Ein Interviewmit Mechthild Schroe-
ter-Rupieper, Leiterin des Lavia Ins-
titutes für Familientrauerbegleitung
in Gelsenkirchen, und Begründerin
der Begleitung von trauernden Fa-
milien in Deutschland.
Frau Schroeter-Rupieper, seit 1992
arbeiten Sie im Bereich der Trauer-
begleitung. Welche Situationen
bringen Sie zum Lachen?
Zum Lachen oder Lächeln bringt
mich Situationskomik – oder Trau-
ernde, die mich mit ihrer Reaktion
überraschen. Wenn Angehörige
sich eine Weile mit der Trauer aus-
einandergesetzt haben und dann
merken, dass sie nicht mehr gute
Miene zum bösen Spiel machen
müssen, sondern einfach loslas-
sen können. Das kann für andere
Teilnehmer inspirierend und über-
raschend sein. Trauernde können
dadurch ebenfalls wieder lernen zu
lachen. Sie schütten ihr Herz aus,
indem sie über die Trauer reden,
indem sie weinen, schimpfen oder
sich mit anderen austauschen.
So schaffen sie Platz im Herzen
und schließlich kann auch wieder
mehr gelacht werden. Wir haben
in der Trauerarbeit viele gemeinsa-
me Lachmomente, zum Beispiel
während der Spiele. Es gibt eines,
dabei wird ein Teller mit Lach- und
Weingummis in die Mitte gestellt.
Erzählen die Betroffenen von einem
Erlebnis mit dem Verstorbenen,
welches sie zum Lachen bringt, gibt
es ein Lachgummi, im umgekehrten
Fall ein Weingummi.
Welche Situationen sorgen dafür,
dass Ihnen das Lachen vergeht?
Bei dem Thema Finanzierung von
Trauerarbeit vergeht mir eindeutig
das Lachen. Oder dann, wenn Trau-
ernde zum Psychologen geschickt
werden und dort fälschlicherwei-
se eine Depression diagnostiziert
bekommen, obwohl sie einfach
nur traurig sind. Trauer muss ja
gar nicht weggehen. Ich muss
nur lernen, mit ihr zu leben und
mich nicht von ihr bestimmen zu
lassen.
Trauer und Lachen gehören für viele
Menschen nicht zusammen. Eini-
ge finden diese Kombination sogar
verwerflich. Warum ist die Art und
Weise, wie zu trauern ist, so fest in
der Gesellschaft verankert und wie
lässt sich dies durchbrechen?
Es gehört sehr wohl zusammen.
Sich zu freuen ist ein angeborenes
Gefühl, genau wie die Traurigkeit.
Menschen, die sich ‚zusammen-
reißen‘, den ‚Kopf hoch‘ tragen
und Probleme einfach weglachen,
werden gelobt. Wir sind so weit
gekommen, dass wir uns für die
Gefühlsreaktion Weinen entschul-
digen, nicht aber für das Lachen.
Und inwiefern hilft Lachen während
der Trauer?
Trauern bedeutet ja nicht nur wei-
nen, sondern auch Wut, Zorn,
Schuld, Sehnsucht oder Erleichte-
rung. Man kann wie erstarrt sein,
doch gleichzeitig auch dankbar und
fröhlich, weil man Erinnerungen hat,
über die man lacht. Lachen hilft,
loszulassen, zu entspannen.
Was geben Sie Trauernden zum
Thema ‚Lachen‘ mit auf den Weg?
Alles darf sein! Niemand muss ein
schlechtes Gewissen haben, weil er
wieder lacht. Oft fragen sich Trau-
ernde: Werde ich jemals wieder
lachen können? Doch Menschen
können sich in ihren wirklich glück-
lichen Momenten auch nicht vor-
stellen, jemals wieder weinen zu
müssen. In traurigen Zeiten dürfen
wir weinen und lachen, so wie wir
in fröhlichen Zeiten auch weinen
dürfen. Wir müssen mit diesen Ge-
fühlen nur irgendwann wieder in
Balance kommen, auch wenn es
im Leben immer wieder Schwer-
gewichte zur einen wie zur anderen
Seite geben kann.
Alles darf, nichts muss
Lachen in der Trauerbegleitung
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CellitinnenForum 2/2019