Previous Page  7 / 72 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7 / 72 Next Page
Page Background

tung. Diese erfüllt neben der pflege-

rischen auch eine soziale Aufgabe.

Lassen sich Altersbeschwerden

eigentlich aufhalten?

Welz-Barth: Da gibt es die klas-

sischen Faktoren wie Sport und

gesunde Ernährung. Aber stoppen

lässt sich das Alter nicht.

Stutenbäumer: Bestimmte Kompe-

tenzen wie Mobilität können auch

wiedererlangt werden.

Welz-Barth: In der Klinik können wir

dazu gute Anstöße geben, mehr

aber auch nicht. Bei allen Rehabili-

tationsmaßnahmen kommt es auch

im Alter darauf an, wie der Patient

mitmacht und ob er das Training zu

Hause weiterführt.

Stichwort Alterskrankheiten. Was

fällt Ihnen spontan als erstes dazu

ein?

Welz-Barth: Ein großes Thema in

Kliniken ist die Altersdepression.

Da können wir in rund 14 Tagen

Aufenthalt schon viel Gutes tun,

doch die Krankheit erfordert eine

langfristige Therapie.

Stutenbäumer: In meiner Berufs-

laufbahn wurde erst ein Mal eine

Gesprächstherapie für einen Be-

wohner bewilligt. Die Seelsorge und

die Präsenz der Ordens-Christen in

unseren Häusern kann man daher

nicht hoch genug schätzen. Sie

fangen viele Sorgen und Nöte auf.

Sr. Lioba: In den Seniorenhäusern

bieten wir Gespräche an, aber auch

Gemeinschaftserlebnisse helfen

gegen Verzweiflung und Trübsal.

Unsere Rosenkranzgebete und

Gottesdienste besuchen Menschen

aller Konfessionen. Auch Nichtgläu-

bige lassen sich von unseren An-

geboten trösten und Mut machen.

Großhennrich: Die Patienten sind

viel zu kurz da, als dass wir gegen

die Altersdepression nachhaltig et-

was tun könnten. Im Klinikalltag

bemühen sich Ärzte und Pflegende

um die akuten Erkrankungen. Da

bleibt wenig Zeit für mehr.

Gibt es Möglichkeiten, die psycho-

logische Versorgung der älteren Pa-

tienten zu verbessern?

Welz-Barth: Wir benötigen mehr

Betreuungskräfte, die sich mit den

älteren Patienten unterhalten, aus

der Zeitung vorlesen – kurz: Küm-

merer. In den Kliniken des Verbun-

des sind wir da auf einem guten

Weg, aber noch lange nicht am

Ziel.

Eine Frage an die Ordensschwes-

tern: Wie erleben Sie das Alter?

Sr. Paula: Unser Glaube und die

Gemeinschaft fangen uns auf.

Sr. Lioba: Wir tragen Verantwortung

füreinander, sprechen über Dinge,

die uns bewegen oder belasten,

und sind in der Gemeinschaft ge-

borgen. Unsere Gebete und Routi-

nen geben unserem Leben Struktur.

Wir haben viel über Verlust und

Ängste im Alter gesprochen. Gibt

es denn so gar nichts Positives an

der ‚dritten Lebensphase‘?

Jahnz-Blumberg: Oh doch. Wir ste-

hen nicht mehr in der Pflicht, alles

unter einen Hut bringen zu müssen:

Beruf, Kinder, Haushalt. Wir sollten

viel mehr auf die positiven Seiten

schauen.

Sr. Paula: Ich werde im Alter de-

mütiger. Das tut mir gut.

Stutenbäumer: Dinge loszulassen,

wie die Verantwortung für Haus

und Hof, gibt ein Stück Freiheit.

Der Kontakt zwischen den Senioren

und ihren Angehörigen erfährt da-

durch wieder eine Leichtigkeit, die

manchmal verloren gegangen ist.

Möchten Sie nochmal zwanzig

sein?

Großhennrich: Die vielen Aufreger –

Erwachsenwerden mit allen Neben-

wirkungen, berufliche Orientierung

und der eigene Nestbau – das

reicht ein Mal.

Jahnz-Blumberg: Ich finde es sehr

angenehm, nicht mehr so gehetzt

zu sein. Ich konzentriere mich auf

Sachen, die mir Spaß machen. Mit

meinemMann auch schwere Zeiten

zu meistern wie seine Krankheit,

empfinde ich bei aller Härte auch als

Privileg. Dass mir nicht immer sofort

Begriffe oder Namen einfallen, neh-

me ich mit einem Augenzwinkern

zur Kenntnis.

Die Teilnehmer: Schwester Lioba und Schwester Paula aus dem Herseler Ursulinenkon-

vent, Monika Großhennrich, Mitarbeiterin im Sozialdienst/CaseManagement des Kölner

Heilig Geist-Krankenhauses, Monika Jahnz-Blumberg, ehemalige Seniorenhausleiterin

und heute ehrenamtlich für die Einrichtungen tätig, Marc Stutenbäumer, Leiter des Kölner

Seniorenhauses Heilige Drei Könige, Prof. Annette Welz-Barth, Chefärztin der Klinik für

Innere Medizin und Geriatrie amWuppertaler Krankenhaus St. Josef und am Petrus-Kran-

kenhaus, Moderation: Susanne Bieber

7

Titel | Thema

CellitinnenForum 4/2018