gegengetreten. Ich habe in dem Judentum nichts
Anderes gesehen als eine Religion, und zwar eine
Religion, die nicht die meine war.
Ein Teil meines Lebens ist in antiklerikalen
Kämpfen hingegangen, und mein Standpunkt dem
Christentum gegenüber war der des freien Gedan?
kens; kein jüdischer Standpunkt.
D ie Juden Westeuropas, die dänisch, franzö?
sisch, english, deutsch sprechen, haben (seit ihrer
bürgerlichen G leichstellung mit den übrigen Be*
wohnern des Landes) sich in der Regel einfach als
Dänen, Franzosen, Engländer, Deutsche gefühlt
Wenn sie religiöse Überzeugungen hegten, machte
dies der Nationa lität keinen Nachteil. Meine
Überzeugungen waren aus
Spinoza
abgeleitet, und
er wurde nicht allein von den Christen verab?
scheut, sondern von der Synagoge ausgestossen.
So geschah es, dass ich mich nur dann als Jude
fühlte, wenn ich Jude geschimpft wurde, aber das
geschah freilich seit den ersten Tag meines öffent?
liehen Auftretens. Ich bin wohl in hundert lite?
rarische Polemiken verw ickelt gewesen, aber mit
Einer Ausnahme hat kein einziger meiner Gegner
verschmäht, sobald es ihm an Argumenten ge?
brach, meinen jüdischen Ursprung in Erinnerung
zu bringen. So konnte ich unmöglich vergessen,
dass ich Jude war, oder richtiger, dass ich als Däne
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