60 Jahren in die Frührente ver-

abschiedete, als das Augenlicht

stark nachließ. „Wo es mir gefällt,

da bleibe ich“, erklärt

Inge Klein ihre Treue

zu Wohnung, Beruf

undMann. Während

ihrer Umschulung

verliebte sie sich im

Englischkurs

in ihren

Lehrer, den

sie kurz

d a r a u f

he i r a t e -

te – aus Liebe,

und um die elterliche Wohnung

nach dem Tod von Mutter und

Vater halten zu können. Inge Kleins

Mann war 17 Jahre älter als seine

Frau. „In einer Beziehung muss man

sich gegenseitig tolerieren und dem

anderen Freiraum lassen“, erklärt sie

ihr Rezept für eine 52 Jahre andau-

ernde glückliche Ehe. Freunde, Kino,

Restaurantbesuche – das brauchten

beide nicht, denn sie waren sich

selbst genug. „Mein Mann hatte

seine Sprach- und Fachliteratur, ich

meine Romane, Handarbeiten und

meine Sammelleidenschaft für Ku-

scheltiere.“ Kleider, Pullover, Mützen

und Schals für ihn, sie selbst und

die Mitbewohner aus Plüsch wur-

den fleißig gestrickt. In den Ferien

„Wo es mir gefällt, da bleibe ich“

Aus der Reihe: Lebensgeschichten von Seniorenhaus-Bewohnern

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CellitinnenForum 1/2017

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