Ellenbogens. Meine größte Leis-
tung war wahrscheinlich, dass ich
den Krankenhausdirektor in den
frühen Morgenstunden dazu über-
reden konnte, seine Angehörige,
eine Krankenschwester, mit wirk-
lich lebensbedrohlicher Nachblu-
tung nach einem Kaiserschnitt, von
mir operieren zu lassen. Es wurde
sogar diskutiert, sie per Hubschrau-
ber in die Hauptstadt Katmandu zu
fliegen. Eine irrwitzige Idee, welche
die Patientin sicher nicht überlebt
hätte. Außerdem bestand in dem
extrem schwierigen Gelände nicht
die geringste Landemöglichkeit,
selbst für einen Kleinhubschrauber.
Neben meinen diversen Aufgaben
in Sprechstunde, Anästhesie und
bildgebender Diagnostik sowie
einigen Assistenzen bei Eingriffen,
habe ich insgesamt nur 21 nepa-
lesische Patienten selbst operiert.
Nicht das, was ich mir von dem
Einsatz versprochen hatte, aber
vielleicht auch gut so, zumal un-
sere ärztliche Arbeitserlaubnis sei-
tens der nepalesischen Autoritäten
irgendwie nicht ganz in trockenen
Tüchern war – immerhin konnte ich
die Versorgungskontinuität für ein
paar Wochen sicherstellen. Neben
der Freundlichkeit der feinfühligen
nepalesischen Bergbevölkerung
haben auch andere Dinge unver-
gessliche Eindrücke hinterlassen:
Die Zähigkeit und Leidensfähig-
keit der nepalesischen Frauen,
die auf Badelatschen mindestens
das Doppelte ihres eigenen Kör-
pergewichtes als riesige Brenn-
holzbündel auf ihren horizontal ge-
krümmten Rücken durch die steilen
Berge schleppen. Aber auch der
120-minütige Weihnachtsgottes-
dienst der christlichen Minderheit in
einer ganz bescheidenen Berghütte,
den wir im Schneidersitz bzw. auf
dem Fußboden hockend feierten.
Und schließlich die Erfahrung, wie
sehr man bei 13 bis 15 Grad Innen-
temperatur in der Unterkunft und
in den zugigen Sprechstundenräu-
men und Krankenstationen ohne
Heizung frieren kann. Mein Fleece-
Pullover während der Arbeit und
mein Daunenschlafsack mit der mit
kochendem Wasser gefüllten Trink-
flasche als Wärmflasche haben mich
wohl vor einer Lungenentzündung
gerettet.
Demokratische Republik
Kongo
Danach musste es dann aber doch
mal wieder ein deutlich intensiverer
chirurgischer Hilfseinsatz sein. Aus
einem ‚Ärzte ohne Grenzen‘-Einsatz
2007 im ‚Centre Hospitalier de Ruts-
huru‘, Provinz Nord-Kivu, wusste
ich, dass meine Erwartungen in Afri-
ka sicher erfüllt würden. Der damals
noch tobende Bürgerkrieg hat sich
zwar seit einigen Monaten offiziell
beruhigt, tatsächlich ist die Situation
in der extrem rohstoffreichen Krisen-
zone aber nur vergleichbar so ruhig
wie in der Ost-Ukraine Mitte März
2015. Mehr oder weniger uniformiert
gekleidete Männer mit Kalaschni-
kows und anderen Kleinwaffen ge-
hören zum alltäglichen Straßenbild.
Regelmäßig gibt es Raubüberfälle
auf Privatunterkünfte und auf Fahr-
zeuge, auch Kidnapping gehört
mittlerweile zum Tagesgeschäft.
Das alles bedeutete zwangsläufig,
dass ein freies Bewegen nur in sehr
geringer Entfernung zum stachel-
drahtbewehrten Basislager erlaubt
war. Schlimm war das nicht, da
schließlich die Arbeit im Kranken-
haus im Mittelpunkt stand. Die chi-
rurgischen Aufgaben dort waren
mit zwei weiteren Kollegen in einer
Art Schichtdienstmodell zu teilen,
wobei wegen der aus Sicherheits-
gründen verbotenen Nachtfahrten
zwischen Unterkunft und Hospital
immer einer von uns 24 Stunden im
Krankenhaus bleiben musste. Dort
hat sich seit 2007 die Betten- bzw.
Nepalesischer Krankentransport
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CellitinnenForum 2/2015