Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014) - page 10

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Fortbildung aktuell - Das Journal
Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe
Arzneimittel in der Schwangerschaft
xin zu. Auch die tubuläre Sekretion ist er-
höht. Um ausreichende Wirkstoffkonzen-
trationen zu erreichen, muss folglich die
Dosis erhöht werden.
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Bei Wirkstoffen, für die ein Therapeu-
tisches Drug Monitoring (TDM) möglich
ist - also eine validierte Analysenmethode
existiert, eine Korrelation zwischen Kon-
zentration und Wirkung besteht, ein the-
rapeutischer Bereich definiert ist – sollte
die Dosis über die Plasmaspiegelmessung
optimiert werden. Für Arzneimittel, de-
ren Dosis nicht auf diese Weise einge-
stellt werden kann, müssen erwünschte
und unerwünschte Wirkungen genau be-
obachtet und die Dosis bei Auftreten von
Symptomen der Erkrankung erhöht und
bei Auftreten von unerwünschten Wir-
kungen reduziert werden.
Falls Frau Meyer ein Cephalosporin der
2. Generation verordnet bekommen hat,
wäre es plausibel, wenn die Dosis rela-
tiv hoch angesetzt wäre, denn beispiels-
weise für Cefazolin und Cefuroxim ist ein
niedrigerer Plasmaspiegel bei Schwange-
ren gemessen worden, die die Standard-
dosierung erhalten hatten. Um einen the-
rapeutischen Effekt zu erzielen, muss al-
so die Dosis erhöht und/oder das Einnah-
meintervall verkürzt werden. Für das 3.
Generations-Cephalosporin
Ceftriaxon
wurde kein Einfluss der Schwangerschaft
auf die Clearance festgestellt. Eine Do-
sisanpassung wäre für diesen Wirkstoff
nicht erforderlich.
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Fazit: Die Frage war: „Ich habe den Bei-
packzettel gelesen. Da steht drin, dass
dieses Mittel in den ersten drei Mona-
ten der Schwangerschaft nur nach stren-
ger Indikationsstellung angewandt wer-
den darf. Was heißt das denn? Darf ich
das nun nehmen oder nicht?“ Frau Meyer
muss dahingehend aufgeklärt werden,
dass ihr Harnwegsinfekt auf jeden Fall mit
einem Antibiotikum behandelt werden
muss, weil es sonst unter Umständen zu
einer Frühgeburt kommen kann. Dass in
den Gebrauchsinformationen eine stren-
ge Indikationsstellung gefordert wird, ist
nicht ungewöhnlich. Es bedeutet, dass für
die besondere Situation schwangerer Pa-
tientinnen besonders genau abgewogen
werden muss, welcher Wirkstoff die bes­
te therapeutische und die wenigsten un-
erwünschten Wirkungen hat. Sofern die
Nutzen-Risiko-Bewertung ergeben hat,
dass der optimale Wirkstoff in der rich-
tigen Dosis verordnet wurde, sollte Frau
Meyer bestärkt werden, das Arzneimittel
genauso und auch genauso lange einzu-
nehmen, wie der Arzt es verordnet hat,
um für sie und das ungeborene Kind die
größtmögliche Sicherheit zu erreichen.
Das Angebot, sich bei Fragen oder Unbe-
hagen zu melden, sollte zum Schluss nicht
fehlen.
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l
de Apothek kammer Westfalen-Lippe
Take-home-messages
• Kein Arzneimittel ist absolut sicher, aber nur wenige sind definitiv reproduk-
tionstoxisch.
• Verschiedene Quellen zur Reproduktionstoxizität über die Fachinformation
hinaus sollten bekannt und greifbar sein.
• Das größte teratogene Risiko besteht im 1. Trimenon.
• So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig.
• Die Arzneimitteltherapie so einfach wie möglich halten (Mono- statt Kombi-
nationstherapie)
• Physiologische Veränderungen unter der Schwangerschaft können die Phar-
makokinetik verändern und eine Dosisanpassung (nicht selten eine Dosiser-
höhung!) erfordern.
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