Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014) - page 6

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Fortbildung aktuell – Das Journal
Nr. 1/2014 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe
Arzneimittel in der Schwangerschaft
de Apothek kammer Westfalen-Lippe
mitteltherapie dagegen eine ungeplante
Schwangerschaft eingetreten, gilt es zu
überlegen, ob die Wahrscheinlichkeit ei-
ner fetalen Schädigung so groß ist, dass
ein vorsorglicher Schwangerschaftsab-
bruch gerechtfertigt ist, bzw. ob besonde-
re Untersuchungen erforderlich sind, um
eine Schädigung ausschließen zu können.
In beiden Fällen ist die Beurteilung des re-
produktionstoxischen Potenzials der ein-
genommenen Arzneimittel der Dreh- und
Angelpunkt der Nutzen-Risiko-Bewer-
tung.
Reproduktionstoxizität und Nutzen-
Risiko-Bewertung
Frau Meyer hat ein Antibiotikum ver-
ordnet bekommen. Nicht alle Antibioti-
ka dürfen während der Schwangerschaft
eingenommen werden. Für die unkompli-
zierte Zystitis sind für ansonsten gesunde,
nicht-schwangere Frauen unter anderem
2. Generations-Cephalosporine, Fosfomy-
cin oder Nitrofurantoin, für die Pyelone-
phritis Gyrasehemmer oder Cephalospori-
ne einsetzbar.
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Nitrofurantoin und Gyra-
sehemmer sind jedoch in der Schwanger-
schaft zu vermeiden, weil sie im Verdacht
stehen, teratogene Eigenschaften zu ha-
ben (siehe unten).
Ein Teratogen ist ein Agens, das die Ent-
wicklung des Kindes im Mutterleib stören
und eine Fehlbildung verursachen kann.
Man unterscheidet verschiedene Klassen
von Teratogenen: physikalische (Strah-
lung), biologische (Infektionen) und che-
mische (Chemikalien und Arzneistoffe).
Teratogene haben eine phasenspezifische
Wirkung
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: Wenn sie in der sehr frühen,
präembryonalen Schwangerschaft einwir-
ken, ist bei einer starken Schädigung die
Schwangerschaft zu Ende (meist bevor sie
überhaupt bemerkt wurde). Andernfalls
sind die verbleibenden, noch kaum dif-
ferenzierten Zellen in der Lage, die zer-
störten Zellen vollständig zu ersetzen, so
dass ein ungeschädigtes Kind entsteht
(„Alles-oder-nichts-Prinzip“).
Teratogene Schädigungen während der
Embryogenese (3. bis 8. Schwanger-
schaftswoche, (SSW)) erzeugen struktu-
relle Fehlbildungen (Geburtsfehler), weil
in dieser Zeit die Organe und Gliedmaßen
angelegt werden. Für jede Organanlage
existiert ein sensibles Zeitfenster, meist
kurz bevor die betreffende Organanla-
ge sich ausgebildet hat (siehe Infobox 1),
in dem die Entwicklung besonders stör-
anfällig ist. Während der Fetogenese (8.
SSW bis zur Geburt) führen reprodukti-
onstoxische Einflüsse eher zu Funktions-
störungen, weil die Organsysteme ‚nur‘
noch reifen und sich an die bevorstehen-
den Umstellungen nach der Geburt an-
passen müssen.
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Weil Auftreten und Ausmaß einer repro-
duktionstoxischen Schädigung so stark
zeitabhängig sind, ist es für die Risiko-
abschätzung essenziell, dass genau fest-
gehalten wird, wann und wie lange das
fragliche Arzneimittel eingenommen
wurde. Frau Meyer ist in der 8. SSW, al-
so im 1. Trimenon und etwa in der Zeit,
in der sich die Mund-Kiefer-Gaumenspal-
te schließt.
Wie lässt sich die Reproduktionstoxizität
beurteilen?
Prospektive klinische Studien an Schwan-
geren sind nicht verboten, aber mit ho-
hen ethischen und rechtlichen Auflagen
verbunden, so dass sie nur für zwingende
Indikationen durchgeführt werden, wenn
ein bereits gut bekannter Wirkstoff mit
einem vermutlich geringen teratogenen
Risiko zur Verfügung steht. Daher basiert
die Einschätzung des Risikos vor allem
auf tierexperimentellen Studien, Fallbe-
richten und Anwendungsbeobachtungen
bzw. Spontanberichten. Davon gibt es na-
türlich umso mehr, je länger ein Wirkstoff
auf dem Markt ist. Ältere Wirkstoffe wer-
den daher zur Arzneimitteltherapie in der
Schwangerschaft bevorzugt. Allerdings
sind das nicht unbedingt diejenigen mit
dem größten klinischen Nutzen.
Da Ergebnisse von Tierexperimenten we-
gen der Unterschiede in der Pharmako-
kinetik und Schwangerschaftsphysiologie
nicht immer auf den Menschen übertrag-
bar sind und Fallberichte einen geringen
Evidenzgrad haben, ist die Einschätzung
Infobox 1:
Was passiert wann?
Tag 1
die Zygote entsteht
Tag 4
die Blastozyste hat sich gebildet
Tag 7-11 sie nistet sich in die Uteruswand ein
Tag 13
Entstehung der Neuralfalte
Tag 20
Bildung der ersten Somiten
Tag 23
das Herz beginnt zu schlagen
Tag 28
die Knospen der vier Gliedmaßen und die Ohranlagen haben sich
gebildet
Tag 38
die Handteller an den oberen Gliedmaßen und die Linsen der Augen
sind angelegt
Tag 60
die Mund-Kiefer-Gaumenspalte hat sich geschlossen, der Fetus ist
weitestgehend angelegt
Bis zur
Geburt
Reifung
Natürlich gibt es individuelle Unterschiede in diesen Abläufen. Die Zeitangaben sind
daher so zu verstehen, dass um den Tag X der jeweils beschriebene Prozess abläuft.
1,2,3,4,5 7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,...32
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