Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014) - page 7

Fortbildung aktuell – Das Journal
der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 7
Dr. Dorothee Dartsch
per se mit Unsicherheit behaftet.
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Das hat
zur Folge, dass Angaben zur Reprodukti-
onstoxizität eines Wirkstoffs in verschie-
denen Quellen (siehe Infobox 2) vonei-
nander abweichen können.
Am Beispiel des Nitrofurantoins, das au-
ßerhalb der Schwangerschaft beim thera-
pieresistenten oder rezidivierenden Harn-
wegsinfekt eingesetzt werden könnte,
stellt sich die Bewertung folgenderma-
ßen dar:
Die Rote Liste gibt an: strenge Indikati-
onsstellung im 1. u 2. Trimenon und kon-
traindiziert im 3. Trimenon. Es liegen kei-
ne hinreichenden Daten vor. Tierexperi-
mentelle Studien haben Reproduktions-
toxizität gezeigt. Das potenzielle Risiko
für den Menschen ist nicht bekannt. Ni-
trofurantoin passiert die Plazentaschran-
ke. Gefahr der hämolytischen Anämie
beim Neugeborenen.
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Bei Embryotox finden wir für Nitrofuran-
toin im 1. Trimenon: Die bisherigen Er-
fahrungen mit über tausend exponierten
Schwangeren sprechen gegen ein tera-
togenes Risiko. Lediglich einzelne Studi-
en mit methodischen Schwächen fanden
schwach signifikante Hinweise auf ein er-
höhtes Fehlbildungsrisiko, ohne dass ein
typisches Muster erkennbar war. Jedoch
gibt es besser untersuchte und verträg-
lichere Antibiotika, so dass der Einsatz
von Nitrofurantoin kritisch geprüft wer-
den sollte.
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CRAT: Die veröffentlichten Daten zur
kurzzeitigen Anwendung von Nitrofu-
rantoin bei schwangeren Frauen sind um-
fangreich und beruhigend. Zur langfris­
tigen Anwendung in der Schwanger-
schaft gibt es keine Daten. Bei Schwan-
geren sollte ein Erregernachweis im Urin
durchgeführt werden. Während der War-
tezeit auf das Ergebnis kann Nitrofuran-
toin in jedem Abschnitt der Schwanger-
schaft eingesetzt werden. Auch wenn ei-
ne Schwangerschaft während einer kurz-
zeitigen Nitrofurantointherapie erkannt
wird, kann die Therapie zu Ende geführt
werden.
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Briggs, Freeman & Yaffe: Einer Beschrei-
bung der verfügbaren Studien und Fall-
berichte folgt die zusammenfassende Ein-
schätzung, dass sich Nitrofurantoin we-
der in Tierversuchen in Dosierungen, die
denen der Anwendung beim Menschen
entsprechen, noch aus der Anwendungs-
beobachtung beim Menschen als terato-
gen darstellt. Bei perinataler Anwendung
scheint allerdings ein – wenn auch ge-
ringes - Risiko für hämolytische Anämien
zu bestehen (auf das auch Embryotox für
die Anwendung im 3. Trimenon hinweist),
so dass gegen Ende der Schwangerschaft
andere Antibiotika gewählt werden
sollten.
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Ein solcher Vergleich verschiedener Quel-
len ermöglicht also eine differenzierte-
re Einschätzung des Risikos bei pauscha-
len Aussagen wie „strenge Indikations-
stellung in der Schwangerschaft“. Sollten
also die in erster Linie empfohlenen Ce-
phalosporine, zum Beispiel Cefaclor oder
Fosfomycin
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für Frau Meyer nicht in Frage
kommen, könnte sie für ca. 5 bis 7 Tage
auch mit Nitrofurantoin behandelt wer-
den. Oft findet sich in den Fachinforma-
tionen Schwangerschaft unter den Ge-
genanzeigen. Ein Blick in die weiterfüh-
renden Quellen gibt dann Aufschluss da-
rüber, ob die Kontraindikation aus Da-
tenmangel oder wegen eines nachgewie-
senen Risikos besteht.
Schon die reproduktionstoxische Bewer-
tung eines einzelnen Wirkstoffs kann
komplex sein – bei der Bewertung einer
Kombinationstherapie addieren sich je-
doch die Fragezeichen, die jeder einzel-
ne Wirkstoff aufwirft und die Bewertung
wird zunehmend unsicher, das Gesamtri-
Infobox 2:
Wo findet man Angaben zur Reproduktionstoxizität?
Rote Liste/Fachinformation: Je nach Art und Umfang der verfügbaren Daten zur
Reproduktionstoxizität ordnen Hersteller ihren Präparaten graviditätsbezogene
Chiffren zu, die in der Roten Liste wiedergegeben sind:
• Chiffren Gr 1-Gr 3: Wirkstoffe, die von sehr vielen schwangeren Frauen einge-
nommen wurden, ohne dass sich Hinweise auf Reproduktionstoxizität ergeben
hätten.
• Chiffren Gr 4-Gr 6: Wirkstoffe, die nur von wenigen schwangeren Frauen einge-
nommen wurden, die aber in diesen Fällen keine Reproduktionstoxizität verur-
sachten.
• Chiffren Gr 7-Gr 10: embryotoxische, fetotoxische, perinatal-toxische Wirkstoffe
bzw. Wirkstoffe mit sexualhormonellen Eigenschaften.
• Sind mehrere Chiffren angegeben, beziehen sie sich jeweils nur auf den 1., 2.
oder 3. Trimenon.
Fachliteratur:
Beispiele für einschlägige Fachbücher sind: Schaefer et al.: Arzneimittel
in Schwangerschaft und Stillzeit, Urban&Fischer, 8. Auflage 2012; Smollich, Jansen:
Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit: Schnell und sicher beraten. GOVI, 3. Auf-
lage 2012; Friese et al.: Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit. Ein Leitfaden
für Ärzte und Apotheker, DAV, 7. Auflage 2009; Briggs, Freeman, Yaffe: Drugs in Preg-
nancy and Lactation, LWW, 9. Auflage 2011; Schaefer et al.: Drugs during Pregnancy
and Lactation, Elsevier 2014 (in Vorbereitung).
Datenbanken:
Pharmakovigilanz- und
Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité:
;
Institut für Reproduktionstoxikologie:
(nur mit Registrierung;
telefonische Anfragen möglich); Drugs in Pregnancy and Breastfeeding:
.
perinatology.com; Developmental and Reproductive Toxicology Database (DART) auf
(Studien zu einzelnen WIrkstoffen sortiert nach Relevanz);
Centre de Référence sur les Agents Tératogènes (CRAT):
/ (eng-
lische Version in Vorbereitung).
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