Fortbildung aktuell - Das Journal
Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 23
Dr. Henrik Müller
Seit dem 1. Januar 2011 existiert ein ein-
heitliches Bewertungsverfahren für Arz-
neimittel, die neu auf den Markt kom-
men. Nach dem Arzneimittelmarktneu-
ordnungsgesetz (AMNOG) müssen sie die
frühe Nutzenbewertung für Arzneimit-
telinnovationen durchlaufen. Die Preis-
gestaltung neuer Arzneistoffe ist damit
nicht mehr frei, sondern unterliegt einem
staatlich reglementierten Bewertungs-
verfahren (Abbildung 1).
Der Hersteller muss zur Markteinführung
ein Dossier beim Gemeinsamen Bundes-
ausschuss (G-BA) einreichen. Das Dos-
sier dient der Beantwortung der Fra-
ge, ob das neue Arzneimittel einen pa-
tientenrelevanten Zusatznutzen gegen-
über der zweckmäßigen Vergleichsthera-
pie aufweist, oder nicht. Der G-BA beauf-
tragt i.d.R. das Institut für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
(IQWiG) mit der Prüfung und Bewertung
des Dossiers. Die Entscheidung über das
Ausmaß des Zusatznutzens wird inner-
halb von drei Monaten vom G-BA umge-
setzt. Dabei existieren verschiedene Ka-
tegorien, die das Ausmaß des Zusatznut-
zens beschreiben (Abbildung 2).
Die Kategorien 1 bis 3 (erheblich, be-
trächtlich, gering) zeigen, dass ein Arz-
neimittel gegenüber der zweckmäßigen
Vergleichstherapie einen Mehrwert auf-
weist. Die Kategorien 4 bis 6 (nicht quan-
tifizierbar, fehlt, geringer) führen zu der
Einschätzung, dass das neue Arzneimit-
tel auf Basis der eingereichten Daten kei-
nerlei Mehrwert für die Therapie des Pa-
tienten beinhaltet und damit im Rahmen
der frühen Nutzenbewertung durchge-
fallen ist. Neben dem Ausmaß des Zusatz-
nutzens (Kategorien 1 bis 6) werden zu-
sätzlich Angaben über die Wahrschein-
lichkeit für das Ausmaß des Zusatznut-
zens gemacht:
• Beleg
→
hohe Ergebnissicherheit
• Hinweis
→
mittlere Ergebnissicherheit
• Anhaltspunkt
→
niedrige Ergebnissi-
cherheit
Diese Begriffe werden in Abhängigkeit
der Ergebnissicherheit der zugrunde lie-
genden Studien verwendet. Wenn das
neue Arzneimittel in die Kategorien 1 bis
3 eingegliedert und damit der Zusatznut-
zen attestiert wird, stellt dies den Auftakt
für Preisverhandlungen dar. Dabei ver-
handeln der Hersteller und der GKV-Spit-
zenverband über den Rabatt. Die Preis-
verhandlungen sollen spätestens zwölf
Monate nach der Markteinführung ab-
geschlossen sein. Kommt es zu keiner Ei-
nigung zwischen Hersteller und GKV-
Spitzenverband, können im Falle einer
Schiedsentscheidung beide Seiten eine
Kosten-Nutzenanalyse beantragen. Für
dieses umfassende Bewertungsverfahren
sollen Hersteller und G-BA Versorgungs-
studien, die bevorzugt in Deutschland
stattfinden, initiieren.
Ein fehlender Zusatznutzen bedeutet,
dass das neue Arzneimittel in die Festbe-
tragsgruppe einsortiert wird. Für den Fall,
dass keine Festbetragsgruppe existieren
sollte, wird ein Erstattungsbetrag verein-
bart, der nicht höhere Jahrestherapieko-
Die neuen Arzneimittel 2013
Ein pharmazeutischer Jahresrückblick
Fortbildung ktuell – Das Journal
Dr. Henrik Müller
(Bottrop), ist Herstel-
lungsleiter und Manager of Documen-
tation and Pharmaceutical Process Excel-
lence bei Aesica Pharmaceuticals.
Hersteller-
preis
(frei
festgelegt)
Hersteller
Marktein-
führung
G-BA
Nutzenbe-
wertung
(Publikation)
G-BA
Nutzenbe-
wertung
erstellt
Gutachten
kann
beauftragen
G-BA
Nutzenbe-
wertung
(Beschluss
)
Hersteller/
GKV-
Spitzenver
band
Preisver-
handlung
Schieds-
stelle
Schieds-
spruch
Zusatz-
nutzen
keine
Einigung
IQWiG
Kosten-
Nutzen-
Bewertung
nicht
akzeptiert
Festbetrag
Höchstbe-
trag für GKV-
Erstattung
kein Zusatz-
nutzen
Rabatt
(frei
festgelegt)
Einigung
nicht fest-
betragsfähig
Rabatt
(auf
Hersteller-
preis)
Beschluss
gilt rück-
wirkend
3 Monate
6 Monate
12 Monate
15 Monate
gilt bis zum Abschluss
des Verfahrens
Markteinführung
Abbildung 1:
Verlauf der frühen Nutzenbewertung.