Cellitinnen 1_2015 - page 44

Obwohl die Genfer Konvention den
Einsatz der Folter verbietet, gehört
diese in vielen Ländern zum All-
tag, zum Beispiel im Rahmen mi-
litärischer und polizeilicher Verhöre.
Nicht selten sind sogar Mediziner
an den Folterungen oder bei der
Unterdrückung von Beweisen der
Gewalt beteiligt. Die vermehrte Auf-
nahme von Flüchtlingen erfordert
auch in Deutschland eine Sensibili-
sierung der Ärzte für das Thema, da
Krankheitsbilder von Flüchtlingen
nicht selten auf erlittene Gewalt in
ihren Heimatländern zurückzufüh-
ren sind.
Den 15. Welt-Schmerz-Kongress in
Buenos Aires nahmen zwölf Exper-
ten zum Anlass, über die Lage und
die Möglichkeiten der Schmerzbe-
handlung von Folter-, Gewalt- und
Kriegsopfern zu diskutieren. Diese
‚Special Interest Group’ (SIG) hat es
sich zur Aufgabe gemacht, durch
Foltermethoden ausgelöste Erkran-
kungen und Schmerzen festzustel-
len und geeignete Therapieformen
zu entwickeln. Die Arbeitsgruppe
ist international besetzt; mit Dr.
Thomas Cegla, Chefarzt der Klinik
für Anästhesiologie, Intensivmedizin
und Schmerztherapie am Kranken-
haus St. Josef in Wuppertal, gehört
auch ein deutscher Schmerzspe-
zialist zur SIG.
Die Ausgangslage ist bedrückend:
Von den rund 51 Millionen Flücht-
lingen weltweit sind mehr als die
Hälfte unter 18 Jahren alt. In 112
Ländern der Welt wird gefoltert.
Vor diesem Hintergrund informier-
ten Ärzte in Buenos Aires über ihre
Erfahrungen in Krisengebieten:
Chronisch Kranke, zu denen auch
Schmerzkranke gehören, seien
medizinisch unterversorgt, ihre
Immobilität verschlechtere ihren
Gesundheitszustand. Den Helfern
vor Ort seien Maßnahmen zur Ver-
meidung von Schmerzen oft nicht
bekannt. Mit ihrer Arbeit wendet
die SIG sich zukünftig an die Helfer
in den Krisenregionen und an die
Ärzte in den Aufnahmeländern für
Flüchtlinge. Absicht der Gruppe ist
es, Kontakte zu Organisationen wie
Human Rights Watch oder Amnes-
ty International zu intensivieren und
mit ihnen zu diskutieren, wie die
schmerztherapeutische Behand-
lung vor Ort verbessert werden
kann. Außerdem möchten die Me-
diziner Weiterbildungsangebote
entwickeln und anbieten, die die
medizinischen Notwendigkeiten der
Schmerztherapieprophylaxe zum
Thema haben. Dazu stellten die
Teilnehmer der Arbeitsgruppe im
Rahmen eines Workshops die Pro-
bleme klar heraus: Einige moderne
Foltermethoden wie akustische
Gewaltanwendung, Schlafentzug
oder das häufig in den arabischen
Staaten angewendete Schlagen
auf die Fußsohlen (Falange) kann
Krankheitsbilder nach sich ziehen,
die nicht direkt auf Folter schließen
lassen. Spezielle Traumatisierungen
in den Herkunftsländern der Patien-
ten können Schmerzen auslösen,
deren Ursache nicht auf den ersten
Blick zu erkennen ist. An dieser
Stelle möchte die SIG Aufklärungs-
arbeit leisten und Mediziner dafür
sensibilisieren, besonders bei Pa-
tienten aus Krisenregionen einen
möglichen Folterhintergrund in die
Anamnese einzubeziehen.
Zukünftig wird die Arbeitsgruppe
Erfahrungsberichte und die vor-
handene Literatur bündeln und
die Ergebnisse auf Internetseiten
mittels Verlinkungen öffentlich zu-
gängig machen.
Qualen, die niemals enden
Schmerzbehandlung für Folter-, Gewalt- und Kriegsopfer
Weitere Informationen:
Dr. Thomas Cegla, Krankenhaus St. Josef, Wuppertal,
Tel 0202 485-2601, Mail
Dr. Thomas Cegla
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