Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014) - page 24

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Fortbildung aktuell - Das Journal
Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe
Der Sicherheitsgurt in der Psychopharmakotherapie
l
de Apothek kammer Westfalen-Lippe
werden kann. Wesentliche Grundlage
für die Beurteilung der Gesamtsituation
sind unter anderem die Organfunktionen
(vergleiche LADME-Modell, Nieren- und
Leberinsuffizienz), die Anzahl der paral-
lel eingenommenen Medikamente und
Begleiterkrankungen sowie das Lebens-
alter (vergleiche Pädiatrische Dosistabel-
len und Priscus-Liste
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). Der Medikations-
prozess enthält häufig Schnittstellen und
zählt auch deshalb zu den Hochrisikopro-
zessen: Unkenntnis und Auslassungen, so-
wie Fehler oder Irrtümer können zu teils
massiven arzneimittelbezogenen Proble-
men führen, dies gilt verschärfend für
den Bereich der Multimedikation.
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Kon-
sequenzen sind die einerseits die Beein-
trächtigung der Lebensqualität des Pa-
tienten mit vermeidbarem zusätzlichen
Pflegebedarf, andererseits bleibende
Schäden bis hin zum letalen Ausgang. Die
Entstehung von Medikationsfehlern lässt
sich am Beispiel der Folgen einer unbe-
kannten Dosierung verdeutlichen (Abbil-
dung 1).
Proaktives Fragen versus Informations-
defizit
Beratende Apotheker/Innen sind Mana-
ger oft schwieriger Therapieszenarien.
Grundlegend für Bewertungen und Emp-
fehlungen ist die möglichst vollständige
Erfassung der jeweils vorliegenden Situ-
ation. Um die Möglichkeiten hilfreicher
Instrumente, wie der ABDA-Datenbank
optimal ausschöpfen zu können, sind bei-
spielsweise die klärenden W-Fragen über-
aus hilfreich.
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Vielen Patienten unter Po-
lypharmazie fällt es schwer, die benötig­
ten Informationen wie Präparatenamen
zu behalten oder gar mitzuteilen. Von Di-
agnosen und Organinsuffizienzen ganz
zu schweigen. Für einen tieferen Einblick
zu Stellenwert und Möglichkeiten eines
Medikationsmanagements inklusive der
Erstellung eines Medikationsplans gibt
vgl. Waltering, Journal Dez. 2013.
Um Ihnen ein Gespür für die Vielfalt an
Problemfeldern sowie den teils einfachen
Lösungsinstrumenten zu vermitteln, wer-
den Ihnen praxisbewährte Strategien zur
Erhöhung der Arzneimitteltherapiesi-
cherheit (AMTS) im Rahmen der Psycho-
pharmakaversorgung vorgestellt. Im Fol-
genden werden diese ausgewählten As-
pekte vertieft:
• Therapietreue: Austauschen um jeden
Preis?
• Interaktionen I: Grenzen der Selbstme-
dikation
• Interaktionen II: Torsade-de-pointes-
Arrhythmien
• Spieltrieb: Trockenübungen mit der
ABDA-Datenbank
• Selbstoptimierung: Anwendung des
PDCA-Zyklus
Therapietreue – Austauschen um jeden
Preis?
Im Verlauf von Beratungsgesprächen kön-
nen Unsicherheiten des Patienten deut-
lich werden, so kann bereits die Anspra-
che eines Austausches eines bisher sicher
angewendeten Arzneimittels stark verun-
sichernde Wirkungen entfalten. Psychisch
erkrankte Menschen können auf empfun-
dene „Zwangsaustausche“ sehr empfind-
lich reagieren, nicht wenigen mangelt es
aufgrund der Erkrankung an Durchset-
zungskraft und den nötigen Ressourcen
für langwierige Diskussionen (welche es
Ihnen zu ersparen gilt). Einzelne Erkran-
kungen oder intensive Nebenwirkungen
machen es dem Patienten aus intellek-
tuellen Gründen unmöglich, die korrekt
vorgebrachten Argumente zu verstehen
oder darauf eingehen zu können. Wel-
che Lösungen kann die Apotheke anbie-
ten, etwa bei einem Patienten mit ei-
ner Angststörung? Es klingt so einfach:
nur eingenommene Medikamente kön-
nen auch die erwünschte Wirkung ent-
falten. Non-Adhärenz ist ein großes Pro-
blem, auch im Bereich der Psychophar-
maka. Die Therapietreue nimmt line-
ar zusammen mit dem Grad der Aufklä-
rung der Patienten zu, bei bestehenden
Bedenken oder zunehmenden Nebenwir-
kungen sinkt sie ab.
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Jede zusätzliche Ir-
ritation sollte daher unterbleiben. Sei-
tens der Apotheke besteht eine gesetz-
lich festgeschriebene Substitutionspflicht,
allerdings nur, solange im Einzelfall kei-
ne Gründe gegen den Austausch spre-
chen. Reagiert ein Angstpatient auf den
möglichen Austausch mit Verunsicherung
oder gar Panik, ist offensichtlich, dass in
diesem Fall eine Substitution nicht ohne
massive Folgen möglich ist. Die patienten-
orientierte Pharmazie motiviert die Apo-
theke, bereits bei den geringsten Anzei-
chen der Beeinträchtigung der Therapie-
treue korrigierend einzugreifen.
Präparat oder Patient im Mittelpunkt?
Erhärtend wirkt folgendes Beispiel: ein
Patient erhält zur Ersteinstellung einer
Depression ein aktivierendes Antidepres-
sivum (zum Beispiel Citalopram). Beson-
ders zu Therapiebeginn kann die Suizid-
neigung durch den antriebssteigernden
Effekt zunehmen, so dass ein dämpfendes
Pharmakon wie Lorazepam zusätzlich
verordnet wurde.
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Präparatezentrierung
Grundlage für die Austauschbarkeit
sind Kriterien der Arzneimittelsicherheit
(AMS), dazu gehören Wirkstoffgehalt,
vergleichbare Darreichungsform, etc. Die-
se Kriterien sind objektiv nachvollziehbar,
geraten in der alltäglichen Versorgungs-
praxis allerdings schnell an ihre Grenzen.
Wenn der Rabattvertrag dazu führt, dass
etwa das Medikament Tavor® gegen ein
Generikum mit deutlich abweichendem
Namen (zum Beispiel Lorazepam XY-Phar-
ma) ausgetauscht wird, muss zwingend
darauf geachtet werden, dass der Patient
nicht an der Vergleichbarkeit der Präpa-
rate zweifelt - trotz aller Erklärungsbe-
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