Fortbildung aktuell - Das Journal
Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 15
Dr. Henrik Müller
in diesen Ländern vor allem, dass es häu-
fig an den erforderlichen finanziellen
Mitteln für eine Therapie fehlt.
Eine Behandlung ist aber nicht nur erfor-
derlich, wenn sich eine passive Tuberku-
lose in eine aktive Form umwandelt. My-
kobakterien teilen sich sehr langsam und
besitzen die Eigenschaft, in tuberkulösen
Granulomen ein Leben lang zu schlum-
mern, bis die Immunabwehr scheitert und
die Bakterien aktiv werden. Aus diesem
Grund ist es essentiell, eine passive Tuber-
kulose ebenfalls zu behandeln.
Eine aktive Tuberkulose äußert sich für
die Betroffenen mit zunächst unspezi-
fischen Symptomen wie Husten, Nacht-
schweiß und Fieber. Zur genauen Diag-
nosestellung kommen der Tuberkulin
Hauttest, Röntgenaufnahmen der Lun-
ge, sowie Bluttests und der Nachweis von
Erregern im Sputum, das heißt: in der
ausgehusteten Absonderung der Atem-
wegsschleimhaut, zum Einsatz. Eine In-
fektion mit Mykobakterium tuberculosis
ist meldepflichtig. Liegt eine akute Tuber-
kulose vor, erfolgt die Behandlung für die
Dauer der akuten Ansteckungsgefahr sta-
tionär. Die Ansteckungsgefahr bleibt be-
stehen, bis keine vermehrungsfähigen Er-
reger mehr mit dem Husten ausgeschie-
den werden. Eine Impfung gegen Tuber-
kulose wird von der Ständigen Impfkom-
mission am RKI seit 1998 nicht mehr emp-
fohlen. Als Gründe werden neben der
günstigen epidemiologischen Situation in
Deutschland, eine nicht sicher belegbare
Wirksamkeit sowie die nicht seltenen un-
erwünschten Nebenwirkungen des BCG-
Impfstoffes angeführt. Die Erstlinien-Me-
dikamente im Kampf gegen die Tuberku-
loseerreger stellen die Antibiotika Rifam-
picin und Isoniazid dar. Das größte Pro-
blem bei der Bekämpfung der Tuberkulo-
se ist die Entwicklung von Resistenzen. Es
existieren mehrere Resistenz-Formen der
Tuberkulose, die aus der Sensitivität ge-
genüber verschiedenen Arzneistoffen re-
sultieren (siehe Tab. 1).
Der Wirkmechanismus von Bedaquilin ist
neuartig, da Bedaquilin direkt in den En-
ergiehaushalt des Mykobakteriums ein-
greift. Damit kann Bedaquilin zum Ein-
satz kommen, wenn andere Antibiotika
versagen. Abbildung 1 zeigt die Wirkprin-
zipien der Tuberkulose-Medikamente in
der Übersicht.
Bedaquilin hemmt die mykobakterielle
ATP-Synthase und damit die Energiege-
winnung. Es wirkt somit bakterizid, und
zwar sowohl auf sich teilende als auch auf
ruhende Tuberkuloseerreger. Bedaquilin
wurde im vergangenen Jahr von der FDA
als Orphan Drug zur Behandlung der mul-
tiresistenten Tuberkulose (MDR) in Kom-
bination mit anderen Antituberkulotika
beschleunigt auf der Basis von nur zwei
Phase-II-Studien mit insgesamt 440 Pa-
tienten zugelassen. In der EU hat Beda-
quilin eine Zulassung unter Auflagen er-
halten („conditional approval“), das be-
deutet, dass weitere Studien die Qualität,
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bele-
gen müssen. Als Grund für die beschleu-
nigte Zulassung wird – neben dem posi-
tiven Nutzen-Risiko-Verhältnis und der
überzeugenden Wirksamkeit – angeführt,
dass Wirkstoffe gegen multiresistente Tu-
berkulose dringend benötigt werden.
An der noch laufenden Studie C209 neh-
men 233 Patienten mit MDR, präXDR und
Fortbildung ktuell – Das Journal
Abbildung 1:
Wirkprinzipien der Tuberkulose-Medikamente in der Übersicht, mit
freundlicher Genehmigung des vfa, Stand Mai 2012
Tabelle 1:
Formen der Tuberkulose-Resistenz
Medikamentenempfindliche
Tuberkulose
Keinerlei Resistenz gegenüber spezifischen Antituber-
kulotika
Monoresistenz
Resistenz gegenüber Isoniazid ODER Rifampicin
Multiresistenz (MDR)
Resistenz gegenüber Isoniazid UND Rifampicin
Prä-XDR
Resistenz gegenüber Isoniazid UND Rifampicin UND
Gyrasehemmern ODER anderen intravenös zu verab-
reichenden Antibiotika
Extensive Resistenz (XDR)
Resistenz gegenüber Isoniazid UND Rifampicin UND
Gyrasehemmern UND anderen intravenös zu verabrei-
chende Antibiotika