Im Hospiz ist auch die Arbeit mit
Angehörigen wichtig für das Wohl
der Gäste. Welche Rolle nehmen
sie da ein?
Martina Mann: Da gibt es schon
mal gewisse Spannungen. Gäste
und Angehörige verspüren beide
Schmerz, aber sie versuchen oft
krampfhaft, es voreinander zu ver-
bergen. Damit wollen sie sich und
den Gast schützen, anstatt mitei-
nander zu weinen, zu trauern, und
das Jetzt zu gestalten. Wir trösten,
wir ermutigen aber auch, kreativ zu
überlegen: Was könnte dem Papa,
der Mama jetzt guttun und gefallen?
Wäre es schön, zusammen alte
Fotoalben zu schauen, Gedichte
zu lesen, Geschichten von früher
zu erzählen, solange es noch geht,
anstatt aneinander vorbeizureden
oder zu schweigen? Die Menschen
sollten miteinander noch einmal
eine gute Zeit haben!
Ist die Aufenthaltsdauer im Hospiz
eigentlich gesetzlich begrenzt? Wa-
ren das mal sechs Monate?
Martina Mann: Die Zeit kann nach
Antrag bei der Kasse und Begut-
achtung durch den MDK immer
wieder verlängert werden. Inzwi-
schen haben wir manche Gäste,
die den Kriterien für das Hospiz
entsprechen, also schwer krank
und austherapiert sind, aber eigent-
lich zu jung für unsere Einrichtung
sind. Wir brauchen in Deutschland
viel mehr Intensivpflegeplätze für
Menschen, die weder ins Akutkran-
kenhaus noch ins Hospiz noch ins
Seniorenhaus müssten. Da gibt es
eine echte Versorgungslücke.
Beim Rundgang durch das Hospiz
St. Marien fällt der helle, klare Stil
des Hauses auf. Bestimmte Orte
fallen ins Auge, wie die mit lichten
Glasfenstern gestaltete Kapelle von
Egbert Verbeek, die großzügige
Dachterrasse, welche im Sommer
ein Lieblingsort der Gäste und ihrer
Angehörigen ist, und der Raum der
Stille. Hier ist die sogenannte Klage-
mauer untergebracht, eine künst-
lerisch angelegte Wand mit vielen
kleinen Nischen für Klagezettel.
„Gäste, Angehörige und Besucher
schreiben ihre Not auf kleine Blätter,
und stecken sie gefaltet in die Kla-
gemauer. Einmal im Jahr lösen wir
die Wünsche und Klagen dann in
einem Gottesdienst im Feuer auf“,
erklärt Mann. Zuletzt landen wir im
anheimelnden Wohnzimmer mit
Bibliothek und Kaminfeuer, denn
auch das gibt es im neuen Hospiz
St. Marien: „Hier ist ein Ort des Mit-
einander-Lebens, Entspannt-Seins,
manchmal auch des Feierns“, be-
richtet Tomislav Rubcic. „Auch
wenn es etwas gedauert hat, bis
der Raum so angenommen wur-
de wie geplant, weil die Gäste ihre
schönen Zimmer so genossen ha-
ben: Inzwischen treffen sich Gäste,
Angehörige und Mitarbeiter richtig
gerne hier.
Duftöle lindern den Schmerz
Die Hospizfachleute haben gegen
Schmerz nicht nur Worte und liebe-
volle Gesten parat. Martina Mann
zeigt uns den Duftkoffer, eine wohl
ausgewählte Sammlung hochwer-
tiger Düfte, die sie in der Aroma-
pflege einsetzen. Manche werden
als Einzeldüfte gegeben, andere
zu komplexen Duft-Bouquets zu-
sammengestellt. „Viele sind Erin-
nerungsdüfte, die innere Kräfte und
gute Zeiten an die Oberfläche holen.
Das bringt Licht in schmerzhafte
Zeiten“, beschreibt Tomislav Rubcic
die Wirkung. „Manche Menschen
erreichen wir nicht mit Worten und
Gesten, aber ein bestimmter Duft
öffnet diesen Menschen. Wir ver-
suchen dann herauszufinden, auf
welchen Duft jemand anspricht.“
Diese Düfte können nicht nur im
Zimmer versprüht, sondern auch
auf der Haut angewendet wer-
den. Chemisch sind sie nach 20
Minuten im Blut nachweisbar. Sie
wirken somatisch auf die Lymphe
bei schmerzhaften Stauungen, ent-
spannen und lösen in Form von
Lavendelkompressen und sanften
Eukalyptusmassagen, so wie man
es oft bei Babys und Kleinkindern
hilfreich erlebt. „Unsere Gäste ha-
ben immer wieder Tage mit schwe-
ren und belastenden Gesprächen.
Da hilft es ihnen sehr, wenn sie mit
einem Duft an der Seite schlafen
und neue Kraft tanken können“,
erklärt die Einrichtungsleiterin.
Das CellitinnenForum dankt für Ihre
Zeit und das intensive Gespräch.
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CellitinnenForum 1/2019