BEIRATaktuell 55

BeiratAktuell 55

BEIRAT AKTUELL E n t s c h e i d e n d e I n f o r m a t i o n f ü r d e n V e r w a l t u n g s b e i r a t i m W o h n u n g s e i g e n t u m E i n z e l p r e i s 8 , 5 5 (inkl. 7 % USt.)

Beschränkung der Tierhaltung in der WEG?

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Ausgabe: 55 Quartal II-20

Nutzungsmöglichkeit von Sondereigentum

Vergütungssystem WEG

Letzte Seite: Besteht die Möglichkeit, nachstehende Anzeige auf die letzte Seite zu „packen“, da- für die ganzen Zeitungen weg. (In der nächsten Ausgabe sollten die dann wieder enthalten sein!). Wenn möglich sollte die Farbe in dem Kasten auch anders sein. Es soll optisch hervorgehoben werden. Veranstaltungen: BEIRATAKTUELL bietet Ihnen in Kooperation mit dem Europäischen Bildungs- zentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (EBZ) (www.e-b-z.de) die Möglichkeit, sich online mit Webinaren weiterzubilden: Die vermietete Eigentumswohnung - Tipps und Tricks für Vermieter inkl. Rechtsprechung Wann? 28.04.2020 – 18.00 Uhr – online – Dauer ca. 1,5 h Teilnehmerpreis: 63,00 € Bitte auf der 2. Seite (ähnlich wie in der letzten Ausgabe auf der letzten Seite): Veranstaltungen: BEIRATAKTUELL bietet Ihnen in Kooperation mit dem Europäischen Bildungs- zentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (EBZ) (www.e-b-z.de) die Möglichkeit, sich online mit Webinaren weiterzubilden: Die vermietete Eigentumswohnung Tipps und Tricks für Vermieter inkl. Rechtsprechung Wann? 28.07.2020 – 18.00 Uhr – online – Dauer ca. 1,0 h Teilnehmerpreis: 49,00 €

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1 x 1 der Betriebskostenabrechnung für Vermieter inkl. Besonderheiten für Eigentumswohnungen Wann? 29.04.2020 – 18.00 Uhr – online – Dauer ca. 1,5 h Teilnehmerpreis: 63,00 € Der „Eigentümerführerschein“ Grundlagenwissen für Eigentümer von A-Z Wann? 30.04.2020 – 18.00 Uhr – online – Dauer ca. 1,5 h Teilnehmerpreis: 63,00 € 1 x 1 der Betriebskostenabrechnung für Vermieter inkl. Besonderheiten für Eigentumswohnungen Wann? 29.07.2020 – 18.00 Uhr – online – Dauer ca. 1,0 h Teilnehmerpreis: 49,00 € WEG-Reform - 2020 Wissenswertes für Verwaltungsbeiräte Wann? 30.07.2020 – 18.00 Uhr – online – Dauer ca. 1,0 h Teilnehmerpreis: 49,00 €

Anmeldung und wichtige Informationen: • Die Webinare finden ab einer Teilnehmerzahl von 7 Anmeldungen statt. Bitte richten Sie Ihre Anmeldung bis zum 15.04.2020 an: info@beirataktuell.de. • Sie erhalten die Präsentationsunterlagen und eine Teilnahmebescheinigung. • Sie benötigen lediglich einen PC, Notebook oder Tablet sowie ein Internetzugang und ggf. Headset. Weitere Informationen folgen nach der Anmeldung. Haben Sie Wunschthemen, dann sprechen Sie uns an! Anmeldung und wichtige Informationen: • Die Webinare finden ab einer Teilnehmerzahl von 7 Anmeldungen statt. Bitte richten Sie Ihre Anmeldung bis zum 23.07.2020 an: info@beirataktuell.de. • Sie erhalten die Präsentationsunterlagen und eine Teilnahmebescheinigung. • Sie benötigen lediglich einen PC, Notebook oder Tablet sowie ein Internetzugang und ggf. Headset. Weitere Informationen folgen nach der Anmeldung. Haben Sie Wunschthemen, dann sprechen Sie uns an!

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BEIRAT AKTUELL 55/II-20

Verehrte Leserinnen und Leser,

am 6.5.2020 stand der Gesetzentwurf der geplanten WEG-Reform (Drucksache 19/18791) imBundestag zur ersten Lesung auf der Tagesordnung. Verschiedene Frak- tionen schlugen nochVeränderungen vor, insbesondere kam erneut die Forderung auf, im Zuge der WEG-Reform ein Sach- kundenachweis für Immobilienverwalter einzuführen. Darüber hinaus fand am 27.05.2020 im Bundestagsausschuss für Recht und Ver- braucherschutz eine Expertenanhörung zur WEG-Reform statt. Verschiedene Sachverständige bzw. Fachleute äußerten sich zu den geplantenVeränderungen und auch hier gab es verschiedene Änderungs- vorschläge. Ursprünglich war geplant, dass der Ent- wurf am 19.06.2020 endgültig verabschie- det und das „neue“ WEG im September 2020 in Kraft treten soll. Es verdichten sich allerdings die Hinweise, dass dieser Zeitplan nicht eingehalten werden kann und sich die endgültige Verabschiedung noch verzögern wird. Wir werden in der nächsten Ausgabe über den Stand des Gesetzgebungsverfahrens berichten. Ferner hatten wir in der letzten Ausgabe zur geplanten Gebäude- und Wohnungs- zählung (Zensus2021) berichtet. Am 8. April 2020 wurde seitens des Statistischen Bundesamtes verkündet, dass aufgrund der Corona-Pandemie eine Verschiebung des Zensus2021 geprüft wird. Bis heute gibt es hierzu allerdings keine weiteren Neuigkeiten. Auch zu diesem Thema werden wir wieder berichten, wenn klar ist, wie es weiter geht. Die Lage in Deutschland scheint sich etwas zu entspannen, trotzdem ist die Corona-Pandemie leider noch nicht vor- bei, und für viele Verwalter und Woh- nungseigentümergemeinschaften stellt sich die Frage, ob aktuell Eigentümer- versammlungen abgehalten werden kön-

Impressum BEIRATaktuell erscheint seit 2006 vier- teljährlich und bietet entscheidende In- formation für Verwaltungsbeiräte im Wohnungseigentum. Herausgeber/Verlag: Massimo Füllbeck Sachverständiger für Wohnungseigentum Sellerbeckstraße 32 45475 Mülheim an der Ruhr

Editorial

info@beirataktuell.de www.beirataktuell.de

Verantwortlich i.S.d.P.: Massimo Füllbeck

Redaktion: Massimo Füllbeck

Abonnenten-Betreuung: Massimo Füllbeck

Fon 0208 30276831 info@beirataktuell.de

Massimo Füllbeck, Herausgeber

nen. In der letzten Ausgabe hatten wir bereits ausführlich zu den Möglichkeiten berichtet. Ursprünglich hatten wir geplant, eine Übersicht zu erstellen, aus welcher sich die einzelnen Regelungen zur Eigen- tümerversammlung ergeben. Aufgrund der unübersichtlichen Regelungen des Bundes, der Bundesländer und der ein- zelnen Kommunen, ist es unmöglich, eine seriöse und verbindliche Übersicht bzw. Empfehlung abzugeben. Vermutlich scheint es aktuell besser zu sein, die Situation zunächst weiter zu beobachten, und soweit kein dringender Anlass zur Abhaltung einer Eigentümer- versammlung besteht, diese aus Sicher- heitsgründen weiter in die zwei Jahres- hälfte zu verschieben und die weitere Entwicklung abzuwarten.

Grafische Umsetzung: Massimo Füllbeck

Bildnachweise: Titel: © REFORM/von Frank Täubel/ Datei-Nr. 19708970–stock.adobe.com Seite 5: MQ-Illustrations/Datei-Nr. 321072514–stock.adobe.com Seite 7: © zensus1807a/von Fiedels/Datei- Nr. 54338461–stock.adobe.com

Druck und Verarbeitung: D+L Printpartner GmbH

Auflage: 6.700 Stück

Preise: Einzelpreis Heft 8,55 EUR, im Jahresabo 10 EUR (4 Ausgaben, inkl. MwSt. ohne Versand), ab 20 Exemplaren Jahresabo 2,40 EUR (4 Ausgaben, exkl. MwSt. und Versand) Datenschutz: Informationen zum Datenschutz finden Sie auf www.beirataktuell.de Urheberrecht: Die veröffentlichtenArtikel sind urheber- rechtlich geschützt. Jede vom deutschen Urheberrecht nicht zugelasseneVerwertung bedarf der vorherigen schriftlichen Zu- stimmung des Herausgebers. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Bear- beitung, Übersetzung, Einspeicherung, Verarbeitung bzw. Wiedergabe von Inhal- ten in Datenbanken oder anderen elektro- nischen Medien und Systemen. Die unerlaubteVervielfältigung oder Wei- tergabe einzelner Artikel oder mehrerer Seiten ist nicht gestattet und strafbar. Le- diglich die Herstellung von Kopien für den persönlichen, privaten und nicht kom- merziellen Gebrauch ist erlaubt.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Massimo Füllbeck

Was erwartet Sie in der 55. Ausgabe des BEIRATaktuell? • Beschränkung der Tierhaltung in der WEG? von RA Rüdiger Fritsch • Nutzungsmöglichkeiten von Sondereigentum von Massimo Füllbeck • Eltern-Kind-Zentrum im Ladenlokal von RA Rüdiger Fritsch • Änderung des Vergütungssystems in der WEG-Verwaltung von Dr. Olaf Riecke

• Neuigkeiten zum „werdenden Wohnungseigentümer“ (Eigentümerwechsel Neubau) von Massimo Füllbeck

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BEIRAT AKTUELL 55/II-20

››› Aktuelles ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Beschränkungen der Haustierhaltung im WEG Kann die Gemeinschaft die Haustierhaltung beschränken?

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Der Deutschen liebste Haustiere, Katzen und Hunde, aber auch andere Haustiere, bieten oftmals Anlass zu Streitigkeiten in der Wohnungseigentümergemeinschaft. Sei es, dass einzelne Miteigentümer sich über konkrete Störungen beklagen oder dass allgemein eine als „ausufernd“ an- gesehene Tierhaltung beschränkt werden soll. Dabei stellt sich die Frage, ob und auf welchem Wege die Wohnungseigen- tümer befugt sind, durch Beschluss re- glementierend in die Haustierhaltung einzugreifen. Ferner ist zu beachten, dass viele Wohnungseigentumseinheiten ver- mietet sind und die Auswirkungen dies- bezüglicher Regelungen auf die Mietver- hältnisse zu bedenken sind. Bevor an eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer gedacht wird, ist stets zu prüfen, ob nicht bereits eine Vereinbarung über eine Beschränkung der Haustierhaltung (typischerweise durch entsprechende Regelung in der Gemeinschaftsordnung) vorliegt oder ob eine Änderung bzw. Ergänzung der Ge- meinschaftsordnung gewollt und möglich ist. a) Da die Wohnungseigentümer gem. § 15 Abs. 1 WEG einvernehmlich (typischer- weise im Rahmen der Errichtung der Gemeinschaftsordnung durch den auftei- lenden Eigentümer) u.a. die Benutzung und den zulässigen Gebrauch des Ge- meinschafts- und auch des Sondereigen- tums regeln, sei es durch explizite Rege- lungen zur Tierhaltung oder im Rahmen einer vereinbarten Hausordnung. Zwar gehört die Haustierhaltung gem. § 13 Abs. 1 WEG zu den Rechten eines jedenWohnungseigentümers bei der Nut- zung des Sonder- und Gemeinschaftsei- gentums, dieses Recht gehört aber nach herrschender Rechtsmeinung nicht zu den 1. Vereinbarungen der Wohnungs­ eigentümer

uneinschränkbaren bzw. unentziehbaren Kernrechten des Wohnungseigentums (vgl.: Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 14 Rn. 36). Daher können durch Vereinbarung nach herrschender Rechtsmeinung Beschrän- kungen der Tierhaltung ohne Weiteres, sogar bis hin zu einem generellen Tier-, insbesondere auch ein Katzen- oder Hun- dehaltungsverbot, wirksam geregelt wer- den (vgl.: BGH, Beschl. v. 4.5.1995 - V ZB 5/95, NJW 1995, 2036). Daher ist vor einer Beschlussfassung stets zu prüfen, ob nicht bereits vereinbarte Regelungen zur Haustierhaltung vereinbart sind, denn solche Regelungen gehen gem. § 15Abs. 2WEG grundsätzlich Beschlüs- sen der Wohnungseigentümer vor. b) Dabei ist es ohne weiteres auch möglich, nachträglich eine Gebrauchs- und Benut- zungsregelung zur Haustierhaltung, auch in Form einer Hausordnung, zu verein- baren. Für eine solche Vereinbarung, die Bindungswirkung auch für nachfolgende in die Gemeinschaft später eintretende Eigentümer entfaltet, ist gem. §§ 15Abs. 1, 10 Abs. 2 u. 3 WEG allerdings eine vertragliche Einigung aller Wohnungsei- gentümer über eine entsprechende Ergän- zung / Änderung der Gemeinschaftsord- nung nebst Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich. Ob diese Voraussetzungen vorliegend geschaffen werden können bzw. eine solche Vor­ gehensweise praktisch realisierbar ist, müssen die Wohnungseigentümer unter- einander klären. 2. Beschlüsse über die Abänderung vereinbarter Tierhaltungsregelungen Grundsätzlich sind die Wohnungseigen- tümer gem. § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 1 WEG befugt, im Rahmen einer Hausord- nung oder allgemein im Rahmen einer sog. Gebrauchs- und Nutzungsregelung

i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG die Tierhaltung durch (Mehrheits-)Beschluss zu regle- mentieren. Besteht indes bereits eine diesbezügliche Vereinbarung, so stellt sich die Frage nach der erforderlichen Beschlusskompetenz, da die Regelung des § 15 Abs. 2 WEG die Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlus- ses ausdrücklich nur für den Fall eröffnet, dass nicht bereits eine abweichende Ver- einbarung (imRahmen der Gemeinschafts- ordnung) existiert. a) Welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn die Wohnungseigentümer durch Mehr- heitsbeschluss eine vereinbarte Ge- brauchs- und Nutzungsregelung bzw. Hausordnung abändern, die einen Be- standteil der Gemeinschaftsordnung bil- det, ist in Rechtsprechung und Literatur heftig umstritten und höchstrichterlich bis dato ungeklärt. Dabei kann zum einen die Auffassung vertreten werden, dass es sich bei einer in der Gemeinschaftsordnung einer Woh- nungseigentümergemeinschaft enthaltenen Hausordnung um eineVereinbarung i.S.d. §§ 15Abs. 1, 10Abs. 2 u. 3WEG handelt, die demgemäß nur durch Vereinbarung, nicht aber durch Beschluss geändert wer- den kann, dies mit der Folge der absolu- ten Nichtigkeit des Beschlusses mangels Regelungskompetenz. Demgegenüber kann die Auffassung vertreten werden, dass es sich bei den in der Gemeinschafts- ordnung verankerten Regelungen einer Hausordnung lediglich um eine sog. „be- schlussoffene“Vereinbarung handelt, die einer Änderung durch einfachen Mehr- heitsbeschluss i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG zugänglich ist. Letztlich ist diese Frage nach h.M. nur durch eine Auslegung des Inhalts der Gemeinschaftsordnung zu klären (vgl.: Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 10

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Rn. 129; Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 15 Rn. 76 ff.; Niedenführ/ Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl. 2015, § 21 Rn. 55; Riecke/Schmid/Leh- mann-Richter, WEG, 6. Aufl. 2019, § 10 Rn. 89 ff.; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 6. Aufl. 2019, § 15 Rn. 27). Ergibt dieAuslegung, dass es sich bei der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Vereinbarung um eine solche handelt, die von besonderer Bedeutung für die Woh- nungseigentümer ist und nach deren er- kennbarem Willen in der Zukunft „be- schlussfest“ sein und nur durch neue Vereinbarung der Wohnungseigentümer nebst der erforderlichen notariellen Be- glaubigung und Grundbucheintragung zu ändern sein soll, so ist ein abändernder bloßer Mehrheitsbeschluss mangels Be- schlusskompetenz nichtig. Ergibt die Auslegung der Gemeinschafts- ordnung hingegen, wovon mangels entge- genstehender Hinweise bei einer verein- barten Hausordnung aus Gründen der Praktikabilität in der Regel auch hier ver- tretener Meinung nach auszugehen ist, dass es sich nur um untergeordnete Rege- lungsgegenstände handelt, die nach dem erkennbaren Willen der Eigentümer auch durch Beschluss abänderbar sein sollen, kann die vereinbarte Hausordnung auch durch Mehrheitsbeschluss wirksam geän- dert werden, da diese aufgrund der Not- wendigkeit zu deren Anpassung an sich änderndeVerhältnisse eine demRegelungs- gehalt einer Hausordnung entsprechend „immanente Öffnungsklausel“ enthält.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass nach einer weiter vertretenen Rechtsauffassung, der hier gefolgt wird, eine „Beschlussof- fenheit“ einer vereinbarten Hausordnung insbesondere dann anzunehmen ist, wenn die Regelungen der Hausordnung nicht durch spätere Vereinbarung der Woh- nungseigentümer, sondern vorgreiflich einseitig im Rahmen der durch den Bau- träger errichteten Teilungserklärung/Ge- meinschaftsordnung bestimmt wurden (vgl.: Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 21 Rn. 79). b) Soll nur eine Ergänzung einer vereinbar- ten Haustierhaltungsregelung herbeige- führt werden, so ist dies nach herrschen- der Rechtsauffassung immer dann durch Beschluss möglich, wenn dieVereinbarung nur um Regelungen ergänzt wird, die bestehende Regelungen unberührt lassen (vgl.: LG München I, Urt. v. 10.1.2013 − 36 S 8058/12 WEG, ZWE 2013, 413). c) Eine Besonderheit gilt für den Fall, dass die Gemeinschaftsordnung regelt, dass für die Nutzung des Sonder- und Gemein- schaftseigentums allgemein die Hausord- nung gelten soll, die vom Verwalter auf- gestellt wird. Eine solche Bestimmung, die die an sich nur denWohnungseigentümern vorbehal- tene Kompetenz zur Aufstellung einer verbindlichen Hausordnung auf den Ver- walter überträgt, ist nach h.M. wirksam (vgl.: Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl.

2018, § 21 Rn. 80 m.w.N.; Staudinger/ Lehmann-Richter, WEG (2018), § 21 Rn. 111). Eine auf der Grundlage der o.g. Vereinbarung aufgestellte Hausordnung ist dabei verbindlich, ohne dass dieWoh- nungseigentümer hierüber Beschluss fassen müssten. Sollte aufgrund einer solchen Vereinba- rung eine Gebrauchsregelung bzw. eine vorliegende Hausordnung durch denVer- walter erlassen worden sein, so steht in solchen Fällen nach herrschender Rechts- meinung denWohnungseigentümern aber stets die Befugnis zu, jederzeit selbst eine Hausordnung aufzustellen oder die vom Verwalter erstellte abzuändern (vgl.: Bär- mann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 21 Rn. 80 m.w.N.). 3. Beschlüsse über die Einführung von Haustierhaltungsregelungen Liegt eine Vereinbarung der Wohnungs- eigentümer zur Regelung der Tierhaltung nicht vor oder enthält diese keine Bestim- mung zu dem konkret zu regelnden Fall, ist zu untersuchen, ob und wie die Woh- nungseigentümer rechtmäßig die Tier-, insbesondere Katzen- und Hundehaltung, durch (Mehrheits-)Beschluss der Eigen- tümerversammlung reglementieren können. Abgesehen davon ist auch stets zu beach- ten, dass bei bestehender Beschlusskom- petenz die Regelungen einer Hausordnung den allgemein für Beschlüsse geltenden Wirksamkeits- und Rechtmäßigkeitsan- forderungen des § 21 Abs. 3 WEG un- terliegen.

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a) Was die Reichweite der Regelungsbefug- nis der Wohnungseigentümer bei der Aufstellung einer Gebrauchsregelung bzw. Hausordnung anbetrifft, ist zunächst all- gemein zu berücksichtigen, dass der ein- zelne Wohnungseigentümer gem. § 13 Abs. 1WEG grundsätzlich berechtigt ist, sein Sondereigentum nach Belieben zu nutzen und insbesondere auch Haustiere zu halten, da dies zur allgemein üblichen Nutzung einer Eigentumswohnung gehört. Dazu gehört das Recht jeden Eigentümers, gem. § 13Abs. 2WEG auch das gemein- schaftliche Eigentum (mit Haustieren) mitzubenutzen. Ferner ist zu berücksichtigen (hierzu nachfolgend), dass der betreffende Ei- gentümer im Falle der Vermietung seines Sondereigentums an Dritte diesen die o.g. Rechte ebenso zu Ausübung überlässt. Wie sich aber auch bereits aus § 14 Nr. 1 WEG ergibt, besteht das grundsätzlich freie Nutzungsrecht indes nicht grenzen- los, sondern wird insbesondere dadurch beschränkt, dass die Nutzungsfreiheit dort endet, wo andere Eigentümer beeinträch- tigt werden. Eingriffe, wie der Erlass von Beschrän- kungen durch eine Hausordnung, in das damit verbundene grundsätzliche Recht, Haustiere, auch Hunde, zu halten, bedür- fen somit einer rechtfertigenden Abwä- gung zwischen dem Interesse an einer Haustier-/Hundehaltung des einzelnen Eigentümers und dem berechtigten Inter- esse der Gemeinschaft an einem geord- neten, möglichst störungsfreien Zusam- menleben. b) So entspricht es der Rechtsprechung und herrschenden Meinung, dass der Beschluss über ein generelles Tierhaltungsverbot, auch ein generelles Hunde- oder Katzen- haltungsverbot, als Gebrauchs- und Nut- zungsregelung i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG den Grundsätzen ordnungsmäßiger Ver- waltung widerspricht, da eine derart er- heblich in das grundsätzlich bestehende Recht eines jeden Eigentümers zur Haus- tierhaltung eingreifende Regelung nur durchVereinbarung der Wohnungseigen- tümer im Rahmen der Gemeinschaftsord- nung erfolgen kann, d.h. der vertraglichen Zustimmung sämtlicher Wohnungseigen- tümer sowie der notariellen Beglaubigung nebst Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch i.S.d. § 10 Abs. 2, Abs. 3 WEG bedarf.

Die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen für einen gleichwohl gefassten Beschluss sind indes umstritten. Nach einer hierzu vertretenen Rechtsauf- fassung ist ein derartiger Beschluss gem. § 23Abs. 4 S. 1WEG als nichtig, zumin- dest als schwebend unwirksam anzusehen (so: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.10.2006 – 3 W 154/06-51, ZMR 2007, 308; Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 10 Rn. 39, 85, 201; Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage 2018, § 21 Rn. 70). Nach anderer Rechtsmeinung ist ein sol- cher Beschluss als lediglich rechtswidrig anzusehen, woraus folgt, dass dieser man- gels fristgerechter Erhebung der Beschlus- sanfechtungsklage gem. § 23 Abs. 4 S. 2 WEG in Bestandskraft erwachsen und damit wirksam werden kann (so.: BGH, Beschl. v. 4.5.1995 – V ZB 5/95, ZMR 1995, 417; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.12.2004 - 3 Wx 311/04, NZM 2005, 345; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 6. Aufl. 2019, § 15 Rn. 23). Die Beschlusskompetenz des § 15 Abs. 2 WEG gestattet grundsätzlich den Be- schluss über Gebrauchs- und Nutzungs- regelungen, wobei das Recht auf Tierhal- tung nicht zum sog. Kernbereich des Wohnungseigentums zu rechnen ist, also nicht unentziehbar bzw. unbeschränkbar ist. Wird dabei die Grenze einer ordnungs- mäßigen Verwaltung entsprechenden Beschränkung des Tierhaltungsrechts überschritten, folgt hieraus lediglich die Rechtswidrigkeit des Beschlusses (vgl.: Jennißen/ Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 15 Rn. 80, 108). c) Abgesehen vom allgemeinen Verbot der Haustierhaltung vertritt die Rechtspre- chung und herrschende Rechtsmeinung dieAuffassung, dass dieWohnungseigen- tümer grundsätzlich imRahmen ordnungs- mäßiger Verwaltung zur Vermeidung ansonsten zu erwartender Belästigungen, Beeinträchtigungen oder Gefahren durch- aus befugt sind, im Rahmen einer Haus- ordnung die Haltung von Haustieren, insbesondere von Katzen und Hunden, durch Eigentümerbeschluss beschränken- den Regelungen zu unterwerfen (vgl.: BayObLG, Beschl. v. 2.6.2004 – 2Z BR 99/04, ZMR 2004, 769; Jennißen/Schult- zky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 15 Rn. 107; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 5. Hier vertretener Auffassung nach ist der letztgenannten Auffassung zu folgen.

Aufl. 2019, § 14 Rn. 29). Das Recht auf Haustierhaltung gehört dabei insbeson- dere nicht zu den uneinschränkbaren bzw. unentziehbaren Kernrechten des Woh- nungseigentums (vgl.: Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 14 Rn. 36). d) Folgende in der Praxis typischerweise anzutreffende Regelungen sind dabei zu- lässig: • Genehmigungspflicht für die dieTier- haltung (z.B. durch schriftlich zu be- antragende und durch die Verwaltung zu erteilende Erlaubnis), wobei mangels konkreter Regelung von Versagungs- gründen die Erlaubnis mangels Vorlie- gen schwerwiegender Gründe grund- sätzlich zu erteilen ist bzw. nur im Falle schwerwiegender Gründe wider- rufen werden kann (vgl.: KG, Beschl. v. 23.6.2003 – 24W 36/03, ZMR 2004, 704). • Verbot des Haltens von Kampfhunden, Kampfhund-Mischlingen oder sons- tigen gefährlichen, exotischen oder giftigen Tieren wie z.B. Giftschlangen (vgl.: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.12.2003 – 14Wx 51/03, NZM 2004, 551; OLG Frankfurt, Urt. v. 18.3.1993 – 2 U 124/92, NJW-RR 1993, 982; Hü- gel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 14 Rn. 26). • Verbot des freien Herumlaufens von Haustieren undAnordnung eines Lei- nenzwangs (vgl.: BayObLG, Beschl. v. 2.6.2004 – 2Z BR 99/04, ZMR 2004, 769; LG Frankfurt, Urt. v. 14.7.2015 – 2-9 S 11/15, ZWE 2015, 413; Hügel/ Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 14 Rn. 26). • Beschränkung der durch/mit Haus- tieren zu nutzenden Grundstücks-/ Gartenflächen durch konkrete Regelung (Planzeichnung) durch Zuweisung be- stimmter Flächen nebst Untersagung der Nutzung des Grundstücks als „Hundeklo“ nebst der Verpflichtung, Verunreinigun- gen umgehend selbst zu beseitigen (vgl.: OLG Hamburg, Beschl. v. 20.8.2007 – 2 Wx 72/07, ZMR 2008, 151). • Verbot der Beförderung von Haus- tieren imAufzug bei Verpflichtung nur das Treppenhaus zu nutzen (streitig, dafür: LG Karlsruhe, Urt. v. 12.12.2013 − 5 S 43/13, ZWE 2014, 172; dagegen: AG Freiburg, Urt. v. 18.4.2013 – 56 C 2496/12 WEG, ZWE 2014, 274).

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e) Folgende in der Praxis typischerweise anzutreffende Regelungen sind dagegen wegen eines nicht zumutbaren Eingriffs in die Eigentümerrechte unzulässig: • Auferlegung besonderer persönlicher Handlungspflichten , die nicht ohnehin geschuldet werden oder Verhängung von Sanktionen (Geldtrafen) bei Zuwi- derhandlung (mangels Beschlusskom- petenz nichtig, vgl.: Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 15 Rn. 70). • Allgemeines Verbot der Haustier-, bzw. Hunde- oder Katzenhaltung durch Beschluss (vgl.: BGH, Beschl. v. 4.5.1995 – V ZB 5/95, ZMR 1995, 417; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.10.2006 – 3W 154/06-51, ZMR 2007, 308; Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage 2018, § 21 Rn. 70). • Genehmigungspflicht für dieTierhal- tung bei notwendiger Zustimmung sämtlicher Eigentümer (vgl.: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.1988 – 11W 142/87, ZMR 1988, 184). • Beschränkungen hinsichtlich oder derAnzahl solcher (Klein-)Tiere, die außerhalb derWohnung nicht wahr- nehmbar sind und von denen keine Gefahren oder Verschmutzungen typi- scherweise ausgehen, wie Ziervögel oder -fische, Hamster, Kaninchen (vgl.: Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 14 Rn. 36; Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 15 Rn. 107). • Verbot oder Beschränkungen der Tierhaltung bei besonderenAusnah- men gem. Treu und Glauben (§ 242 BGB), so etwa für Polizei-, Lawinen-, Rettungs- oder andere Diensthunde so- wie ärztlich verordnete sog. Therapie- hunde (vgl.: BayObLG, Beschl. v. 24.8.2000 – 2Z BR 58/00, NZM 2001, 105; Bärmann/Suilmann,WEG, 14.Aufl. 2018, § 14 Rn. 36). • Verbot der Nutzung der Grundstücks- oder Gartenflächen durch Haustiere insgesamt oder notwendigerweise zu nutzender Flächen und Anlagen (vgl.: OLG Köln, Beschl. v. 28.7.2008 – 16 Wx 116/08, ZMR 2009, 310; LG Kon- stanz, Beschl. v. 15.12.2008 – 62T 73/09, ZMR 2009, 634). f) Dabei ist es nach herrschender Rechts- auffassung auch möglich, eine Beschrän-

kung der Anzahl der Haustiere, insbeson- dere Katzen und Hunde, proWohneinheit zu beschließen (vgl.: Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 14 Rn. 36; Hügel/ Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 15 Rn. 45; Riecke/Schmid/Abramenko, 5.Aufl. 2019, § 15 Rn. 22). Bei der Bemessung der Anzahl der zuge- lassenen Tiere ist die Rechtsprechung nicht einheitlich, wobei darauf hinzuwei- sen ist, dass in den nachfolgend aufge- führten Entscheidungen das erkennende Gericht sich stets auf einen konkreten Eigentümerbeschluss zu beziehen hatte, der jeweils als rechtmäßig erachtet wur- de. Aus den Zahlenangaben folgt somit nicht, dass ggfls. eine Beschränkung der Anzahl auf nur 1 Hund rechtswidrig sein muss bzw. die Einbeziehung von Katzen neben Hunden stets notwendig wäre. Bei der Beurteilung der Frage, welche Beschränkung von der Art der Haustiere bzw. deren Anzahl im Einzelnen recht- mäßig ist, handelt es sich stets um eine Ermessensentscheidung des Gerichts im Einzelfall, wobei es immer auch auf die örtlichen Verhältnisse sowie ggfls. auf die Größe der Wohnung ankommt (vgl.: Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 15 Rn. 107). • KG, Beschl. v. 8.4.1998 – 24W1012/97, ZMR 1998, 658 [Beschränkung auf 1 Hund oder 3 Katzen pro Wohnung rechtmäßig]; • OLG Schleswig, Beschl. v. 27.11.2003 – 2 W 165/03, ZMR 2004, 941 [Be- schränkung auf max. 1 Hund pro Woh- nung rechtmäßig]; • OLG Celle, Beschl. v. 31.1.2003 – 4 W 15/03, ZMR 2003, 440 [Beschränkung auf 1 Hund und 1 Katze pro Wohnung rechtmäßig]; • OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.8.1999 – 3 W 164/99, ZMR 1999, 853 [Be- schränkung auf nicht mehr als 1 Hund pro Wohneinheit rechtmäßig]; • LG Lüneburg, Urt. v. 19.12.2011 – 2 S 21/11, ZMR 2012, 728 [Beschränkung auf 2 Hunde oder 2 Katzen bzw. 1 Hund und eine Katze proWohnung rechtmäßig]. g) Zu berücksichtigen ist jedoch einschrän- kend, dass eine Beschränkungen der Tier- haltung bei besonderenAusnahmen gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 242

BGB) verstößt, so etwa für Polizei-, La- winen-, Rettungs- oder andere Dienst- hunde sowie ärztlich verordnete sog. Therapiehunde (vgl.: BayObLG, Beschl. v. 24.8.2000 – 2Z BR 58/00, NZM 2001, 105; Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 14 Rn. 36). h) Ferner kann zu beachten sein, dass gege- benenfalls ein „Bestandsschutz“ für sol- che Eigentümer gilt, die imVertrauen auf den Umstand, dass bisher keinerlei Re- gelung die Tierhaltung betreffend exi- stierte, bereits mehrere Haustiere (Hunde oder Katzen) angeschafft haben. Teilweise wird hierzu angenommen, dass auch später beschlossene Beschränkungen der Art und Weise der Tierhaltung für solche Haustiere, welchen von Eigentü- mern vor Inkrafttreten der Beschränkun- gen angeschafft haben, gelten; insoweit wird ein Bestands- bzw. Vertrauensschutz nicht angenommen (vgl.: OLG Celle, Beschl. v. 31.01.2003 - 4 W 15/03, ZMR 2003, 440; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 5. Aufl. 2019, § 14 Rn. 29). Dies mit demArgument, dass jeder haus- tierhaltende Eigentümer damit rechnen muss, dass die Gemeinschaft auf eine „ausufernde“ Tierhaltung reagiert und von dem ihr zustehenden Regelungsrecht Gebrauch macht. Anderer Rechtsprechung und Literatur kann jedoch entnommen werden, dass nur dann kein „Vertrauensschutz“ anzu- erkennen ist, wenn bereits Beschränkun- gen zur Tierhaltung existierten und nicht in die Möglichkeit der Tierhaltung als solche, sondern in deren Ausübung (z.B. Neueinführung eines Leinenzwangs) nachträglich belastend eingegriffen wird, weshalb hiermit gerechnet werden konn- te (vgl.: LG Frankfurt, Urt. v. 14.7.2015 – 2-09 S 11/15, ZMR 2016, 56; Riecke/ Schmid/Abramenko, WEG, 5. Aufl. 2019, § 15 Rn. 22). 5. Nicht verschwiegen werden sollte in die- sem Zusammenhang, dass dieWohnungs- eigentümer sich durch eine mehrheitliche Beschlussfassung über eine Ergänzung / Änderung der Hausordnung durch eine Begrenzung des Rechts der Haustierhal- tung, z.B. durch eine Beschränkung der Anzahl der erlaubterweise zu haltenden Hunde in den einzelnenWohnungseigen- tumseinheiten gegebenenfalls erhebliche Probleme schaffen können. Dies insbe-

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sondere dann, wenn die Einhaltung der Hausordnung umgesetzt werden oder u.U. wegenVerstößen gegen die beschlossene Begrenzung der Hundehaltung gegen den Wohnungsnutzer vorgegangen werden soll. Dabei ist nämlich zu berücksichtigen, dass gegebenenfalls derzeit oder zukünf- tig Wohneinheiten an Dritte vermietet oder sonst zur Nutzung überlassen sind bzw. werden können. Während eigennutzende Wohnungsei- gentümer gem. §§ 10 Abs. 4, 15 Abs. 2 WEG unmittelbar an eine beschlossene Beschränkung der Tierhaltung gem. § 10 gebunden sind und unmittelbar au- ßergerichtlich oder gerichtlich auf Un- terlassung einer den Regelungen der Hausordnung zuwiderlaufende und/oder störende Tierhaltung aus §§ 1004, 823 BGB i.V.m. § 15Abs. 3WEG inAnspruch genommen werden können, gilt dies für Dritte (Mieter), denen das Wohnungsei- gentum zur Nutzung überlassen ist, nicht ohne weiteres, denn der Mieter einer Eigentumswohnung oder ein sonstiger Nutzungsberechtigter kann als Nicht- Mitglied der Wohnungseigentümerge- meinschaft nicht durch Beschluss der Eigentümerversammlung an deren Ge- meinschaftsordnung oder Hausordnung gebunden werden. a) Zwar kann auch der Mieter einer Eigen- tumswohnung aus § 1004 BGB wegen von ihm verursachter Störungen oder Belästigungen von den anderen Woh- nungseigentümern auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, dies betrifft indes insbesondere ruhestörenden Lärm durch Hundegebell oder Verschmutzun- gen, nicht aber einen bloßen Verstoß ge- gen eine Beschränkung der Anzahl der erlaubter maßen zu haltenden Hunde, sofern hierdurch keine darüber hinaus gehenden Störungen auftreten (vgl.: BGH, Urt. v. 22.1.2016 - V ZR 116/15, ZMR 2016, 382; BGH, Urt. v. 8.5.2015 - V ZR 178/14, ZMR 2015, 731). b) Zwar hat der Bundesgerichtshof in einer soeben veröffentlichten Entscheidung ausgesprochen, dass auch der Mieter ei- ner Eigentumswohnung auf Unterlassung eines den Regelungen der Hausordnung widersprechenden Gebrauchs des Ge- meinschaftseigentums aus § 1004 BGB von den übrigen Wohnungseigentümern in Anspruch genommen werden kann, gleich, ob die Regelungen der Gemein- schaft vereinbart oder nur beschlossen

sind. Offen gelassen hat der BGH aber die Frage, ob dies auch für beschlossene Regelungen in Bezug auf die Nutzung des Sondereigentums gilt (vgl.: BGH, Urt. v. 25.10.2019 – V ZR 271/18, IMR 2020, 2116). Wenngleich aus den Entscheidungsgrün- den des BGH hier vertretener Auffassung nach gefolgert werden kann, dass auch Verstöße gegen eine die Nutzung des Sondereigentums beschränkende be- schlossene Hausordnung durch andere Wohnungseigentümer gegenüber einem Wohnungsmieter geahndet werden kön- nen, ist dies nicht ausdrücklich höchstrich- terlich geklärt, zumal diese Frage in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist. Nach der hierzu bisher vertretenen, wohl als h.M. anzusehenden Rechtsauffassung kann mangels Bindung des Mieters an Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft der Mieter bei bloßen Verstößen gegen beschlossene Gebrauchsregelungen nicht unmittelbar inAnspruch genommen (vgl.: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 31.7.2009 - 19 S 2183/09, ZMR 2010; AG Bremen, Urt. v. 18.11.2003 – 8 C 228/03, Juris; Hügel/ Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 13 Rn. 17; Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 13 Rn. 36; § 15 Rn. 129). Nach der hierzu vertretenen Gegenmei- nung kann der Mieter einer Eigentums- wohnung nicht mehr Gebrauchsrechte geltend machen als der Eigentümer und kann daher auch bei Verstößen gegen beschlossene Gebrauchsregelungen un- mittelbar inAnspruch genommen werden (vgl.: KG, Beschl. v. 10.02.1997 - 24 W 6582/96, NJW-RR 1997, 713; OLG Frank- furt, Urt. v. 18.3.1993 – 2 U 124/92, NJW 1993, 981; LG Hamburg, Urt. v. 25. 11. 2011 - 317 S 55/11, ZMR 2012, 354). c) Ungeachtet der Frage, ob dieWohnungs- eigentümergemeinschaft berechtigt ist, unmittelbar gegen einen Mieter wegen eines Verstoßes gegen die Begrenzung der Anzahl der zu haltenden Hunde vor- zugehen, können sich für den vermieten- den Eigentümer Probleme im Verhältnis zu seinem Mieter und zur Wohnungsei- gentümergemeinschaft ergeben. aa) Denn es ist zweifelhaft, ob die jeweils Vermietenden die Hausordnung der Woh- nungseigentümergemeinschaft zum Be- standteil des Mietvertrags machen können.

Mangels bisheriger Existenz einer ge- meinschaftlichen Regelung darf bezweifelt werden, dass in den bereits mit Mietern abgeschlossenen Mietverträgen Regelun- gen enthalten sind, die die Anzahl der zu haltenden Hunde so beschränken, wie dies die Gemeinschaft beschließen möchte. Abgesehen davon bedarf eine nachträg- liche Änderung des Mietvertrags infolge der nachträglichen Ergänzung / Änderung der Hausordnung der Gemeinschaft, durch welche der Mieter nicht mehr berechtigt sein soll, mehr Hunde als durch die Ge- meinschaft bestimmt zu halten, der Zu- stimmung des Mieters, die regelmäßig mangels abweichender individueller miet- vertraglicher Regelungen nicht erzwungen werden kann. Insofern kann der Mieter sich imVerhält- nis zum vermietenden Eigentümer darauf berufen, zur zahlenmäßig unbeschränkten Hundehaltung berechtigt zu sein und kann im Falle seiner Inanspruchnahme durch die Gemeinschaft dem vermietenden Ei- gentümer gegenüber mietrechtliche Män- gelrechte geltend machen (Mietminde- rung, außerordentliche Kündigung). bb) Abgesehen davon kann derjenige Woh- nungseigentümer, der sein Wohnungsei- gentum vermietet hat, im Rahmen des § 14 Nr. 2 WEG unmittelbar selbst für Verstöße seines Mieters gegen eine Be- schränkung der Hundehaltung zur Ver- antwortung gezogen werden. Vom vermietenden Eigentümer kann zwar im Rahmen dessen nicht die Entfernung des Hundes oder die Beseitigung einer Störung unmittelbar verlangt werden, son- dern nur, dass dieser auf seinen Mieter in geeigneter Weise so einwirkt, dass der Mieter die von ihm ausgehende Störung abstellt, insbesondere durch Abmahnung des Mieters bis notfalls hin zu dessen frist- loser Kündigung (vgl.: BGH, Urt. v. 16.5.2014 - V ZR 131/13, ZMR 2014, 894; LG Hamburg, Urt. v. 24.4.2013 - 318 S 49/12, ZMR 2013, 632; LG Karlsruhe, Urt. v. 12.12.2013 - 5 S 43/13, ZMR 2014, 394). Dies dürfte indes dem vermietenden Ei- gentümer mangels entsprechender miet- vertraglicher Regelung kaum gelingen. Gleichwohl verbleibt es aber dabei, dass auch in diesem Fall der vermietendeWoh- nungseigentümer inAnspruch genommen werden kann; notfalls muss er den Mieter auch unter erheblichen finanziellen Opfern aus der Mietwohnung „herauskaufen“

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(vgl.: BGH, Urt. v. 16.5.2014 - V ZR 131/13, ZMR 2014, 894; LG Hamburg, Urt. v. 24.4.2013 - 318 S 49/12, ZMR 2013, 632; LG Karlsruhe, Urt. v. 12.12.2013 - 5 S 43/13, ZMR 2014, 394). 6. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass, abge- sehen von bereits vereinbarten Regelun- gen zur Haustierhaltung, dass Beschluss- und Entscheidungsermessen der Woh-

nungseigentümer bei der Reglementierung der Haustierhaltung in der WEG-Anlage recht weit ist. Dabei sollte bei möglichen Regelungen aber immer (auch ausAkzeptanzgründen) berücksichtigt werden, ob sich einzelne Eigentümer (oder deren Mieter) bei der Anschaffung und Haltung von Haustieren nicht bereits am bisherigen Zustand orientiert haben.

Zudem bleibt es jedem Eigentümer un- geachtet bestehender ausdrücklicher Re- gelungen immer unbenommen, bei kon- kreten Störungen durch eine Haustierhal- tung aus eigenem Recht gegen den Ei- gentümer bzw. den Störer selbst (Mieter) aus § 1004 BGB i.V.m. § 15Abs. 3WEG vorzugehen.

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von Massimo Füllbeck Neuigkeiten zum „werdenden Wohnungs­ eigentümer“ (Eigentümerwechsel Neubau)

a) DieAnwendung der Grundsätze über die werdende Wohnungseigentümergemein- schaft setzt nicht voraus, dass es sich bei dem Ersterwerb von dem teilenden Ei- gentümer um einen Bauträgervertrag handelt. Diese Grundsätze gelten vielmehr unabhängig davon, ob der Erwerbsvertrag eine Errichtungs-, Herstellungs- oder Sanierungsverpflichtung umfasst, für je- den Ersterwerb vom teilenden Eigentümer. b) WerdenderWohnungseigentümer ist auch derjenige, der nach Entstehen der Woh- nungseigentümergemeinschaft im Rechts- sinne von dem teilenden Eigentümer Wohnungseigentum erwirbt und durch Eintragung einerAuflassungsvormerkung und Übergabe der Wohnung eine gesi- cherte Rechtsposition erlangt. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob ein sol- cher Ersterwerb von dem teilenden Ei- gentümer während der eigentlichen Ver- marktungsphase oder erst längere Zeit nach derenAbschluss erfolgt (Fortführung von Senat, Urteil vom 11. Mai 2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 Rn. 12).

wurde die erste Erwerberin alsWohnungs- eigentümerin in das Grundbuch eingetra- gen. Folglich entstand zu diesem Zeitpunkt die WEG. Mit notariellem Vertrag vom 30. Juni 2016 verkaufte die T. GmbH einer anderen Erwerberin E Wohnungs- eigentum. Nach Eintragung der Auflas- sungsvormerkung und Zahlung des Kauf- preises, fand am 22. August 2016 die Übergabe der Einheiten an E statt. Die Eigentumsumschreibung hatte noch nicht stattgefunden. E nahm in der Folge an mehreren Eigentümerversammlungen teil und wurde sogar in denVewaltungsbeirat gewählt. Am 6. November 2017 fand eine weitere Eigentümerversammlung statt. Die Ver- walterin schloss E diesmal von der Teil- nahme aus, da sie noch nicht als Eigen- tümerin im Grundbuch eingetragen war. E war damit nicht einverstanden. Die Beschlussanfechtung richtete sich an- schließend gegen TOP 4, bei dem es um eine einvernehmliche Aufhebung der Verwalterbestellung bzw. des Verwalter- vertrages ging. Was war das Problem? Der BGH hat bisher nicht entschieden, ob der Erwerber, der nach Entstehung der voll funktionsfähigen WEG, von dem teilenden EigentümerWohnungseigentum erwirbt und durch Eintragung einer Auf- lassungsvormerkung und Übergabe der Wohnung eine gesicherte Rechtsposition erlangt, wie ein „werdender Wohnungs-

eigentümer“ zu behandeln ist und folglich auch zur Eigentümerversammlung ein- geladen werden muss. Die Entscheidung des BGH: Der Beschluss zu TOP 4 der Eigentümer- versammlung vom 6. November 2017 ist ungültig, da E unberechtigterweise aus- geschlossen wurde. Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt dieAnwendung der Grundsätze über die werdende Wohnungseigentümerge- meinschaft nicht voraus, dass es sich bei dem Ersterwerb von dem teilenden Ei- gentümer um einen Bauträgervertrag handelt. Die Rechtsstellung als werdender Wohnungseigentümer erlangt ein Erster- werber, anders als das Berufungsgericht und die Beklagten meinen, mit der Ein- tragung einer Auflassungsvormerkung und der Übergabe der Sache unabhängig davon, ob der Erwerbsvertrag vor oder nach der Eintragung des ersten Erwerbers in das Grundbuch geschlossen wird. . Praxis-Tipp: Kurz vor Verabschiedung der WEG-Re- form 2020 (Drucksache 19/18791) klärt der BGH die seit längerem offene Frage. Zukünftig soll die WEG mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher entstehen, so dass es die „werdende WEG“ nicht mehr geben wird (§ 9a Abs. 1 WEG-E). Den „werdenden Wohnungseigentümer“ wird es allerdings weiterhin geben (§ 8 Abs. 3 WEG-E).

BGH, Urteil vom 14.02.2020,Az.V ZR 159/19

Was war passiert? Das gemeinschaftliche Grundstück stand ursprünglich im Alleineigentum der T. GmbH, die es mit notarieller Urkunde vom 26. Januar 2013 in Wohnungs- und Teileigentum aufteilte. Am 31. März 2016

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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von Massimo Füllbeck Nutzungsmöglichkeiten von Sondereigentum

Sondereigentum sind entweder die Woh- nung (Wohnungseigentum) oder Räume, die nicht zuWohnzwecken bestimmt sind (Teileigentum). In der Praxis ist die Dif- ferenzierung, ob eine Wohnung gewerb- lich oder das Teileigentum als Wohnung genutzt werden darf, nicht immer einfach. Auch wenn der Grundsatz gilt, dassWoh- nungen nur zu Wohnzwecken genutzt werden dürfen, lässt die Rechtsprechung Ausnahmen zu. So ist beispielsweise auch die Vermietung an wechselnde Feriengä- ste zulässig bzw. Teil der Wohnungsnut- zung (siehe Ferienwohnungsentscheidung: BGH, V ZR 72/09; ZWE 2010, 130). Grundsatz: Eine gewerbliche Nutzung in derWoh- nung soll zulässig sein, wenn von dieser keine stärkere Störung ausgeht als von derWohnungsnutzung selbst (Bärmann, WEG, 14.Auflage 2018, Rn. 36). Selbst- verständlich sind stets die jeweiligen Vereinbarungen der Gemeinschafts- ordnung zu beachten! Es müssen weiterhin folgende Fallgruppen unterschieden werden: 1. Nur gewerbliche Nutzung • Eine reine gewerbliche Nutzung ist grundsätzlich verboten. (z. B. Arzt- praxis, hotelähnliche Nutzungen, Friseur, Blumenladen, private Pfle- ge- und Kinderheime). • Freie Berufe (Rechtsanwalt, Steu- erberater etc.) – ohne größeren Kun- denverkehr – sind in der Regel zu- lässig. a) Gewerbliche Nutzung einer Wohnung in der WEG zulässig?

2. Mischnutzung Eine Mischnutzung (gewerbliche und Wohnnutzung) muss nicht von vorn- herein verboten sein. Soweit von der gewerblichen Tätigkeit keine Störung ausgeht und diese nach außen hin nicht in Erscheinung tritt, dürfte die Nutzung in dieser Form zulässig sein (z. B. Homeoffice oder Nutzung als Büro). Kriterien wie Publikumsverkehr oder auftretende Geräuschbelästigungen sind eigentlich Indizien dafür, dass die Nutzung unzulässig ist. Ein gutes Beispiel ist die Wohnungsnut- zung zur Prostitution (bzw. auch bei Teileigentum, also Gewerbe fraglich). Man sollte sich merken, dass diese Nut- zung nicht per se verboten ist. Es gibt viele Gerichtsentscheidungen zu dem Thema, aber im Ergebnis kommt es ver- mutlich immer auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an, insbesondere in welchem Umfang ein oder alle Eigen- tümer sich gestört fühlen. Gehen von einem in einer Eigentums- wohnung betriebenen Bordell Störungen aus, die die gemeinschaftliche Nutzung der Wohnungseigentumsanlage oder den Verkehrswert oder Mietpreis der Woh- nungen nicht unerheblich beeinträchtigen, so können die übrigen Eigentümer Un- terlassung dieser Nutzung verlangen. Der Senat schließt sich der Rechtsauffas- sung des BerlVerfGH an (NJW-RR 2003, 229 = NZM 2003, 112 =WuM 2003, 39), Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: OLGDüsseldorf, Beschluss vom12.3.2003 – 3 Wx 369/02; ZMR 2004, 447

wonach das Grundrecht auf Eigentum es nicht gebietet, den Nachteilsbegriff des § 14 Nr. 1 WEG auf physikalische Ein- wirkungen wie Immissionen zu beschrän- ken. Die Beeinträchtigung kann auch darin bestehen, dass ein zwar gesetzlich erlaubter, aber mit einem sozialen Un- werturteil breiter Bevölkerungskreise behafteter Betrieb sich negativ auf den Verkehrswert oder Mietpreis der Eigen- tumswohnungen auswirkt. b) Kann ein Teileigentum (nicht zu Wohnzwecken bestimmte Räume) als Wohnung genutzt werden? Hierzu ein Beispiel: Der Eigentümer der Teileigentumseinheit im EG sieht für seine Gewerbeeinheit keine Perspektive mehr – ständiger Leer- stand und nur Ärger mit den Gewerbe- mietern. Wohnraum ist ein knappes Gut und er überlegt sich, die Teileigentums- einheit ab sofort alsWohnung zu vermie- ten. Das Problem und die Lösung: Die Zweckbestimmung »Teileigentum« erlaubt grundsätzlich keine Wohnungs- nutzung. Achtung: Ähnlich wie bei der gewerblichen Nut- zung einer Wohnung, gilt auch beim Teileigentum: DieWohnnutzung ist aber zu dulden, wenn sie wegen des Charak- ters der Anlage und der örtlichen Ver- hältnisse bei typisierender Betrach- tungsweise nicht mehr stört als eine gewerbliche Nutzung (Bärmann,WEG 14. Aufl. 2018, WEG § 15 Rn. 43

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Foto: architektur_pläne_adobestock_290790802

Ein gutes Beispiel: DieWEG streitet dar- über, ob in einer Teileigentumseinheit eine „Flüchtlingsunterkunft“ errichtet werden darf. Ein Flüchtlingsheim ist kei- ne Wohnnutzung, sondern als Nutzung zu anderen alsWohnzwecken einzuordnen, so der BGH (Urteil vom 27.10.2017, V ZR 193/16). Die vorgeschriebene Nutzung der Teilei- gentumseinheit ist eineVereinbarung und kann nur in Form einer neuen Vereinba- rung durch sämtliche Eigentümer geändert werden. Damit eine neue Vereinbarung auch gegen Sondernachfolger gilt, muss sie in das Grundbuch eingetragen werden. Möglicherweise kann im Einzelfall auch einAnspruch auf Änderung der Gemein- schaftsordnung bestehen, wenn eine Ver- wertbarkeit als Teileigentumwirtschaftlich nicht mehr möglich ist (BGH, Urteil vom 23. März 2018, V ZR 307/16). In der Praxis stellt sich bei einer zweck- widrigen Nutzung die Frage, wem der Anspruch auf Beseitigung und Unterlas- sung überhaupt zusteht. Oft ist den Ei- gentümern gar nicht bewusst, dass der Verwalter bzw. die WEG zunächst gar keine Kompetenz haben, die Beseitigung c) Vorgehen bei zweckwidriger Nutzung?

und Unterlassung zu fordern. Für Unter- lassungsansprüche der Wohnungseigen- tümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück (hier: zweckwidrige Nutzung des Sondereigentums) besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbands gemäß § 10Abs. 6 Satz 3 Halb- satz 1 WEG. Die Wohnungseigentümer- gemeinschaft kann aber Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums gemäß § 1004 Abs. 1 BGB durch Mehrheitsbe- schluss nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2WEG an sich ziehen und ist dann allein zuständig für die gerichtliche Geltend- machung. Die Wohnungseigentümer ha- ben auch gegen den Mieter einer Woh- nungs- oder Teileigentumseinheit im Falle einer Nutzung, die der in der Tei- lungserklärung für diese Einheit getrof- fenen Zweckbestimmung widerspricht, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 25. Ok- tober 2019 - V ZR 271/18; BGH, Urteil vom 24.01.2020 – V ZR 295/16).). Zum Schluss: Interessant ist auch die Frage, welcheArt von Gewerbe in einer Teileigentumseinheit betrieben werden darf. Üblicherweise enthalten Gemeinschaftsordnungen

diverse Vorgaben: Laden, Lager, Gast- stätte etc.

Im nächsten Beitrag beschäftigt sich Herr Rechtsanwalt Rüdiger Fritsch mit einer spannenden Entscheidung des BGH zur Nutzung einer Teileigentumseinheit als „Eltern-Kind-Zentrum.“.

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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Eltern-Kind-Zentrum im Ladenlokal Zulässigkeit gewerblicher Kinderbetreuung in der WEG-Anlage

Nach ständiger Rechtsprechung des Bun- desgerichtshofes (BGH) stellt die wört- liche Bezeichnung einerWohnungseigen- tumseinheit im Rahmen der Teilungser- klärung eine sog. Nutzungszweckbestim- mung dar, auf deren Einhaltung jeder Wohnungseigentümer einen individuell durchsetzbaren Rechtsanspruch besitzt. Der Bundesgerichtshof hat nun zu dieser immer wiederkehrenden Frage eine Grundsatzentscheidung gefällt, die sich auf die Zulässigkeit der Kinderbetreuung bezieht (vgl.: BGH, Urt. v. 13.12.2019 - V ZR 203/18). 1. Der Fall Der Verein V betreibt in einer gemischt genutzten WEG-Anlage ein sog. Eltern- Kind-Zentrum in einer Teileigentumsein- heit, die in der Teilungserklärung als „Laden mit Lager“ bezeichnet ist. Eigen- tümer E verklagt V auf Unterlassung, da er sich u.a. durch Lärm, Publikumsverkehr der Eltern und durch abgestellte Kinder-

wagen und Fahrräder gestört fühlt. Hilfs- weise beantragt E, den V zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicherzu- stellen, dass in seiner Wohnung die Lär- mimmissionen 52 db nicht überschreiten sowie dasAbstellen der Kinderwagen und Fahrräder zu unterlassen. 2. Das Problem Wenn der Nutzungszweck der betreffen- den Einheit durch die Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung eindeutig definiert ist, ist dann eine diesem wider- sprechende Nutzung nicht stets rechts- widrig und löst dies jedemWohnungsei- gentümer zustehenden Ansprüche auf Unterlassung einer solchen unzulässigen Nutzung dar? Indes ist es nach ständiger Rechtsprechung des BGH so, dass eine von der vereinbarten Nutzungszweckbe- stimmung abweichende Nutzung nicht zwingend einen Unterlassungsanspruch der übrigen Wohnungseigentümer nach sich zieht, wenn die zwar unerlaubte Nut-

zung nicht mehr stört, als eine zulässige Nutzung. Wie ist nun der Fall zu lösen, wenn in einem Laden gewerbliche Kin- derbetreuung stattfindet? 3. Die Entscheidung des BGH Der Bundesgerichtshof hat der Revision des beklagten Vereins stattgegeben und die Klage im Hauptantrag abgewiesen. Hinsichtlich der Hilfsanträge hat er die Sache an das OLGMünchen zur weiteren Sachaufklärung, neuenVerhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. EinWohnungseigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 BGB Unterlassung verlangen, wenn eine Wohnungseigentumseinheit anders genutzt wird, als in der Teilungs- erklärung vorgesehen. Das gilt zwar dann nicht, wenn die tatsächliche Nutzung bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die erlaubte Nutzung. Die a) Fehlnutzung durch Eltern-Kind- Zentrum im Laden mit Lager

Information

Unsere Autoren

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Juristische Fachautoren:

RA Rüdiger Fritsch

- Richter am Amtsgericht Hamburg-­ Blankenese - Schwerpunkt: Miet- und Wohnungs­ eigentumsrecht Dr. Olaf Riecke

- Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Schwerpunkt: Wohnungseigentums- und Mietrecht sowie Makler- und Bauträgerrecht - Praktiker, Fachautor und Referent namhafter

Tagungsveranstaltungen www.krall-kalkum.de

Weiterhin wirkten an dieser Ausgabe mit: Massimo Füllbeck

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