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entstehen. Durch die Auseinandersetzung

mit Beinahe-Fehlern können wichtige

Faktoren erkannt werden, um Fehler zu

vermeiden. Der grundsätzlich offene und

konstruktive Umgang mit Medikations-

fehlern und Beinahe-Medikationsfehlern

trägt dazu bei, dass aus diesen gelernt

wird und Sicherheitsbarrieren, präventi-

ve Maßnahmen sowie Lösungen entwi-

ckelt und umgesetzt werden. So können

alle Mitarbeiter der Apotheken zu mehr

Sicherheit bei der Arzneimitteltherapie

beitragen.

Fallberichte aus CIRS-Pharmazie NRW

Fall-Nr. 144789: Ich sehe was, was du

nicht schreibst

Was ist passiert?

Einem Patienten mit Reflux wurde über

einige Jahre regelmäßig ein Protonen-

pumpenhemmer (PPI) verordnet. Nach

einem Arztwechsel wurde ihm bei seinem

ersten Besuch in der neuen Praxis Ome-

prazol verordnet. Nach einigen Monaten

stellte sich heraus, dass dem Patienten in

der Apotheke nicht Omeprazol sondern

Opipramol ausgehändigt wurde. Dieses

hat der Patient jedes Mal, wenn er Reflux

hatte, eingenommen. Das Rezept war je-

doch auf Omeprazol ausgestellt. Warum

und weshalb es hier zu einer Verwechse-

lung gekommen ist, kann die Arztpraxis

zurzeit nicht beurteilen.

Was war das Ergebnis?

Der Patient kam noch zwei weitere Male

in die Sprechstunde und berichtete von

Abgeschlagenheit und extremer Mü-

digkeit. Ein Grund konnte hierfür zuerst

nicht ermittelt werden. Eine Blutuntersu-

chung war unauffällig. Der Patient nahm

aufgrund einer Zwangsstörung ebenfalls

Paroxetin ein. Die Abgeschlagenheit wur-

de erstmal mit der damaligen erhöhten

Nachtschichtarbeit des Patienten asso-

ziiert. Beim zweiten Besuch stellte sich

heraus, dass vom Patienten ein völlig an-

deres Medikament eingenommen wurde.

Aufgrund der bedarfsweisen Einnahme

des PPI wurde wahrscheinlich ein größerer

Schaden vermieden.

Wo sehen Sie Gründe für das Ereignis?

Gründe liegen wohl darin, dass das Re-

zept zuerst fernmündlich, dann per Fax

(Kopie der Verordnung) und erst am Tag

nach Ausstellung im Original an die Apo-

theke übermittelt wurde. Offensichtlich

wurden hier ähnliche Handelsnamen ver-

wechselt. Nach Bereitstellung der Medi-

kamente hätte ein „Vier-Augen- Prinzip“

erfolgen müssen, ob die Medikamente

auch den verordneten Arzneimitteln laut

Fax entsprechen. Der Patient ist neben

seinen leichten körperlichen Beeinträchti-

gungen, die mit der Zeit nachließen, sehr

verunsichert.

Kam der Patient zu Schaden?

Passagerer Schaden:

leicht bis mittel

Wer berichtet?

Pflege-, Praxispersonal

Kurzanalyse Fall-Nr. 144789

An der Schnittstelle Apotheke-Patient

kam es vermutlich zu einem Abgabefeh-

ler aufgrund der Verwechslung zweier

ähnlich klingender Arzneimittel. Die Ver-

wechslungsgefahr bei ähnlich klingenden

oder ähnlich aussehenden Arzneimitteln,

sogenannter „Sound-alike Drugs“ bzw.

„Look-alike Drugs“, stellt eine häufige Feh-

lerquelle im Medikationsprozess dar. Si-

cherheitsempfehlungen zur Vermeidung

von „Look-alike-sound-alike“ (LASA)-Medi-

kamenten wurden durch die Weltgesund-

heitsorganisation (WHO) und die Joint

Commission International erarbeitet.

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Das

Problem der Verwechslungsgefahr wird

auch durch das Vorhandensein einer Viel-

zahl von unterschiedlich benannten und

verpackten Generika gleichen Wirkstoffs

verstärkt, deren Namen sich auch die Pati-

enten oft nicht merken können.

Hinweis:

In jedem Fall gilt, dass eine ge-

dankenlose Arzneimittelabgabe ohne

ABBILDUNG 5:

Fehlerbereiche, die im Rahmen einer Auswertung der bisher eingereich-

ten Fallberichte bei CIRS-Pharmazie NRW identifiziert wurden.

WAS KANN ICH AB MORGEN

UMSETZEN, WORAUF KANN ICH AB

MORGEN ACHTEN?

Sicherheitsrelevante Fehler und Bei-

nahe-Medikationsfehler melde ich

anonym bei CIRS-Pharmazie NRW,

damit auch andere daraus lernen

können.

Einzelne Schritte im Medikati-

onsprozess versuche ich zu opti-

mieren, wie z. B. die Lagerung von

Arzneimitteln, die Prüfung der

Verordnung oder die Beratung des

Patienten.

Bei Fehlern stelle ich mir selbst die

Frage: „Was kann ich tun, damit

der Fehler in Zukunft nicht mehr

passiert?“. Das heißt, dass ich das

Wissen über einen Fehler oder einen

Beinahe-Fehler nutze, um beispiels-

weise in meinem eigenen Umfeld

präventive Maßnahmen einzulei-

ten und neue Sicherheitsbarrieren

zu etablieren.

Ich mache mir bewusst, welche Pro-

zesse gut funktionieren und sorge

dafür, dass gute Prozesse, Maßnah-

men und Lösungen erhalten bleiben.

AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 

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ANNABELLE HEIMING