Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014) - page 15

Fortbildung aktuell - Das Journal
Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 15
Prof. Eugen Verspohl
säure- bzw. hydrolyseempfindlicher Arz-
neistoffe verhindern (zum Beispiel Pan-
kreasenzyme, Protonenpumpen-Hemmer
(PPI), wie Omeprazol und Erythromycin).
1. Wirkstoff-Pellets werden mit einer ma-
gensaftresistenten (säurefesten) Hülle
versehen in normale Kapseln abgefüllt
oder zu Tabletten verpresst, die sich im
Magen lösen bzw. zerfallen und dann
den Magen zeitig zusammen mit dem
Chymus verlassen (Tabelle 1).
2. Die ganze Arzneiform (als Mono-
lith vorliegend, Tablette, Kapsel, Dra-
gee) ist außen mit einem magensaft-
resistenten Film überzogen und behält
deshalb im sauren Milieu des Magens
ihre Form bei. Nach der Nahrungsauf-
nahme reicht die Stärke der Magen-
peristaltik nicht aus, um größere Par-
tikel, wie beispielsweise monolithische
Tabletten, ins Duodenum zu beför-
dern. Erst wenn der Magen nach Stun-
den bis auf große unverdaubare Par-
tikel entleert ist, werden auch diese
durch starke propulsive Kontraktionen
(Housekeeper-Waves) in den Dünn-
darm ausgetrieben. Diese magensaft-
resistenten Monolithen verlassen bei
Nüchterneinnahme den Magen spätes­
tens nach zwei Stunden; bei Einnahme
zum Essen tritt eine Verzögerung bis
zu elf Stunden auf, mit der Gefahr der
Zerstörung des magensaftresistenten
Überzugs. Bei Diclofenac somit erst
nach sieben Stunden ein, selbst dann
noch nicht einmal gleichmäßiger, An-
stieg der Plasmaspiegel auftreten (Ta-
belle 1).
pH-Gefüge von Magen und Harn
Im Nüchternzustand beträgt der pH-Wert
im Magen etwa 1 bis 3, bei Nahrungsauf-
nahme kommt er auf Grund der Verdün-
nung des Säureanteils auf 6 oder 7. Einige
Nahrungsmittel sind aber „Säurelocker“,
beispielsweise Fleisch, Fisch, Eier, Käse, Ze-
realien, Linsen, Mais, Pflaumen und Prei-
selbeeren. Basen-bildende Nahrungsmit-
tel (lakto-vegetabile Kost) sind Milch und
Milchprodukte (außer Käse), Gemüse (au-
ßer Linsen und Mais) und Obst (außer
Pflaumen und Preiselbeeren).
Saure Arzneistoffe werden aus dem sau-
ren Milieu besser resorbiert, basische Arz-
neistoffe werden besser aus alkalischem
Milieu resorbiert. Als Beispiel dient The-
ophyllin als Single-unit-Präparat (Theo-
phyllin-Tabletten auf Alginatbasis, lang-
sam freisetzend): Diese Substanz wird
achtmal besser im alkalischen als im sau-
ren Milieu extrahiert. So ließe sich erklä-
ren, warum es sehr große individuelle Un-
terschiede im maximalen Serumspiegel
gibt. Deshalb sollte Theophyllin besser re-
tardiert eingesetzt werden.
Auf den pH-Wert des Urins bezogen ver-
hält es sich analog. Wenn aber eine Alka-
lisierung des Harns (stark pflanzlich be-
tonte Ernährung oder vegetarische Er-
nährung) auftritt, erfolgt eine lang-
samere Ausscheidung von basischen Arz-
neistoffen, wie Antiarrhythmika vom
Chinidintyp, Imipramin, Amphetamine.
Das Gegenteil trifft bei sauren Arznei-
stoffen, wie ASS, Phenobarbital zu. Dann
erfolgt eine schnellere Elimination. Al-
les ist umgekehrt bei Ansäuerung durch
eiweißreiche Ernährung, also verstärkte
Ausscheidung basischer Arzneimittel, wie
Chloroquin, Imipramin und Chinidin.
Antibiotika
a) allgemein:
Viele Penicilline sollten bevorzugt nüch-
tern mit einem Glas Leitungswasser einge-
nommen werden, damit sie auf schnells-
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Fortbildung aktuell – Das J urnal
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Fortbildung ktu ll – Das Journ
hinweise
• Monolithen (magensaftresistent): nüchtern (wenn aber zur Mahlzeit gegeben, ist
kinetisches Verhalten kaum vorhersehbar). Häufige Mahlzeiten – auch kleinere –
verhindern die Housekeeper-Waves, so dass magensaftresistente Monolithen zum
Teil erst sehr spät, beispielsweise nachts den Magen verlassen, das heißt mit groß-
em Abstand nach der Einnahme zur Wirkung kommen. Vorsicht: Es gibt manch-
mal fehlerhafte Angabe von Herstellern in der Fachinformation.
• Pellets: nüchtern oder zur Mahlzeit; generell korrekte Gebrauchsanweisungen
der Hersteller
• Magensaftresistente Granulate: unabhängig vom Essen (zum Beispiel Budeno-
falk®)
• Nicht magensaftresistent: Dolo Filmtabletten (zwei Stunden vor dem Essen); bei
Magenempfindlichkeit: auch zum Essen; dergleichen Monoflann® retard N Hart-
kapseln; Diclofenac Dolo® Liquid (ist nicht-retardiert) zur Mahlzeit. Zum Essen
(Magenempfindlichkeit) oder nüchtern kann alles mit den Bezeichnungen dispers
und Tabs (nicht magensaftresistent) angewendet werden.
hinweis:
Die pH-Werte im Magensaft sind
schwer vorhersehbar, geschweige
denn steuerbar und somit auch die
daran gekoppelten Resorptionsvor-
gänge (einiger weniger Arzneistoffe).
Stärker von Bedeutung ist der verän-
derte Harn-pH durch vegetarische
Kost, eine verstärkte Ausscheidung
saurer Arzneistoffe (beispielsweise
ASS, Penicilline und Sulfonamide),
eine verringerte von Basen (beispiels-
weise Allopurinol und Chinin). Auch
an die vorzeitige Auflösung ma-
gensaftresistenter Überzüge durch
pH-Wert anhebende Nahrung muss
gedacht werden, zum Beispiel Dulco-
lax® und Milch.
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