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Kramer, glaube nicht, dass ich ein Thor bin, dass
ich noch Hoffnungen h e g e ; n e in , wahrlich nicht.
Aber der Traum meiner Jugend war ein so schöner
Traum! ich war so glücklich! Selbst je tz t macht
mich die blosse Erinnerung an diesen Traum in
.dein sanften Schleyer der Wehmu th doch noch so
glücklich, dass ich, wenn ich heute sterben sollte,
mit Thekla singen würde:
Ich habe genossen das irdische Glück,
Ich habe gelebt und geliebet.
W e y s e .
Copenhagen, d. 4. Aug. 1801.
Eine wahre Trägheit hatte sich über
mein ganzes Wesen verbreitet: ich mochte nichts,
ich wollte n ic h ts , ich war n ic h ts , ich interessirte
mich für nichts, ich hasste nichts, ich liebte —
doch ja, ich liebte dich. — Und was war die Ur
sache dieses negativen Zustandes? — Die mir
leider jetzt sehr positive Gewissheit, dass ich sie
immer so leidenschaftlich liebe, als ich sie je ge
liebt habe. Schilt mich immerhin einen schwachen
Menschen, einen unvernünftigen Thoren, guter
K ramer; in meinen vernünftigen Augenblicken
(und ich habe deren, Gott sey D ank , noch zu
weilen) sage ich mir alles, was darüber zu sagen
ist; dennoch wird das Gefühl immer lebhafter in
mir, dass ich nie ein andres Mädchen werde lieben
können als sie. Wohin wird diese zwecklose Liebe