Previous Page  19 / 68 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 19 / 68 Next Page
Page Background

zu tun. Wer heute nicht mehr als

Schwester oder Pfleger, sondern

als Gesundheits- und Krankenpfle-

ger unterwegs ist, trägt mehr ein

Stück politischer Standortbestim-

mung als eine Beziehungsarbeit im

Namen. Dabei hat die Beziehung in

der Arbeit einen hohen Stellenwert,

denn die Pflege muss nicht nur mit

schwierigen Menschen auf Station

oder im Wohnbereich umgehen,

sondern auch immultiprofessionel-

len Team. Aber irgendwann ist das

Charisma der Pflegenden auf der

Strecke geblieben zugunsten der

‚Dienstleistung‘ im Krankenhaus,

im Seniorenhaus oder im ambu-

lanten Dienst.

Während andere Berufsträger ob

ihrer gestiegenen Kompetenz ge-

achtet werden, misst die heutige

Wahrnehmung die Pflegenden

kritisch an ihren Arbeitszeiten (so

viel Dienst am Wochenende), ihren

Basistätigkeiten in der Grundpflege

(Gesäß abwischen), ihrer Bezah-

lung (Hungerlohn), ihrer Stellung

innerhalb der Gesellschaft (Opfer

der Gesundheitsreformen) – eher

abwertend als bewundernd, mehr

belächelnd als respektvoll. Pflege

kann angeblich jeder, der in der

Lage ist, das Wort im Internet zu

googeln. Den Respekt für die Leis-

tung, die Pflegende an Menschen

erbringen, erhalten sie eher im pri-

vaten Bereich („Toll, dass du das

machst, aber so nah mit Menschen,

das könnte ich nicht“). Oder wenn

sie wegen ihrer Fachexpertise in

der Verwandtschaft gefragt wer-

den, wie schlimm es um die Oma

wohl bestellt ist.

Wiedersehen

Meine Mutter liegt intubiert auf der

Intensivstation eines Krankenhau-

ses im Kölner Westen. In unserer

Belastung und Traurigkeit treffen

meine Geschwister und ich auf jun-

ge Pflegende im Spätdienst. Jahre

zuvor unterrichtete ich sie imMittel-

kurs in Ethik und Sterbebegleitung,

heute begegnen sie mir als starke,

gereifte, kompetente Intensivpfle-

ger, die genau wissen, was sie tun,

und wie man mit hochbelasteten

Patienten und Angehörigen redet.

Sie wirken krisenfest und bauen

uns die Brücke zu den Ärzten, um

gemeinsam ethisch tragbar über

das Schicksal meiner Mutter zu ent-

scheiden. Fast wie im Lehrbuch.

Ihre fachliche Autorität beziehen sie

aus sich heraus, brauchen dazu

weder die makellose weiße Klei-

dung noch das Stethoskop um den

Hals. Zwei von ihnen werden bald

studieren, Pflegemanagement.

Aus den Generationen der Schwes-

tern Marianne und Anne heraus

haben sich starke Jahrgänge fach-

kundiger Frauen und Männer ent-

wickelt, die mit einem enormen Wis-

sen, wirkungsvoller kommunikativer

Leistung und einem beständigen

Fortbildungspotenzial die Medizin

und die Pflege von heute für alle

Menschen sichern: für die Privat-

patienten wie für die Sozialhilfe-

empfänger, für die Eingesessenen

wie für die Migranten und Flücht-

linge, für die Intellektuellen wie für

die demenziell beeinträchtigten al-

ten Menschen, für Frühchen und

Hochbetagte. Sie sind bereit dazu,

Menschen sehr nah zu kommen, sie

setzen sich über Berührungsängste

hinweg, sie finden Mittel zu kommu-

nizieren, wo nichts mehr möglich

scheint. Ich bin dankbar für jede und

jeden von ihnen, die heute pflegen.

Maria Adams

Mitarbeiterseelsorgerin

19

Titel | Thema

CellitinnenForum 2/2018