Background Image
Previous Page  37 / 64 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 37 / 64 Next Page
Page Background

unterhalb der Ortschaft Amppipal.

2001 wurden die Missionsmitarbei-

ter durch nepalesische Maoisten

vertrieben. Seitdem unterstützt die

sächsische Hilfsorganisation das

Krankenhaus finanziell und per-

sonell. Es befindet sich in einer

relativ guten technischen Aus-

stattung unter anderem mit zwei

neuen großzügigen OP-Sälen,

davon einer mit mobilem Rönt-

gengerät und der Möglichkeit für

innere Knochenstabilisierungen mit

Platten und Schrauben. Die Qualität

des Labors und insbesondere die

Personalplanung waren indessen

mangelhaft. Einerseits gab es für

nur sehr wenige Patienten zeit-

weise eine Überzahl an ärztlichen

Kollegen – außer mir noch zwei

deutsche habilitierte Spezialisten für

Unfallchirurgie und Gynäkologie, ei-

nen Zahnarzt, eine schweizerische

Internistin und drei einheimische

Assistenzärzte. Andererseits war

nach einigen Tagen plötzlich der

einzige Anästhesist bzw. An-

ästhesiepfleger abwesend. Dank

meiner fachübergreifenden Basis-

kenntnisse aus meiner Entwick-

lungshilfezeit konnte ich einfache

Narkosen und Spinalanästhesien

sicherstellen. Außerdem übernahm

ich die ‚fachübergreifende Ultra-

schalldiagnostik‘ und behandelte

etliche ambulante Patienten in den

Sprechstunden.

Im Vergleich zu den für mich ge-

wohnten afrikanischen Patienten

zeigten sich die Nepalesen deut-

lich kritischer, hinterfragten sehr

viel und stellten sich nach vier bis

acht Stunden Anmarsch zu Fuß mit

vergleichsweise milden Krankheits-

erscheinungen (Arthrosen, chro-

nische Rückenschmerzen, chro-

nische Bronchitis) vor. Erschwerend

war die Sprachbarriere; da ich kein

Nepalesisch spreche, musste ich

mich mit Englisch und unterschied-

lich kompetent übersetzenden

Pflegekräften durchkämpfen. Das

führte dazu, dass die Patienten

relativ häufig dringend operations-

pflichtige Befunde, beispielsweise

Blinddarmentzündung nicht operie-

ren lassen wollten, sondern lieber

mit für sie kostenpflichtigen Medi-

kamenten versehen wieder in ihr

Bergdorf zurückkehrten. Sicherlich

auch ein Problemmangelnden Ver-

trauens bei ständig wechselnden

Gastärzten unterschiedlichster

Qualifikation. Röntgen- und Ultra-

schalluntersuchungen werden von

den Patienten dringend eingefor-

dert und wahrscheinlich aufgrund

des hohen Preises bereits als thera-

peutische Maßnahme angesehen.

Das Krankenhaus hat offensicht-

lich ein Problem mangelnder Ak-

zeptanz in der Bergbevölkerung.

Gründe dafür sind sicherlich die

zunehmende Konkurrenz anderer,

meist staatlicher Krankenhäuser in

den umliegenden Tälern und die

sehr schwierige Zugänglichkeit.

Schwer Erkrankte müssen, in ein

Tragetuch gehüllt und an einer

Holzstange baumelnd, von min-

destens zwei Helfern kilometerweit

durch die Berge herangeschleppt

werden. Nepalmed e.V. bemüht

sich nun, die letzten Kilometer des

extrem schlechten Zufahrtsweges

zum Krankenhaus planieren und

schottern zu lassen.

Erst kurz vor Weihnachten 2013

reisten dann die meisten ärzt-

lichen Kollegen ab und plötzlich

wuchsen die Aufgaben für mich

doch noch, da ich dann auch für

die operative Geburtshilfe und die

Frakturversorgung zuständig war.

Weiterhin kamen nur sehr wenige

Patienten, aber es gab qualitativ

einige Herausforderungen für ei-

nen mittlerweile hauptamtlich vis-

zeralchirurgisch tätigen Operateur:

beispielsweise die Versorgung

komplizierter Muttermundrisse,

eine Saugglockenentbindung und

die geschlossene Reposition und

Stabilisierung eines kindlichen

Nepal – fachfremder Einsatz als Anästhesist

CellitinnenForum 2/2015

37

Idee | Einsatz