zu tun. Wer heute nicht mehr als
Schwester oder Pfleger, sondern
als Gesundheits- und Krankenpfle-
ger unterwegs ist, trägt mehr ein
Stück politischer Standortbestim-
mung als eine Beziehungsarbeit im
Namen. Dabei hat die Beziehung in
der Arbeit einen hohen Stellenwert,
denn die Pflege muss nicht nur mit
schwierigen Menschen auf Station
oder im Wohnbereich umgehen,
sondern auch immultiprofessionel-
len Team. Aber irgendwann ist das
Charisma der Pflegenden auf der
Strecke geblieben zugunsten der
‚Dienstleistung‘ im Krankenhaus,
im Seniorenhaus oder im ambu-
lanten Dienst.
Während andere Berufsträger ob
ihrer gestiegenen Kompetenz ge-
achtet werden, misst die heutige
Wahrnehmung die Pflegenden
kritisch an ihren Arbeitszeiten (so
viel Dienst am Wochenende), ihren
Basistätigkeiten in der Grundpflege
(Gesäß abwischen), ihrer Bezah-
lung (Hungerlohn), ihrer Stellung
innerhalb der Gesellschaft (Opfer
der Gesundheitsreformen) – eher
abwertend als bewundernd, mehr
belächelnd als respektvoll. Pflege
kann angeblich jeder, der in der
Lage ist, das Wort im Internet zu
googeln. Den Respekt für die Leis-
tung, die Pflegende an Menschen
erbringen, erhalten sie eher im pri-
vaten Bereich („Toll, dass du das
machst, aber so nah mit Menschen,
das könnte ich nicht“). Oder wenn
sie wegen ihrer Fachexpertise in
der Verwandtschaft gefragt wer-
den, wie schlimm es um die Oma
wohl bestellt ist.
Wiedersehen
Meine Mutter liegt intubiert auf der
Intensivstation eines Krankenhau-
ses im Kölner Westen. In unserer
Belastung und Traurigkeit treffen
meine Geschwister und ich auf jun-
ge Pflegende im Spätdienst. Jahre
zuvor unterrichtete ich sie imMittel-
kurs in Ethik und Sterbebegleitung,
heute begegnen sie mir als starke,
gereifte, kompetente Intensivpfle-
ger, die genau wissen, was sie tun,
und wie man mit hochbelasteten
Patienten und Angehörigen redet.
Sie wirken krisenfest und bauen
uns die Brücke zu den Ärzten, um
gemeinsam ethisch tragbar über
das Schicksal meiner Mutter zu ent-
scheiden. Fast wie im Lehrbuch.
Ihre fachliche Autorität beziehen sie
aus sich heraus, brauchen dazu
weder die makellose weiße Klei-
dung noch das Stethoskop um den
Hals. Zwei von ihnen werden bald
studieren, Pflegemanagement.
Aus den Generationen der Schwes-
tern Marianne und Anne heraus
haben sich starke Jahrgänge fach-
kundiger Frauen und Männer ent-
wickelt, die mit einem enormen Wis-
sen, wirkungsvoller kommunikativer
Leistung und einem beständigen
Fortbildungspotenzial die Medizin
und die Pflege von heute für alle
Menschen sichern: für die Privat-
patienten wie für die Sozialhilfe-
empfänger, für die Eingesessenen
wie für die Migranten und Flücht-
linge, für die Intellektuellen wie für
die demenziell beeinträchtigten al-
ten Menschen, für Frühchen und
Hochbetagte. Sie sind bereit dazu,
Menschen sehr nah zu kommen, sie
setzen sich über Berührungsängste
hinweg, sie finden Mittel zu kommu-
nizieren, wo nichts mehr möglich
scheint. Ich bin dankbar für jede und
jeden von ihnen, die heute pflegen.
Maria Adams
Mitarbeiterseelsorgerin
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Titel | Thema
CellitinnenForum 2/2018