ZUSAMMENFASSUNG UND EMPFEHLUNGEN:
Zusammen mit anderen Gesundheitsberufen, wie Ärzte und Pflegekräfte, sind Apo-
thekerInnen am Medikationsprozess beteiligt. Bei dem Medikationsprozess handelt
es sich um einen Hochrisikoprozess, weil Medikationsfehler dem Patienten große
Schäden zufügen können. Die Mitarbeiter in der Apotheke können Medikationsfehler
und Beinahe-Medikationsfehler seit 2016 anonym im Fehlerberichts- und Lernsystem
CIRS-Pharmazie NRWmelden. Durch den offenen Umgang und die systematische Auf-
arbeitung von Fehlern und Beinahe-Medikationsfehlern können Sicherheitslücken im
System aufgedeckt und reduziert werden. So tragen Fehlerberichts- und Lernsysteme
im Gesundheitswesen dazu bei, die Patientensicherheit zu erhöhen.
Wer berichtet?
Apothekerin/Apotheker
Kurzanalyse Fall-Nr. 141647
Bei Arzneimitteln mit dem Wirkstoff
Methotrexat (MTX) handelt es sich um
sogenannte
„Hochrisikoarzneimittel“.
19
Darunter sind Arzneimittel mit besonders
hohem Risikopotential bei falscher An-
wendung oder Dosierung zu verstehen.
Medikationsfehler, die im Verlauf einer
Therapie mit Hochrisikoarzneimitteln
auftreten, können unerwünschte Arznei-
mittelereignisse (UAE) mit schwerwie-
genden Konsequenzen für den Patienten
nach sich ziehen.
Entsprechend dem vorliegenden Fall-
bericht wurde das MTX vom Arzt in der
richtigen Stärke verordnet. In der Apo-
theke allerdings wurde ein zu niedrig do-
siertes Fertigarzneimittel abgegeben. Ein
Grund für die Falschbestellung könnte die
unterschiedliche Deklaration der Stärke
auf den im Handel befindlichen MTX-
Fertigarzneimitteln sein. So beziehen sich
die Mengenangaben auf der Verpackung
oder auch in der Lauer-Taxe entweder auf
den Gehalt von MTX in einer Spritze bzw.
einem Fertigpen oder auf ein bestimmtes
Volumen (z. B. 15 mg pro Fertigpen oder
15 mg pro 0,3 ml Lösung). Es ist verständ-
lich, wenn durch die unterschiedlichen
Angaben Verwirrung und Unklarheiten
auftreten. Ein Vergleich mit dem ausge-
stellten Rezept („Vier-Augen-Prinzip“)
oder ein früherer Abgleich in der Arztpra-
xis hätte denMedikationsfehler in diesem
Fall verhindern können.
Hinweis:
Aufgrund der ungewöhnlichen
Applikationsfrequenz von „einmal wö-
chentlich“ bei Arzneimitteln mit dem
Wirkstoff Methotrexat können leicht Ein-
nahmefehler passieren.
REFERENZEN & LITERATUR
1 Aly, A-F. Definitionen zu Pharmakovigilanz und
Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). Arznei-
verordnung in der Praxis (AVP) 2015, 42: 99-104.
2
www.aezq.de/patientensicherheit/service-ps-online/glossar-patientensicherheit/#K
3 Reason J. Human error: models and
man¬agement. BMJ, 2000, 320:768-770.
4 Jaehde, U, Kloft, C, Kulick, M. Herausforderung
und Zukunftssicherung. Pharm. Ztg. 2013, 18:
1–10.
5 Nemeth C, Wears R, Woods D, Hollnagel E, Cook
R. Minding the Gaps: Creating Resilience in
Health Care. In: Henriksen K, Battles JB, Keyes
MA, et al., editors. Advances in Patient Safety:
New Directions and Alternative Approaches
(Vol. 3: Performance and Tools). 2008. Abrufbar
unter
www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK43670/(Stand: Juli 2017)
6 Hollnagel E, Woods D, Leveson N. Resilience
Engineering. Concepts and Precepts. Ashgate,
Aldershot (Hampshire). 2006.
7 Kassenärztliche Bundesvereinigung: Mehr
Sicherheit bei der Arzneimitteltherapie. 2014.
8 §1a Abs.3 Apothekenbetriebsordnung
9 Hahnenkamp C, Rohe J, Sanguino A, Thomeczek
C. Berichts- und Lernsysteme: Für ein Mehr an
Arzneimitteltherapiesicherheit. Fortbildungs-
journal AKWL. 2012, 1: 26-31.
10
http://asrs.arc.nasa.gov/11 Rohe J, Thomeczek C. Aus Fehlern lernen: Risiko-
management mit Fehlerberichtssytemen. GGW.
2008,1: 18-25.
12 Rall M, Zieger J, Stricker E, Reddersen S, Hirsch P,
Dieckmann P. Das anonyme Incident Reporting
System „PaSIS“ und PaSOS. Arzneimittelthera-
pie. 2007, 6: 222-223.
13 Gausmann P, Henninger M, Koppenberg J.
Patientensicherheitsmanagement. Walter de
Gruyter, Berlin/Boston. 2015.
14 World Health Organisation (WHO): Draft for
Adverse Event Reporting and Learning Systems.
2005.
15 Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS):
Agenda Patientensicherheit. 2016.
16 Gemeinsamer Bundesausschuss: Richtlinie
des Gemeinsamen Bundesausschusses über
grundsätzliche Anforderungen an ein ein-
richtungsinternes Qualitätsmanagement für
Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, Vertrags-
psychotherapeutinnen und Vertragspsychothe-
rapeuten, medizinische Versorgungszentren,
Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte
sowie zugelassene Krankenhäuser. 2016.
18 Hahnenkamp C, Rohe J, Thomeczek C. Ich sehe
was, was du nicht schreibst… Dt. Ärzteblatt.
2011, 36: 1850-1854. Abrufbar unter
www.kh-
cirs.de/pdf/DAEB-LASA-110909-FIN.pdf(Stand:
Juli 2017)
19 Leitlinie der ABDA. Abrufbar unter www.abda.
de/themen/apotheke/qualitaetssicherung0/
leitlinien/leitlinien0/ (Stand: Juli 2017)
19 Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS): Oral
appliziertes Methotrexat. 2013.
WELCHE NEUIGKEITEN SPRECHE
ICH AUF DER NÄCHSTEN DIENST
VERSAMMLUNG AN?
•
Seit Mai 2016 gibt es das Fehlerbe-
richts- und Lernsystem CIRS-Phar-
mazieNRWzurMeldungvonFehlern
und Beinahe-Medikationsfehlern.
•
Unter
www.cirs-pharmazie.dekönnen Fehler und Beinahe-Medi-
kationsfehler selbst gemeldet und
darüber hinaus andere fachkom-
mentierte Berichte gelesen werden.
•
Medikationsfehler entstehen vor
allem bei der Abgabe von Arznei-
mitteln (Rezeptbelieferung und
Selbstmedikation) aber auch bei
der Medikationsanalyse, bei der
Herstellung von Rezeptur-Arznei-
mitteln, im Botendienst oder durch
Kommunikations- oder Verstän-
digungsprobleme innerhalb des
Apotheken-Teams.
•
Die Etablierung von CIRS-Phar-
mazie NRW im Risikomanage-
ment der Apotheke bietet ei-
nen zusätzlichen Nutzen für die
Arzneimitteltherapiesicherheit.
•
Bei jeder Dienstversammlung kann
ein Fall aus CIRS-Pharmazie NRW
vorgestellt und mit den Fragestel-
lungen „Könnte das bei uns auch
passieren?“ und „Wie ließe sich ein
solcher Fehler vermeiden?“ kurz dis-
kutiert werden.
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal /
11
ANNABELLE HEIMING