Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014) - page 25

Fortbildung aktuell - Das Journal
Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 25
Christian Schulz
Fortbildung ktuell – Das Journal
er A t ekerka er Westfale -Lip e
mühungen.
Patientenzentrierung
Aus dem Zweifel kann ein gravierendes
Problem für die AMTS (Arzneimittelthe-
rapiesicherheit) resultieren: Die Nichtein-
nahme des Benzodiazepins kann fataler-
weise zum Suizidversuch führen. Der Prä-
parateaustausch kann weitere destabili-
sierende Effekte auf den bereits instabilen
Patienten haben. Im Ermessenspielraum
des Einzelnen liegt die Entscheidung, ob
Kontakt zum verordnenden Arzt aufge-
nommen werden muss, um die deutlich
wahrnehmbare Instabilität des Patienten
nochmals zum Gegenstand eines inter-
disziplinären Gesprächs zu machen (be-
denke: Abgabe eines Arzneimittels ist
erst nach Ausschluss aller Bedenken und
Unklarheiten zulässig). Gegenstand die-
ses Gesprächs kann auch das Hinwirken
auf ein aut-idem-Kreuz sein. Sind alle er-
kennbaren Bedenken ausgeräumt, spricht
nichts gegen eine sofortige Versorgung
des Patienten. Zur Sicherstellung einer
hohen AMTS sind die pharmazeutischen
Bedenken das Mittel der Wahl der ver-
sorgenden Apotheke, sollte der Arzt kein
aut-idem-Kreuz setzen (wollen). Der be-
gründetete Nichtaustausch wirkt somit
stabilisierend auf den an sich instabilen
Patienten. Wichtig ist das abschließende
Bedrucken mit der Sonderziffer Nr. 6, so-
wie der Dokumentation der pharmazeu-
tischen Bedenken auf dem Rezept, da sie
die Kompetenzen und das pharmazeu-
tische Wissen deutlich unterstreicht und
andererseits die retaxsichere Abrechnung
ermöglicht. Grundsätzlich ist an die Erhal-
tung und Förderung der Therapietreue
zu denken. Patienten müssen oft meh-
rere verschiedene Psychopharmaka aus-
probieren, bis schließlich das wirksame
und verträgliche Regime gefunden wird.
Dieses fragile Resultat eines schwierigen
Findungsprozesses sollte nicht leichtfer-
tigt riskiert werden. Durch Äußerung der
pharmazeutischen Bedenken im begrün-
deten Einzelfall kann die AMTS auf dem
erreichten Niveau gehalten werden. Wei-
tere Faktoren, die gegen einen Arznei-
mittelaustausch sprechen können, fasst
die aktualisierte Leitlinie „Gute Substitu-
tionspraxis“ der Deutschen Pharmazeu-
tischen Gesellschaft (DPhG) zusammen.
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Neben der großen Herausforderung
„Therapietreue“ spielen Interaktionen
bei den meisten Psychopharmaka eine
große Rolle. Anhand von Beispielen aus
der täglichen Apothekenpraxis werden
Probleme beschrieben und Lösungsvor-
schläge zum Umgang mit diesen arznei-
mittelbezogenen Problemen (ABP) vorge-
stellt.
Interaktionen I: Grenzen der Selbstme-
dikation
Hustenstiller
Was haben schulmedizinische OTC-Hus­
tenstiller mit dem Antidementivum Me-
mantin gemeinsam? Es gibt darauf zwei
wirkstoffabhängige Antworten: a) nichts
und b) eine absolute Kontraindikation.
Die Apotheke hat die Lotsenfunktion in
der Selbstmedikation: ist die Eigenthera-
pie des Patienten möglich? Und wenn ja,
welches Medikament ist das am besten
geeignete? Die Arzneimittelauswahl im
Rahmen der Selbstmedikation obliegt so-
mit alleine dem pharmazeutischen Perso-
nal einer Apotheke, es handelt sich um
eine hoch verantwortungsvolle Aufga-
be. Folgendes Patientenbeispiel soll Ih-
nen die Tragweite verdeutlichen. Ein Pa-
tient leidet seit wenigen Tagen an einem
erkältungsbedingten Reizhusten. Im Ge-
spräch konnte festgestellt werden, dass
ein Arztbesuch aktuell (noch) nicht nötig
erscheint und daher ein Medikament der
Selbstmedikation infrage kommt. Für die
Behandlung des Reizhustens stehen be-
kanntlich verschiedene Therapieoptionen
zur Wahl. Wir konzentrieren uns in die-
sem Fall auf die schulmedizinisch-che-
mischen Vertreter Dextromethorphan
(DMP) und Pentoxyverin. Grundlage einer
vernünftigen Auswahl eines Wirkstoffes
ist die aktuelle Situation des Patienten.
Durch Hinterfragen der Begleit- und Dau-
ermedikation stellen wir fest, dass unser
Patient aktuell lediglich das Antidemen-
tivum Memantin zur Behandlung einer
moderaten Alzheimerdemenz einnimmt.
Memantin entfaltet seine Hauptwirkung
durch Beeinflussung des NMDA-Rezep-
tors im zentralen Nervensystem. Bei der
Auswahl des Hustenstillers ist es sinnvoll,
sich die verschiedenen Targets der ein-
zelnen Substanzen in Erinnerung zu ru-
fen. DMP vermittelt seine Wirkung un-
ter anderem als nichtkompetitiver NM-
DA-Rezeptor-Antagonist. Pentoxyverin
beeinflusst den NMDA-Rezeptor nicht.
Hierin verdeutlicht sich das Problem: Bei
der Kombination zweier NMDA-Rezep-
tor-Antagonisten (Memantin und DMP)
kann es zur deutlichen Zunahme zentral-
nervöser Nebenwirkungen kommen, aus
diesen Gründen sollte diese Kombination
vermieden werden.
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Die Bewertung der
ABDA-Datenbank wird noch deutlicher
und gibt den Hinweis auf eine kontrain-
dizierte Kombination.
Geeignete und besser verträgliche Phar-
maka können aus dem Bereich der Phy-
topharmaka stammen, auch Pentoxyverin
stellt eine mögliche Alternative für die-
sen Alzheimerpatienten dar. Erneut zeigt
sich die Rolle der vorhandenen Informa-
tionen für die Beurteilung der Situati-
on im Moment der Abgabe. Weitere be-
merkenswerte Interaktionen mit Psycho-
pharmaka werden durch die CYP2D6-ab-
hängige Metabolisierung von Dextrome-
thorphan verursacht. Eine Kombination
mit CYP2D6-Inhibitoren, wie Haloperidol,
Thioridazin oder Fluoxetin kann zum An-
stieg der Plasmakonzentration des DMP
führen, gleiches gilt für Amiodaron.
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