Cellitinnen 1_2015 - page 40

Vergib uns unsere Schuld
Meditation von Dr. Marianne Breuer
In jedem Menschen exis-
tiert der Ruf, das Gute
zu tun und das Böse zu
lassen. Das ist Transzen-
denzerfahrung aller Men-
schen. Christen sagen,
diese Stimme ist uns von
Gott ins Herz gelegt. In ihr
tut sich unser Gewissen
kund. Es beinhaltet Nor-
men, Werte, die in man-
chem den Zehn Geboten
entsprechen oder mehr
sozial ausgerichtet sind.
Das Gewissen ist ‚wan-
delbar‘ durch Erziehung,
Gesellschaft und Kultur. Hans Küng
hat jedoch durch Erforschung vieler
Religionen und durch Gespräche
mit zahlreichen Menschen fest-
gestellt, dass bestimmte Grund-
regelungen des Gewissens für alle
Menschen gelten. Er spricht vom
„Weltethos“.
Den Anforderungen meines Ge-
wissens stehe ich in Freiheit und
Verantwortung gegenüber. Ich kann
ihm folgen, entsprechen. Das gibt
Zufriedenheit und Ruhe. Es trägt
zu einem erfüllten Leben bei. Ich
kann mich aber auch gegen mein
Gewissen entscheiden, ihm zu-
wider handeln. Das ist Schuld vor
Gott und demNächsten. Meine Be-
ziehung zu Gott ist gestört. Schuld
macht Angst, belastet, quält, macht
unruhig.
In unserer modernen Zeit wird
dieser Ruf des Gewissens vielfach
durch Hektik, übermäßiges Streben
nach Besitz, Karriere und durch
Medienspektakel verdrängt. Man
hört das Gewissen nicht mehr. Es
wird dann nur noch gefragt, was
man tut, oder was nützt. Das führt
zu mangelnder Orientierung, Un-
sicherheit, Oberflächlichkeit oder
auch zu Selbstherrlichkeit. Wir
werden immer wieder schuldig,
im Großen wie im Alltäglichen. Der
schuldig Gewordene sehnt sich
nach Vergebung. Auf Seiten des
Menschen ist Voraussetzung zur
Erlösung von Schuld die Umkehr,
der Wille, das Böse zu lassen und
die Reue, das Bedauern über das
Getane. Sich selbst jedoch kann
der Mensch nicht erlösen. Dies
muss ein Höherer tun, Gott. In der
Taufe wird vor allem die Schuld der
Erbsünde vergeben. Befreiung von
Sünde und Schuld findet sich im
Sakrament der Versöhnung und in
der heiligen Eucharistie.
Jesus hat schon während
seines Erdenlebens von
Schuld befreit: Zum Ge-
lähmten beispielsweise
sagte er, ehe er ihn heilt:
„Deine Sünden sind Dir
vergeben.“ Die Vollmacht
dazu sei dem ‚Menschen-
sohn‘ (dem Sohn Gottes)
gegeben. Jesus hat durch
Leiden, Kreuz und Auf-
erstehen die Schuld aller
Menschen aller Zeiten
überwunden, getilgt, da-
von erlöst.
Die Kraft der Erlösung ist Jesu
und des Vaters unendliche Liebe
zu uns Menschen. Denn: „Es gibt
keine größere Liebe, als wenn ei-
ner sein Leben für seine Freunde
hingibt“ (Joh 15,13). Und: „Denn
Gott hat die Welt so sehr geliebt,
dass er seinen einzigen Sohn hin-
gab“ (Joh 3,16). Jesu Leiden und
Tod ist eine Tat der Liebe. ‚Gott
bricht aus seiner Göttlichkeit aus
… um auf die Menschen zuzuge-
hen‘, wie es Papst Benedikt XVI.
ausdrückt.
Der barmherzige Vater umarmt den
reuigen Sohn. Er lässt ihm ein Fest-
gewand anlegen (Luk 15,20-22).
Wir werden immer wieder schuldig,
wie uns unser Gewissen sagt. Wir
erfahren Gottes Liebe, die immer
wieder vergibt. Das sollte uns zu
tiefer Dankbarkeit und Freude füh-
ren. Wir wollen die Größe Gottes
loben und preisen.
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