Fortbildung aktuell - Das Journal
Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 19
schluss auf einen Vergleich mit dem The-
rapiestandard Metronidazol zu. Da Mirva-
so
®
keinen neuen Wirkstoff enthält, son-
dern lediglich einen alten Wirkstoff für
eine neue Indikation liefert, muss sich das
Präparat keiner frühen Nutzenbewertung
durch den G-BA unterziehen.
Trastuzumab Emtansin (Kadcyla
®
) – aus-
gezeichnet mit dem PZ-Innovationspreis
2014
Kadcyla
®
ist zugelassen zur Behandlung
von Frauen mit HER2 positivem, inope-
rablem, lokal fortgeschrittenem oder me-
tastasiertem Brustkrebs, die zuvor Trastu-
zumab (Herceptin
®
) und ein Taxan einzeln
oder in Kombination erhalten haben.
Bei HER2 handelt es sich um einen epi-
dermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EG-
FR ist synonym zu HER2). Ist dieser auf
den Tumorzellen ausgebildet, geht die Er-
krankung in der Regel mit einem schnel-
len Zellwachstumund damit einer ungüns-
tigen Prognose für die Patientin einher.
Bei ungefähr 20-30 % aller Patientinnen
mit der Diagnose Brustkrebs ist HER2
überexprimiert.
Trastuzumab Emtansin ist das erste Anti-
körper-Wirkstoff-Konjugat, bei dem bei-
de Komponenten pharmakologisch aktiv
sind. Es setzt sich aus dem monoklonalen
Anti-HER2-IgG1-Antikörper Trastuzumab
und dem Zytostatikum DM1 zusammen.
Die Moleküle sind kovalent über einen
stabilen Thioetherlinker (MCC) verbun-
den. Der Thioetherlinker MCC verhindert
die systemische Freisetzung von DM1 und
verstärkt die zielgerichtete Wirkung. Auf
diese Weise ist es möglich, unerwünsch-
te Arzneimittelwirkungen zu reduzieren.
Das Zytostatikum DM1 entfaltet nur in-
trazellulär seine zytotoxische Wirkung.
Es wirkt als Hemmstoff des Spindelappa-
rates. DM1 wirkt dabei in vitro wesentlich
zytotoxischer als Taxane und Vincaalkalo-
ide. Der Namensbestandteil »Emtansin«
bezeichnet den MCC-DM1-Komplex. An
jedes Molekül Trastuzumab sind durch-
schnittlich 3,5 DM1-Moleküle konjugiert.
Das Antikörper-Zytostatikum-Konjugat
erreicht selektiv Tumorzellen, die HER2-
Rezeptoren überexprimieren (s. Abb. 4).
Diese Selektivität wird über Trastuzumab
induziert. Zusätzlich wird die Tumorzelle
über die Bindung von Trastuzumab an sei-
nen Rezeptor für das Immunsystem mar-
kiert und die Antikörper-abhängige zel-
luläre Zytotoxizität induziert. Nach Bin-
dung von Trastuzumab an HER2-Rezep-
toren wird das Konjugat in die Zelle auf-
genommen und dort lysosomal abgebaut.
Dabei werden zytotoxische Katabolite
wie hauptsächlich Lysin-MCC-DM1 freige-
setzt. Obwohl das extrem toxische DM1
zusätzlich zum Antikörper Trastuzumab
eingesetzt wird, fällt das Nebenwirkungs-
profil kaum anders aus als unter Trastu-
zumab (Herceptin
®
) alleine.
Die durchgeführten Studien belegen,
dass sowohl das Gesamtüberleben als
auch das progressionsfreie Intervall ver-
längert wird. Positiv ist ebenfalls, dass
die Lebensqualität von Patienten, die mit
Kadcyla
®
behandelt wurden, nicht gerin-
ger ausfiel. Fraglich bleibt allerdings, wie
sich das Medikament bei älteren Patien-
tinnen mit schlechterem Allgemeinzu-
Dr. Henrik Müller
19
Fortbildung aktuell – Das J urnal
Nr. 1/2014 der Apothekerkammer Westfalen-Lipp
Fortbildung ktu ll – Das Journal
p
BERATUNGSRELEVANTE HINWEISE ZU TRASTUZUMAB EMTASIN
(KADCYLA
®
)
• Kadcyla
®
wird alle drei Wochen (21-Tage-Zyklus) mit 3,6 mg/kg Körpergewicht
über eine Infusion verabreicht.
• In klinischen Studien wurde über das Auftreten interstitieller Lungener-
krankungen einschließlich Pneumonitis berichtet, die in einigen Fällen zu
einem akuten respiratorischen Distress-Syndrom oder zum Tod führten.
Æ
Anzeichen: Dyspnoe, Husten, Fatigue, Lungeninfiltrate
• Es besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer linksventrikulären Dys-
funktion.
• In vitro Metabolismus-Studien lassen darauf schließen, dass DM1 hauptsächlich
über CYP3A4 verstoffwechselt wird. Die gleichzeitige Anwendung starker CYP3A4-
Inhibitoren sollte aufgrund potentiell vermehrter Toxizität vermieden werden.
• Häufige unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind Fieber, Thrombozytopenie, Er-
brechen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Obstipation, Diarrhö, Dyspnoe und Pneumo-
nitis
ϭ
• Kadcyla® unterdrückt durch Trastuzumab den Signaltransduktionsweg. Trastuzumab wirkt
antiproliferativ, induziert die Apoptose und fördert die Antikörper-abhängige Zytotoxizität.
Ϯ
• Kadcyla® bindet über den Antikörper Trastuzumab
selektiv an HER2.
ϯ
• Nach Bindung von Kadcyla® an HER2
wird dieser Komplex interalisiert.
ϰ
• Kadcyla® wird in der
Tumorzelle abgebaut,
wobei das Zytostatikum DM1
freigesetzt wird.
Abbildung 4:
Wirkmechanismus von Kadcyla
®
, modifiziert mit freundlicher Genehmi-
gung der Roche Pharma AG