Blickpunkt Schule 5/2023

Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes

Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes

Ausgabe 5/2023 · D 30462

SCHULE

Foto: El Paparazzo/AdobeStock Aktive Gewerkschaftsarbeit

Liebe Leserin, lieber Leser,

Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes

Ausgabe 5/2023 · D 30462

SCHULE

send erläutert werden. Diesmal geht es um die Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften, die Matthias Schuster, der Vorsitzende des Schulpolitischen Ausschusses, ausführlich analysiert. Und damit wären wir auch schon beim Thema dieser Ausgabe: Aktive Gewerk schaftsarbeit. Sie soll Ihnen ein umfassen des Bild von der Arbeit unserer Verbands mitglieder in Landes- und Bundesgremien des Philologenverbandes vermitteln. Den Schwerpunkt bildet dabei die Vertreterver sammlung am 5. und 6. Oktober 2023 in Darmstadt. Unser neu gewählter Vorsitzen der Volker Weigand erläutert im Editorial seine Vorstellungen für die Zukunft des Verbandes, zwei neu gewählte Mitglieder des Landesvorstandes stellen sich vor und die Resolutionen sind in ihrer abschließen den Fassung abgedruckt. Außerdem gibt es in der Mitte des Heftes einen ersten Aus blick auf die Personalratswahlen am 14. und 15. Mai 2024: Dort ist ihr Ablaufplan abgedruckt, der sich praktisch heraus- nehmen lässt. Der zweite Schwerpunkt dieser Ausgabe sind die großen Philologenjubiläen in die sem Jahr. Der hphv beging seinen 150. Ge burtstag mit einer weiteren Veranstaltung, einem Festakt in Wiesbaden im Beisein vie ler Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Kultusbürokratie. Der DPhV feierte sein 120-jähriges Bestehen groß in Berlin. Zu beiden Veranstaltungen finden Sie aus führliche und reichlich bebilderte Berichte in dieser Ausgabe. Für deren Entstehen danke ich allen Mit gliedern des geschäftsführenden Vorstan des und der Ausschüsse, die Beiträge ein gereicht haben. Ebenfalls danke ich Dr. Iris Schröder-Maiwald für ihre Artikel und die Unterstützung beim Erstellen dieser Aus gabe. Da dieses Sie kurz vor den Weihnachts ferien erreichen wird, wünsche Ich Ihnen und Ihren Familien fröhliche Weihnachten, erholsame Ferien und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

von BORIS KRÜGER

SCHULE Inhalt | In eigener Sache 2

mit der vorliegenden Ausgabe sehen Sie an dieser Stelle ein neues, einigen aber viel leicht doch vertrautes Gesicht. Daher möchte ich mich als frisch gewählter Chef redakteur von ‘Blickpunkt Schule’ zunächst kurz vorstellen: Ich heiße Boris Krüger, bin Lehrer am Gymnasium Albert-Schweitzer Schule in Kassel und unterrichte dort die Fächer Latein und Geschichte. Im hphv bin ich seit 23 Jahren Mitglied und habe die verschiedensten Funktionen innegehabt vom Schulvertrauensmann bis zum Be zirksvorsitzenden Kassel. Zuletzt war ich Vorsitzender des Ausschusses für berufs praktische Fragen, den ich 2020 gegründet und knapp vier Jahre lang geleitet habe. Ich bin seit 2000 viele Jahre lang schulischer Personalrat gewesen und leite seit 2008 die dlh-Fraktion im Gesamtpersonalrat Kassel. Über publizistische Erfahrung ver füge ich ebenfalls durch meine Tätigkeiten für den Deutschen Lehrerverband Hessen, bei dem ich im Wahlkampf 2021 Presse sprecher war und für den ich nach wie vor jeden Donnerstag den digitalen ‘dlh Newsletter Schule’ herausgebe. Nun stelle ich mich mit der Redaktion von ‘Blickpunkt Schule’ einer neuen Herausforderung im Verband. Ich möchte dabei viele Kategorien über nehmen, durch die mein Vorgänger Chris tof Ganß zusammen mit Dr. Iris Schröder Maiwald und Sebastian Krämer die Zeit schrift des hphv zukunftsfähig gemacht hat. Auch ich lege großen Wert darauf, dass Sie sich rege an den Diskussionen im Ver band beteiligen und uns in Form von Leser Mails oder -Briefen daran teilhaben lassen. Also geben Sie bitte reichlich Feedback zu den Inhalten dieser ersten Ausgabe von mir und dieser letzten Ausgabe von ‘Blickpunkt Schule’ im Jahre 2023. Zusätzlich wird es in den nächsten Aus gaben einige neue Kategorien geben. Los geht es diesmal mit ‘Im Brennpunkt’. Hier soll jeweils ein bildungs- oder berufspoliti sches Thema mit großer Tragweite umfas

Foto: El Paparazzo/AdobeStock Aktive Gewerkschaftsarbeit

Editorial » Der neue Vorsitzende stellt sich vor hphv intern » ‘Zurück zum Unterricht!’ 4 » Abschiedsrede von Reinhard Schwab 6 » Resolutionen 8 » Die ‘Neuen’ stellen sich vor 12 » Plädoyer für das Gymnasium 13 » 150 Jahre Hessischer Philologen- verband – das heißt: stete Arbeit an der gymnasialen Bildung! 15 » Das Primat der Bildung 16 » Neuer Ratgeber kompakt: Eltern werden – Eltern sein 18 In der Heftmitte zum Herausnehmen: Terminfahrplan für die Personalrats- wahlen 2024 Im Brennpunkt » Arbeitszeiterfassung: Endlich – der doch besser nicht? 23 Klartext » Erwartungen an die Lehrerschaft zum aktuellen Israel-Hamas-Krieg im Unterricht 25 28 » 150 Jahre hphv … 120 Jahre DPhV … 29 » Wissenswertes zu KI und SCHULEWIRTSCHAFT-Preis 30 » Zurück zum Unterricht! 31 » Webinar für Studierende, die weiterdenken – Unsere Zielgruppe 32 » Webinar zu Urheberrecht, Datenschutz und Cybermobbing 33 » Neue LiV bedanken sich 33 Senioren » 3. dbb Bundesseniorenkongress 34 » Festvortrag des Altersforschers Prof. Rothermund 36 Veranstaltungen » Digitalisierung und KI – den Schulalltag effektiv meistern 37 Personalien » Geburtstage | Wir trauern um 38 » Zeit für mehr Zeit – Bildungspolitik in Hessen 26 Berichte » Austausch – Analyse – Konzeptionierung 3

Mit den besten Grüßen Ihr

Der neue Landesvorsitzende stellt sich vor

Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach acht Jahren als Landesschatz meister freue ich mich, Sie in neuer Funktion an dieser Stelle grüßen zu können. Hinter uns liegt eine Vertre terversammlung, die einen kleinen Generationenumbruch mit sich ge bracht hat: Reinhard Schwab (bislang Landesvorsitzender) und Christof Ganß (bislang Redakteur für ‘Blick punkt Schule’) wurden in einem wür digen Rahmen verabschiedet, neu im geschäftsführenden Vorstand sind Carsten Franz als Landesschatzmeis ter und Boris Krüger als Redakteur für ‘Blickpunkt Schule’. Neu im Lan desvorstand als Vorsitzender des Aus schusses für Berufspraktische Fragen (BPA) ist Dennis Hütter . Zweifelsohne sind die Probleme in der vergangenen Wahlperiode nicht kleiner geworden, auch wenn uns Co rona nur noch mit einigen (auch bil dungspolitischen) Nachwehen be schäftigt: Die grausamen Kriege in der Ukraine sowie im Nahen Osten brin gen viel Leid; die Inflation und stei gende Zinsen sorgen bei etlichen Kol leginnen und Kollegen gerade im Ru hestand, aber auch in den unteren Besoldungsgruppen anderer dbb Fachverbände für finanzielle Belas tungen. Eine zunehmende Herausfor derung ist auch eine immer weiter um sich greifende erbitterte Auseinan dersetzung gerade in den sozialen Netzwerken um mittlerweile fast je des Thema, so banal es auch sein mö ge. Der gesellschaftliche Zusammen halt bröckelt. Leistungsversagen auf der einen, zugleich aber auch fast schon inflationär gute (Abschluss-) Noten: All das sorgt für erhebliche Diskussionen. Ja, es ist mehr Geld in die Bildungs landschaft in den vergangenen Jah

juristischen Rückendeckung durch den Dienstherrn bei Gewalt, der Be soldung ohnehin, aber auch lange Zeit etwas weniger im Rampenlicht ste hende Aspekte wie dienstliche Beur teilungen, Konferenzordnungen, Teil zeitoptionen oder Abordnungen drän gen in den Vordergrund. Ein wichtiges Signal, der Fürsorge pflicht uneingeschränkt nachzukom men, sollte sich aus den Tarifverhand lungen in Hessen Anfang 2024 erge ben, aber auch mit Blick auf die Be soldungsreparatur. Ja, zwei mal drei Prozent Lohnerhöhung waren ein gu ter Anfang, aber es braucht weitere Schritte und – nicht zu vergessen – als Entschädigung für zu niedrige Be soldungsanpassungen und gerichtlich bereits vor zwei Jahren durch eine er folgreiche Klage festgestellt (unter stützt und vorangetrieben durch den dbb Hessen) – auch eine ordentliche Einmalzahlung. Es muss das ausge bessert werden, was in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts vorent halten wurde. Wir stehen vor Personalratswahlen, die uns hierfür hoffentlich mit einem guten Ergebnis den Rücken stärken, um auch weiterhin für unsere Kolle ginnen und Kollegen aktiv sein zu können. Es klingt einfach: Nur gemeinsam gelingt es, Probleme zu lösen, Verbesserungen zu erreichen und somit auch für die Bildungsland schaft in Hessen die besten Ideen vo rantreiben zu können – gemeinsam mit unseren Dachverbänden DPhV und dbb!

von VOLKER WEIGAND Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes

ren geflossen, das darf man ruhig auch anerkennen. Nur: Es hilft an scheinend nicht, die Probleme zu lö sen. Sind noch mehr Tablets, Förder pläne, Projektanträge und Konferen zen der richtige Weg? Man braucht nicht lange, um fest zustellen, dass die meisten Kollegin nen und Kollegen schon längst an der Belastungsgrenze angekommen, oft sogar schon darüber sind. Schule kann kein Ort sein, um all das zu lösen, was gesamtgesellschaftlich im Argen liegt, so menschlich nahe und gut die ser Ansatz klingen mag. Schule sollte sich wieder auf die Kernkompetenzen konzentrieren, wofür Lehrkräfte aus gebildet wurden, den Unterricht. Das Erstellen von Konzepten, egal ob für den Ganztag, die Suchtprävention, oder die Verkehrssicherheit, gehört nicht dazu. Was nicht bedeutet, dass diese Themen unwichtig wären, ganz im Gegenteil! Es ist aber nicht not wendig, dass jede Schule das Rad neu erfindet. Der Unterricht sollte wieder im Mittelpunkt stehen. Dazu braucht es Material, angemessene Räume, kleine Klassen und Kurse, aber auch: eine angemessene Besoldung! Waren bildungspolitische Themen lange Zeit etwas stärker im Blick punkt, so nehme ich in den vergange nen Jahren immer mehr wahr, dass eine stärkere gewerkschaftliche Aus richtung nottut. Das eine tun und das andere nicht lassen, soll das Motto sein. Fragen des Dienstrechts, der

3

Herzliche Grüße

SCHULE

Volker Weigand

Vertreterversammlung des Hessischen Philologenverbandes 2023 ‘Zurück zum Unterricht!’

D ie jährliche Vertreterversamm lung des Hessischen Philolo genverbandes am 5. und 6. Oktober fand dieses Jahr als ‘Jubilä ums-VV’ unter dem Motto ‘Zurück zum Unterricht!’ statt. Die rund 100 Delegierten wählten einen neuen Vor sitzenden sowie den geschäftsführen den Vorstand des Verbandes, legten die verbandspolitischen Ziele fest und beschäftigten sich mit zahlreichen aktuellen Themen wie Digitalisierung, KI, Unterrichtsversorgung, Lehrkräfte bildung, Besoldung, Lehrerzuweisung, Vergleichbarkeit des Abiturs und die Gefahr seiner Entwertung. Besuch des Hessischen Kultusministers Am ersten Tag war der Hessische Kul tusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz zu Gast. Gleich zu Beginn seiner Rede ging er auf den ‘Weltlehrertag’ ein, der jährlich am 5. Oktober die Tä

hphv intern

Qualität der gymnasialen Bildung und damit die ‘Leuchtturm- und Vorbild funktion’ des Gymnasiums sicherzu stellen und auch zukünftig weiter zu gewährleisten. In der sich anschließenden Aus sprache gab es zahlreiche Nachfragen der Delegierten unter anderem zur Differenzierung von Besoldung an verschiedenen Schulformen, zu Kor rekturzeiten im Abitur, Entlastungen, Digitalisierung an den Schulen, gen dergerechtes Schreiben und die Hal tung des Ministeriums. Wahl des neuen Vorstands Am ersten Tag der Vertreterversamm lung wurde auch neu gewählt und es gab einen Wechsel an der Spitze des Verbandes. Volker Weigand wurde in geheimer Wahl im ersten Wahlgang zum neuen Landesvorsitzenden ge wählt. Der Oberstudienrat vom Les

tigkeit der Lehrkräfte besonders wür digen soll, und brachte seine Wert schätzung den anwesenden Delegier ten gegenüber zum Ausdruck. Im Zusammenhang mit dem Motto ‘Zurück zum Unterricht!’ bekräftigte er seine Absicht, Lehrkräfte von un terrichtsfremden Aufgaben entlasten zu wollen und personelle Ressourcen weiter auszubauen. Lehrkräfte sollten sich wieder mehr auf ihre Kernkompe tenzen konzentrieren können. Schule sei für ihn mehr als reine Stoff- und Wissensvermittlung, sie sei für ihn die Hauptträgerin eines Bildungs- und Er ziehungsauftrages. Der Minister be tonte die Bedeutung von gymnasialer Bildung mit dem Abschluss Abitur, die für ihn eine vertiefte Allgemeinbil dung, die Wissenschaftspropädeutik und die Studierfähigkeit umfasse. Er ging auf verschiedene Schwerpunkte der hessischen Bildungspolitik der letzten Jahre ein und die Maßnah men, die ergriffen wurden, um die

4

» Der neu gewählte Vorstand [v.l.n.r.] : Matthias Schuster, Thorsten Rohde, Volker Weigand, Annabel Fee, Carsten Franz, Julia Schubert-Förster, Boris Krüger, Tanya Gotta-Leger, Dennis Hütter und Borries A. Thiele

SCHULE

Foto: Felix Wachendörfer

sing-Gymnasium in Lampertheim un terstrich in seiner Rede mit Nachdruck die Auffassung des Verbandes, dass ein leistungsfähiges Gymnasium als erfolgreiche und beliebte Schulform – wie in der Vergangenheit – auch zu künftig einen unverzichtbaren Platz in der hessischen Bildungslandschaft ha ben müsse. Insbesondere berufspoliti sche Fragen rund um die Themen Be soldung, Arbeitszeit, Entlastung und die Verbesserung der Rahmenbedin gungen von Unterricht liegen dem neuen Vorsitzenden am Herzen. Wei gand betont: »Wir Gymnasiallehrkräf te setzen uns gern für unsere Arbeit ein, sehen uns jedoch in unseren päda gogischen Möglichkeiten zunehmend eingeschränkt.« Er wies in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen administrativen sowie unterrichts fremden Aufgaben im Schulalltag hin. Weiterhin wurden von den Delegier ten Annabel Fee und Thorsten Rohde als stellvertretende Vorsitzende, Carsten Franz als Schatzmeister, Boris Krüger als Chefredakteur für die Verbandszeitschrift ‘Blickpunkt Schule’, Matthias Schuster als Vorsit zender des Schulpolitischen Aus schusses (SPA), Tanya Gotta-Leger als Vorsitzende des Pädagogischen Ausschusses (PA), Borries Alexander Thiele als Vorsitzender des Ausschus ses für Gymnasiallehrkräfte an ande ren Schulformen (GAS) sowie Dennis Hütter als Vorsitzender des Aus schusses für berufspraktische Fragen (BPA) gewählt. Verabschiedungen und Ehrungen Im Anschluss an die Wahlen folgte die Verabschiedung von Reinhard Schwab und Christof Ganß . Reinhard Schwab hatte das Amt des Landes vorsitzenden die letzten vier Jahre inne, Christof Ganß war seit 2019 verantwortlicher Redakteur der Ver bandszeitschrift ‘Blickpunkt Schule’. Beide waren seit vielen Jahren auch in anderen Funktionen für den hphv aktiv, und so wurde ihnen die Ehren mitgliedschaft im Hessischen Philolo genverband verliehen. Die Delegierten

hphv intern

» Während der Verabschiedung von Reinhard Schwab [Foto l.] und Christof Ganß [Foto r.]

Fotos [5x]: hphv

» Beifall für die neuen Ehrenmitglieder Reinhard Schwab und Christof Ganß

5

zollten ihnen große Anerkennung und applaudierten lang anhaltend. Am Abend fand anlässlich des 150 jährigen Jubiläums ein feierlicher Sektempfang statt. Mit exzellenter musikalischer Begleitung von Sophie Lutzi (Geige) und Andrew Connor

(Piano) hielt der Kasseler Bezirksvor sitzende Boris Krüger eine Ansprache zur Entstehungsgeschichte und über die Entwicklung des Verbandes. Dr. Iris Schröder-Maiwald, Geschäftsführerin/Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des hphv

Fotos [2x]: Felix Wachendörfer

SCHULE

Abschiedsrede von Reinhard Schwab Vorsitzender von 2019 bis 2023

hphv intern

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, Baden-Württemberg hat zuletzt mit einer fragwürdigen Werbekampagne um Lehrkräfte gebuhlt: »Gar keinen Bock auf Arbeit morgen?« hieß es auf einem Plakat. Die Lösung für das Pro blem stand auch dabei: »Mach, was Dir Spaß macht und werde Lehrer*in.« Mit anbiedernder Jugendsprache ver suchte das Stuttgarter Kultusministe rium Quereinsteiger für das Lehramt zu gewinnen. Lehrerverbände protestierten heftig, nach einer Woche wurde der Slogan geändert. Was man für eine dumme Satire halten könnte, ist leider bittere Realität gewesen. Von der derzeitigen Erregungskultur im Lande ist die Schulpolitik genauso betroffen wie die allgemeine Sicht auf den Lehrerberuf, der bei genauerem Hinsehen natürlich sehr unterschied liche Belastungsdimensionen bereit hält. Nicht überraschend mussten bei der Einebnung der Eingangsbesoldung sachgerechte Argumente hinter mora lisch-emotionalen zurückstehen. Die ses dicke Brett der Besoldungsfairness muss weiterhin von unserem Verband intensiv bearbeitet werden. Wir erwar ten eine verfassungsgemäße, amts angemessene Besoldung. Das mehrgliedrige Schulsystem ver treten wir selbstverständlich offensiv, da es den unterschiedlichen Leis tungsniveaus in der Schülerschaft nachweislich am besten gerecht wird. Das nachgerade ‘dystopische’ Ziel »Einheitsschule für alle« anstelle frei er Wahlmöglichkeit wird nach wie vor von sich progressiv verstehenden ‘Ex perten‘ mit missionarischem Eifer her beigeredet. Wäre man Zyniker, könnte man hier eine Lust am Untergang ver muten. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, sich fortschrittlich wäh nende Politiker bewegten sich nicht in der Realität, sondern in Träumereien.

nicht nur als Person, sondern auch als Funktionsträger infrage gestellt zu werden. In diesem Zusammenhang muss der Zuzug von Flüchtlingen aus fremden Kulturen mit streng patriarchalen Strukturen thematisiert werden, der auch bedrohlich für den sozialen Frie den in unseren Schulen werden könn te. Insbesondere Kolleginnen haben da schon einschlägige Erfahrungen gemacht. Disziplinprobleme, fehlende Moti vation oder Gewalt – auffälliges (tendenziell asoziales) Verhalten von Schülerinnen und Schülern wird von den Lehrkräften am häufigsten als aktuell größte Herausforderung ge nannt. Das zeigt das Deutsche Schul barometer im Auftrag der Robert Bosch Stiftung. Die repräsentative Be fragung von Lehrerinnen und Lehrern allgemeinbildender und berufsbilden der Schulen wurde im Juni 2023 vom Umfrageinstitut Forsa durchgeführt. Dem Unterricht droht heute eine schleichende Aushöhlung von Maßstäben, die eigentlich eine vertief te Allgemeinbildung, Wissenschafts propädeutik sowie allgemeine Studier fähigkeit garantieren sollten. Laut dem 20. Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (kurz: INSM) hat sich das Bildungs- niveau in Deutschland in den letzten zehn Jahren dramatisch verschlech tert – Sachsen ist aktuell Spitzenreiter, Bremen Schlusslicht, Hessen bewegt sich im Mittelfeld.

Der Blick auf empirische Befunde wie auch auf erfahrbare Realitäten in den Schulen offenbart unbarmherzig eine erodierende Bildungsqualität. Und ja: Ein allgemeiner Kulturverlust sowie eine zunehmende Erosion des Leistungsprinzips machen der Institu tion Schule schwer zu schaffen. Die Realität beschert uns weitere unangenehme Risiken und Nebenwir kungen, die auf dem Beipackzettel des aktuellen Lehrerdaseins nicht groß genug festgehalten werden kön nen. Wir erleben weiterhin schwierige Ar beitsbedingungen – wie eine zu hohe Unterrichtsverpflichtung, große Klas sen und eine Zunahme administrativer Belastungen, die unsere Kernaufgabe, das Unterrichten, beeinträchtigen. Die Probleme haben sich verviel facht: Jedes vierte Kind kann am Ende der Grundschulzeit nicht wirklich lesen und schreiben. Schülerinnen und Schüler haben große Defizite in Deutsch und in Ma thematik. Sie können sich schwer kon zentrieren und ihnen fehlt es allzu oft an Disziplin. Wir erleben in den Schu len einen deutlich gestiegenen Förder- und Erziehungsbedarf, nicht zuletzt wegen gravierender Defizite im Sozial verhalten in der Schülerschaft. Eltern ziehen sich mehr und mehr aus der Erziehungsarbeit zurück und überlassen ihre Kinder häufig unkon trolliert den sozialen Medien mit den bekannten Folgen. Für uns Lehrkräfte bedeutet das im schlimmsten Fall,

6

Foto: hphv

SCHULE

hphv intern

Foto: Felix Wachendörfer

Fakt ist: Disziplin und Motivation sind die Parameter im Unterricht, um dem Lernen den notwendigen Raum zu ge ben. Talente blühen nicht ohne Fleiß und Disziplin auf! Angesichts dieser vielfältigen Belas tungen im Lehreralltag müsste die Po litik sich diesen Herausforderungen zwingend stellen – leider gibt es hier Verunsicherungen in den Lehrerzim mern – die Botschaft in Sonntagsre den hören wir wohl, allein uns fehlt der Glaube. Und so scheint es auch vielen jungen Menschen zu gehen, die den Lehrerberuf nicht mehr in Erwägung ziehen. Auch darüber sollte sich die Politik Gedanken machen. Erwähnenswert erscheint mir der FAZ-Beitrag der Meinungsforscherin Renate Köchers vom 1. Juli 2023 (Renate Köcher ist die Geschäftsfüh rerin des Instituts für Demoskopie Al lensbach): »Der Anteil der Bevölke rung, der die Qualität der Schulen als Schwäche des Landes sieht, ist in Deutschland innerhalb der letzten acht Jahre von 49 auf 65 Prozent ange wachsen.« Schulpolitisch müssen klare Strate gien zur Qualitätssicherung her – die seit Jahren aufscheinende Bildungs verarmung muss wirksam bekämpft werden. Das geht von einem deutli chen Bekenntnis zum Leistungsgedan ken bis zur systematischen Stärkung der Einzelschule. Ein schulisches Zertifikat wie das Zeugnis der allgemeinen Hochschul reife (das Abitur) muss seine Aussage kraft behalten.

Welches sind nun die Stellschrauben für Besserungen, für mehr Effizienz in unseren Schulen? Gymnasialer Unterricht verträgt kein Übermaß an Heterogenität! Dies wird auch durch die LaiW Studie des DPhV (‘Lehrerarbeit im Wandel’) bestätigt: Die Leistungs unterschiede zwischen Schülern empfinden Lehrkräfte als stark belastend. Mehr Verbindlichkeit beim Über gang 4/5 ist vonnöten. Die Unver bindlichkeit der Schulempfehlung → → erschwert die gymnasiale Bil dungsarbeit! Der Schulentwick lungsberater Michael Felten (2016) fragt kritisch nach deren eigentli chen Aufgabe: anspruchsvolle Bil dung oder soziale Integration? Der anspruchsvolle Unterricht zählt: Guter Unterricht setzt auf seiten der Lernenden einen Denk prozess in Gang. Wichtig für ein er folgreiches Unterrichten sind (nach J. Kounin): eine gute Struktur, klare Ansagen, sinnvolle Steuerung, un aufgeregte Konsequenz. Skepsis ist geboten gegenüber einer Di daktik, die sich in einer Überhö hung von diversen pädagogischen Reformansätzen darbietet und zu einer Verengung des Bildungsver ständnisses führt. Bildung braucht Persönlichkeit, wie unter anderem bei Gerhard Roth (2011) nachzulesen ist – und was letztlich auch im Alltag immer wieder Bestätigung findet. Die Lehrkraft wirkt mit ihrer Persön- → →

lichkeit auf die Lernenden, sie mo tiviert, führt – nicht zuletzt zu selbstständigem Arbeiten. Keine Lerntheke, kein Arbeitsblatt, keine Lernplattform und kein Lernmana gementsystem kann dies leisten! »Die Lehrkraft ist integrierende Kraft in heterogenen Klassen – sie sollte den Spagat leisten können zwischen ‘Freund’ der Lernenden einerseits und deren ‘Herausforde rer’ andererseits; ein zugewandter Freund, der von einer ‘reifen Posi tion‘ aus den Weg in das Erwachse nenleben aufzeigt« (Prof. Ahrbeck 2020). Sprache: Wir sollten uns stets der Verantwortung für den Erhalt und die Pflege unserer Sprache be wusst sein: Eine gute Sprachbil dung ist die Grundlage jeglicher Bildungssprache ! Die deutsche Sprache darf nicht durch ideolo giebeladene Initiativen stilistisch und ästhetisch entgleisen. Das Gendern hat gesellschaftliches Spaltungspotenzial! »Es gibt zum Optimismus keine ver nünftige Alternative« – sagt der Philo soph Karl Popper – und führt weiter aus: »Optimismus ist Pflicht. Man muss sich auf die Dinge konzentrieren, die gemacht werden sollen und für die man verantwortlich ist.« Meinem Nachfolger im Amt wünsche ich Fortune und viel Erfolg. Ich danke allen, die mich während meiner vier jährigen Amtszeit unterstützt haben, und sage hier »ade!«. Es war mir stets eine Ehre. →

7

SCHULE

Die auf der Vertreterversammlung beschlossenen Resolutionen

Foto: chaylek/AdobeStock

hphv intern

Resolution 1 Zurück zum Unterricht! Deutliche Reduzierung der unterrichtsfremden Tätigkeiten und Verwaltungsarbeiten! → D ie Konzentration auf das Vermit teln von Bildung ist das Hauptan

nen und Schülern, bewerten Schüler leistungen und konzipieren individuell abgestimmte Fördermaßnahmen. Ne ben diesen Kernaufgaben werden sie jedoch häufig mit unterrichtsfremden Tätigkeiten und einem hohen Verwal tungsaufwand konfrontiert. Unterrichtsfremde Tätigkeiten sind beispielsweise die Organisation von Schulveranstaltungen, die Betreuung von Schülerinnen und Schülern wäh rend der Pausen, die Verwaltung von Schulmaterialien, Führung von Klas senkonten, Aktenführung und Doku mentation. Während diese Aufgaben zweifellos wichtig sind, sollten sie nicht zulasten der Kernaufgaben ge hen. Denn dieser hohe bürokratische Aufwand raubt viel Zeit und Energie.

Es ist daher unerlässlich, dass Schu len unterstützende Kräfte einstellen, die diese Tätigkeiten übernehmen, um den Lehrkräften den Rücken freizu halten. Zur Schaffung von Rahmenbedin gungen, die eine spürbare Reduktion der unterrichtsfremden Tätigkeiten ermöglichen und den Verwaltungs aufwand verringern, bedarf es einer engen Zusammenarbeit zwischen Schulen, Bildungsbehörden und poli tischen Entscheidungsträgern. Darüber hinaus sollten Schulen die Möglichkeit haben, zusätzliche Res sourcen einzusetzen, um Lehrkräfte zu entlasten und ihnen die Möglich keit zu geben, sich auf ihre pädagogi sche Arbeit zu konzentrieren.

liegen von Lehrkräften. Sie sind aus gebildet, um Wissen zu vermitteln, Schülerinnen und Schüler zu fördern und ihnen bei der persönlichen Ent wicklung zu helfen. Um diesen Aufga ben gerecht zu werden, ist es uner lässlich, dass Lehrkräfte von unter richtsfremden Tätigkeiten und Ver waltungsarbeiten entlastet werden. Dies ermöglicht es ihnen, sich voll und ganz auf den Unterricht zu konzen trieren und ihre pädagogischen Fähig keiten bestmöglich einzusetzen. Abgesehen von der Unterrichtsvor bereitung, Durchführung, Nachberei tung und Korrekturen führen Lehrer Gespräche mit Eltern, mit Schülerin

8

Resolution 2 Sommerferien-Arbeitslosigkeit von jungen Lehrkräften stoppen! Neue hessische Lehrerinnen und Lehrer schon zum 1. August einstellen! → D er hphv fordert das Land Hessen nachdrücklich auf, Lehrkräfte im

Schuldienst (Einstellungserlass Ziffer 1.4.) ist entsprechend zu ändern. Begründung Lehrkräfte aller Schulformen im Vorbereitungsdienst (LiV), die zum 31. Juli 2023 ihre pädagogische Ausbildung an der Schule abschlie ßen, sehen mit gemischten Gefüh

len den Sommerferien entgegen: Denn sie werden erst zum 1. Septem ber 2023, also nur drei Tage vor Un terrichtsbeginn, eingestellt. In der Zwischenzeit hingegen werden sie ei nen vollen Monat lang nicht bezahlt. Anspruch auf Arbeitslosengeld ha ben die angehenden Lehrerinnen und Lehrer nicht, weil sie derzeit »Beam tinnen und Beamte auf Widerruf«

Vorbereitungsdienst, die ihr 2. Staats examen erfolgreich absolviert und eine Einstellungszusage zum nächs ten Schuljahr haben, künftig grund sätzlich zum 1. August eines Jahres einzustellen und nicht erst drei Tage vor Unterrichtsbeginn. Das Einstel lungsverfahren in den hessischen

SCHULE

sind und nicht in die Arbeitslosenver sicherung einzahlen. Deswegen müs sen sie das sogenannte ‘Bürgergeld’ (ehemals Hartz IV) beantragen. Ab hängig von Wohnort und Familiensi tuation bedeutet das für die Betroffe nen einen finanziellen Engpass in den Sommermonaten – eine Rücklagen bildung ist bei den geringen Anwär terbezügen nicht möglich. Nach fast zwei Jahren Ausbildung ist dieses Agieren des Arbeitgebers mit Vorsatz ein Schlag ins Gesicht für alle LiV! Hinzu kommt: Die ersten Bezüge werden bei Neueinstellung frühestens Ende Oktober verbucht. Das führt da zu, dass die Betroffenen auch min destens ein Vierteljahr auf anderen Wegen Miete, Nebenkosten und sons tige Lebenshaltungskosten bestreiten müssen – und das gerade in einer Zeit, in der vor allem die Energiekos ten und die Lebensmittelpreise enorm angestiegen sind. Viele der betroffe

nen LiV werden neben der staatlichen Hilfe auch noch auf die Unterstützung ihrer Eltern und Verwandten angewie sen sein, obwohl sie voll ausgebildete Fachkräfte in einem Mangelberuf sind. Von der Fürsorgepflicht des Dienstherrn kann hier keine Rede sein! Bei angestellten Lehrkräften, die ebenso die Sommerferien-Arbeitslo sigkeit bisher stark erfasst hatte, ist es in den letzten Jahren zu Verbesserun gen bei der Weiterbeschäftigung ge kommen (Weiterbeschäftigungser lass), sodass die Zahl der Betroffenen zurückgegangen ist. Die LiV hingegen hat man vergessen. Daher müssen sie nun schon das zweite Jahr in Folge fast zwei Monate lang ohne Bezüge aus kommen. Und 2024 wird sich die Situa tion wiederholen, weil Hessen erneut spät aus den Sommerferien zurückkeh ren wird, nämlich am 23. August. Der Sprecher des Hessischen Kul tusministeriums verteidigt die Rege

lung des Einstellungserlasses für das neue Schuljahr damit, dass dies eine seit Jahrzehnten geübte Praxis sei und auch in anderen Bundesländern so gehandhabt werde. Eine kontra produktive und nicht akzeptable Pra xis jedoch, die in einigen Bundeslän dern nicht existiert bzw. mittlerweile beendet wurde (unter anderem Ber lin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen), weil sie realitätsfern ist: Denn die Unterrichtsvorbereitung für das Schulhalbjahr geschieht nicht erst in den drei Tagen vor Schuljah resbeginn, sondern beginnt deutlich früher, um qualitativ hochwertigen Unterricht gewährleisten zu können. Lehrkräfte gehen damit bereits in Vorleistung, ohne dafür entlohnt zu werden. Mit der geforderten Regelung wird ihnen gezeigt: »Ihr werdet gebraucht und umso mehr in Zeiten eines großen Lehrkräftemangels!« >>

hphv intern

9

10 hphv intern SCHULE

Foto: N. Theiss/AdobeStock

Resolution 3 Verfassungsgemäße Besoldung/Inflationsausgleich/ Besoldungserhöhung →

N och immer ist, Jahre nach dem ergangenen Urteil des VGH, in Hessen die verfassungsgemäße Be soldung der Beamtinnen und Beam ten nicht gegeben. Sie liegt laut Fest stellungen der Gerichte etwa 22 Pro zent unter der verfassungsgemäßen Besoldung. Das ist ein Skandal. Es ist die Pflicht des Landes Hessen, seine Beamtinnen und Beamten an gemessen zu alimentieren. Dieser Verpflichtung muss die (neu zu bil dende) Landesregierung umgehend nachkommen. Dabei kann grundsätz lich nur eine prozentuale Erhöhung der Gehaltstabellen in Betracht gezo gen werden, damit neue Ungleichge wichte vermieden werden. Die Versor gungsempfängerinnen und -empfän ger sind inhaltsgleich zu berücksichti gen. Hinsichtlich der anstehenden Tarif verhandlungen muss sichergestellt werden, dass die Hessische Beamten schaft nicht erneut gegenüber den Bediensteten des Bundes und anderer Länder schlechtergestellt wird. Dies gilt sowohl für eine allgemeine Besol dungserhöhung als auch für einen zu gewährenden Inflationsausgleich. Alle Tarifergebnisse sind zeit- und inhalts gleich auf die aktiven Beamtinnen und Beamten sowie auf die Versorgungs empfängerinnen und -empfänger zu übertragen. Mit Beschluss des hessischen Land tages vom 16. Februar 2023 erhalten in Hessen Landesbeamte, Richter und Pensionäre zum 1. April dieses Jahres

und zum 1. Januar des kommenden Jahres jeweils drei Prozent mehr Be soldung. Diese Erhöhungen werden zusätzlich zu den bereits vereinbarten Tarif- und Besoldungserhöhungen von 2,2 Prozent (1. August 2022) und 1,89 Prozent (1. August 2023) ausge zahlt. Außerdem sollen die Kinderzu schläge deutlich steigen. Insgesamt gilt die Regelung für mehr als 180000 Staatsdiener und Pensionäre im Bun desland. Mit ihr reagiert die hessische Politik auf einen Beschluss des Ver waltungsgerichtshofs, wonach die Beamten von 2013 bis 2020 nicht ausreichend bezahlt wurden (Quelle: dbb News) . Dies genügt bei Weitem nicht, um die festgestellte Unteralimentierung auszugleichen. Selbst nach Inkraft treten der Anpassungsschritte des Gesetzes zur weiteren Anpassung von Besoldung und Versorgung in den Jahren 2023 und 2024 wird die Ali mentation in Hessen anhand der Maßstäbe des BVerfG und des VGH noch rund 22 Prozent unter dem ver fassungsrechtlich gebotenen Min destniveau liegen. In der Gesetzesbe gründung wird auch dargestellt, dass die Anpassungsschritte keineswegs als ausreichend erachtet werden. Es handelt sich hierbei nicht um Zahlun gen, die zusätzlich erfolgen, sondern um Geld, welches den hessischen Landesbeamten jahrelang vorent halten wurde. Auch wenn es dem Land nicht pro blemlos gelingen wird, die aufgelau

fenen Rückstände sofort auszu- gleichen, muss doch zumindest ein verbindlicher Zeitrahmen mit Erhö hungsschritten entwickelt werden, um perspektivisch zu einer zeitnahen, verfassungskonformen Besoldung zu gelangen. Außerdem muss umgehend nach Vorliegen des noch ausstehenden Ur teils zur Frage der rückwirkenden Er stattung der entstandenen Gehalts nachteile ein ähnlicher, perspektivi scher Plan erarbeitet werden. Hierauf müssen die Beamtinnen und Beamten vertrauen können, da der Staat schließlich eine besondere Fürsorge pflicht für seine Bediensteten hat. Hinsichtlich der Tarifverhandlungen ist selbstverständlich eine Schlech terstellung hessischer Landesbe diensteter gegenüber anderen Bran chen oder anderen Bundes- oder Lan desbeamten bzw. der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung auszu schließen. Insofern erwarten die Be amtinnen und Beamten in Hessen die Zahlung eines Inflationsausgleiches und die Festlegung einer deutlich er höhten Besoldung. Diese ist zeit- und inhaltsgleich mit den Tariferhöhungen auf die Beamtenschaft und die Ver sorgungsempfängerinnen und -emp fänger zu übertragen, da alle Be schäftigten und in gleicher Weise die Versorgungsempfängerinnen und -empfänger unter den Folgen der Inflation und den Folgen der extrem gestiegenen Energiekosten zu leiden haben.

Resolution 4 Den Auswüchsen des sogenannten ‘gendergerechten’ Schreibens einen Riegel vorschieben! ‘Geschlechtergerechtes’ Schreiben: Genderstern und Co. sind nicht Kernbestand der Orthografie →

hphv intern

A uch wenn eine ‘gendersensible‘ Sprache je nach Situation sicher lich ihre Berechtigung hat: Es gibt fragwürdige Umsetzungen der soge nannten Gendersprache – in der ge sprochenen Sprache belächelt man die ‘Schluckauf-Sprache’ (‘Lehrer/ -innen’), in ‘gegenderten’ Texten stößt man auf Sternchen und der gleichen (‘Schüler*innen’), um damit ‘alle’ sichtbar zu machen. Nachdem der Rat für deutsche Rechtschreibung in seiner Sitzung im Juli dieses Jahres bekräftigt hat, dass geschlechtergerechte Schreibungen mit Binnenzeichen wie Sternchen, Un terstrich, Doppelpunkt nicht in das amtliche Regelwerk aufzunehmen sind, sollte das HKM sich ausreichend ge

verbessert, steht nach wie vor aus. Hier hätte die Politik wesentlich bessere Möglichkeiten! Eindeutig zu weit geht die zwanghaf te Vermeidung des generischen Masku linums, das eine ‘geschlechtsunabhän gige’ Bezeichnung ermöglicht. Manipulationen am gewachsenen, funktionierenden Sprachsystem sind abzulehnen, wir sollten uns keinen ‘Gendersprech’ aufnötigen lassen. Der politisch-moralische Anspruch, alle denkbaren Identitäten und Ge schlechter abbilden zu wollen, ist in sei ner Überheblichkeit schlichtweg anma ßend, ja auch diskriminierend (wer will schon als Unterstich erscheinen?) und in der Breite der Gesellschaft nicht er wünscht.

stärkt fühlen, um den Gebrauch solcher Wortbinnenzeichen im Bereich der Schulen und Schulverwaltung durch Erlass zu untersagen. Wie der Rat erläutert, wirken solche Zeichen unmittelbar auf die orthogra fisch korrekte Schreibung von Wörtern ein mit erwartbaren grammatischen Folgeproblemen. Ein krampfhaftes Be mühen um eine Gendersprache igno riert wichtige Regeln der deutschen Grammatik und wirkt in ihrer formel haften Künstlichkeit verunstaltend auf unsere Sprache. Ein ideologischer Fehlschluss liegt vor, wenn man glaubt, mit Eingriffen in die Sprache das Denken verändern zu können. Der Beweis, dass das Gendern die Situation zum Beispiel für Frauen

11

JETZT BEWERBEN BIS  MÄRZ 

Das Förderprogramm KUNST VOLL bringt Kunst in die Schule! Nutzen Sie die Chance und reichen Sie Ihre Bewerbung für ein Projekt im Schuljahr 2024/2025 beim Kulturfonds Frankfurt RheinMain ein. Bewerbungen erfolgen gemeinschaftlich durch mindestens eine Schule und mindestens eine/n Akteur/in aus dem Kunst- und Kulturbereich. Anträge stellen können Schulen und Kultureinrichtungen aus Frankfurt am Main, dem Hochtaunuskreis und dem Main-Taunus-Kreis, Darmstadt, Wiesbaden, Hanau, Bad Vilbel, Offenbach am Main, Oestrich-Winkel, dem Rheingau-Taunus-Kreis und dem Kreis Offenbach. KUNST VOLL - das Förderprogramm für kulturelle Bildung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain

AUSKUNFT UND BERATUNG Regina Fichtner-Haben kunstvoll@kulturfonds-frm.de Tel 06172.999.4695

SCHULE

www.kulturfonds-frm.de | Facebook | Instagram | Newsletter

Foto: Christof Jakob

Die ‘Neuen’ stellen sich vor

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitglieder,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

auf der Vertreterversammlung wurde ich zum neuen Vorsitzenden des Ausschusses für Berufspraktische Fragen (BPA) gewählt. Ich möchte nun die Gelegenheit nutzen, mich vorzustellen sowie die aktuellen und zukünftigen Projekte und Arbeitsgebiete des Ausschusses zu umreißen.

auf der vergangenen Vertreterver sammlung wurde ich einstimmig zum neuen Schatzmeister unseres Verbandes gewählt – ein überwäl tigendes Ergebnis und enormer Vertrauensvorschuss, den ich von den Delegierten bekommen habe. Dafür möchte ich mich nochmals ganz herzlich bei allen bedanken. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich Ihnen kurz vorzustellen, da ich in dieses Amt gekommen bin, ob wohl ich bislang noch nicht in vorderer Reihe in der Ver bandsarbeit aktiv war – sieht man einmal davon ab, dass ich seit 2021 einer der beiden gewählten Kassenprüfer war. Ich bin 47 Jahre alt und arbeite am Landgraf-Lud wigs-Gymnasium in Gießen. Dort begann 2004 mein Referendariat und ich bin der Schule bis heute treu ge blieben. Seit 2008 bin ich Mitglied in unserem Verband. 2012 ging ich als Koordinator der Sekundarstufe I in die erweiterte Schulleitung und ich wurde zugleich mit der Führung des ‘Schulkontos’ – wie es damals noch hieß – betraut. Seit 2018 bin ich Oberstufenleiter am LLG. Eine gewisse Affinität zu Zahlen, Geld und Finanzen ist aber kein Zufall. Nach meinem Abitur an der Wilhelm von-Oranien-Schule in Dillenburg absolvierte ich zu nächst eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Sparkasse Dillenburg. Und ja, auch das vermeintliche Klischee des Mathematiklehrers ist erfüllt. Darüber hinaus möchte ich mich künftig auch abseits der Finanzen in der Verbandsarbeit engagieren. Die He rausforderungen, vor denen wir als Lehrkräfte, aber auch das Gymnasium an sich stehen, sind immens. Zu nennen sind die immer noch nicht überwundenen Folgen der Pandemie, die Bewältigung der Migrationskrise zum Bei spiel mit möglichen Intensivklassen auch an den Gym nasien, eine sich ändernde Schülerklientel im gymnasia len Bildungsgang sowie die zunehmenden Belastungen für uns Lehrkräfte vor allem in der gymnasialen Oberstu fe und im Abitur. Diese sind nur einige Beispiele dafür, wo wir als Hessischer Philologenverband uns klar positionie ren müssen und der neuen Landesregierung sowohl kon struktiv als auch kritisch begegnen sollten. Als überzeugter Gymnasiallehrer möchte ich meinen Beitrag dazu im Verband leisten. Motiviert – aber auch mit dem gebotenen Respekt vor dem neuen Amt – freue ich mich auf die kommende Arbeit im geschäftsführen den Vorstand sowie im Landesvorstand. Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Weihnachtszeit und alle Gute für das Jahr 2024. Ihr Carsten Franz

12 hphv intern SCHULE

Zunächst zu meiner Person: Mein Name ist Dennis Hütter und ich bin als Studienrat mit der Fakultas in den Fächern Englisch und Geschichte an zwei Schulen in Melsungen tätig. Zu Beginn meines Referendariats im Jahr 2015 trat ich dem Hessischen Philologenverband bei, bin seit 2017 Schulvertrauensperson des hphv meiner Stammschule und arbeite zudem seit 2020 im BPA mit. Der BPA setzt sich Studierende des gymnasialen Lehramts, Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (LiV) und examinierte Jung lehrkräfte als primäre Zielgruppe. Neben der Mitgliederakquise sind Orientierungsangebote sowie die Vorstellung unseres Ver bands zentraler Bestandteil der Arbeit des BPA. Meine Stellver treterin Victoria Hildebrand führt beispielsweise äußerst erfolg reich den Instagram-Auftritt der hessischen Jungphilologen. Neben den Vorstellungen an den hessischen Studienseminaren ist auch die Vernetzung mit den Jungen Philologen aus den an deren Bundesländern Teil unseres Engagements. So sind stets Mitglieder des BPA bei den halbjährlich stattfinden Arbeitstref fen der Jungphilologen im DPhV vertreten. Aktuell bietet der BPA zudem bereits einige Webinare sowohl für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, unter anderem auch in Zusammenarbeit mit Fit4Ref, als auch für Studierende des gymnasialen Lehramts an; dieses Angebot soll nun erweitert und intensiviert werden, beispielsweise mit dem neuen Webinar ‘Wege nach dem Zweiten Staatsexamen’, welches zu Beginn des nächsten Kalenderjahres stattfinden wird. Weiterhin wur den Broschüren beziehungsweise Informationshefte zu diversen Themen erstellt. Die aktuelle Broschüre, die sich ‘Eltern werden – Eltern sein’ nennt, konnte diesen Monat bereits veröffentlicht werden. Unser Ausschuss trifft sich fünf- bis sechsmal im Jahr, sowohl online als auch in Präsenzsitzungen. Interessierte Mitglieder sind herzlich eingeladen, einer Sitzung beizuwohnen; darüber hinaus sind wir auch für Fragen und Anregungen unter bpa@hphv.de oder bei Instagram zu erreichen. Wir freuen uns immer über Impulse! An dieser Stelle möchte ich mich noch herzlich bei meinem Vorgänger Boris Krüger bedanken, der seit Gründung des Aus schusses unermüdlich neue Projekte initiiert und vorangetrie ben hat. Ohne ihn wäre der Ausschuss in seiner heutigen Form nicht denkbar. Boris Krüger wird sich zukünftig als Chefredak teur der Verbandszeitschrift ‘Blickpunkt Schule’ engagieren; hierfür wünscht der gesamte Ausschuss ihm von Herzen alles Gute! Dennis Hütter

150 Jahre Hessischer Philologenverband Plädoyer für das Gymnasium Das Jubiläumsjahr 2023

hphv intern

Am 3. Juni 1873, am damaligen Königlichen Gymnasium zu Kassel, dem ‘Lyceum Fridericianum’, gegründet, begeht der Hessische Philologenverband (hphv) im Jahr 2023 sein 150. Jubiläum.

üblichen Praxiserfahrungen –, die Verheißungen des längeren gemein samen Lernens zu goutieren.« In sei ner Festrede sprach sich Schwab sehr deutlich gegen Überlegungen aus, Noten abzuschaffen oder Schülerin nen und Schüler trotz mangelhafter Leistungen zu versetzen: »Unser Inte resse gilt einem leistungsfähigen Bil dungssystem, das dem Einzelnen die Möglichkeit zur Entfaltung seiner Be gabungen gibt sowie eine starke und solidarische Gesellschaft konstituie ren hilft.« Verhaltensauffälligkeiten bei Schülerinnen und Schülern hätten stark zugenommen und der steigende Förderbedarf, die Inklusion, Diversität und Migration stellten hohe Heraus forderungen dar. Daher sei der Philo logenverband gefragt wie nie, auch um den Kompass für die gymnasiale Bildung zu liefern. Dafür brauche es Kraft und Zuversicht und die Solidari tät innerhalb des Verbandes, so Schwab. Heinz-Peter Meidinger , der ehe malige Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes (DL) und immer ein gern gesehener Gast im hphv, hob in seiner Rede besonders das Engage ment des Hessischen Philologenver bandes sowie sein kontinuierliches und in vielen Bereichen sehr erfolgreiches Eintreten für die Interessen der Gym nasiallehrkräfte sowie den Erhalt und die Fortentwicklung des Gymnasiums

Der ausführliche Bericht über die Entstehung und Entwicklung ist nach zulesen in der Ausgabe 3/2023 von ‘Blickpunkt Schule’, in der auch Her bert Grimme, Ehrenmitglied des hphv, eine Übersicht des geschäftsführen den Vorstandes der Jahre 1947 bis 2023 zusammengestellt hat, und die Vorsitzenden der letzten Jahrzehnte von den wichtigsten Geschehnissen während ihrer Amtszeit berichten (zum Blättermagazin https://cld.bz/ 7gJo7au/2). Am 21. September dann wurde das Jubiläum in einem festlichen Rahmen in Wiesbaden mit Mitgliedern des Landesvorstands, Ehrenvorsitzenden, Ehrenmitgliedern, Gästen aus dem Hessischen Kultusministerium, aus Politik und Wirtschaft sowie Vorsit zenden von Philologenverbänden aus anderen Bundesländern gefeiert. Mit einem eindeutigen Plädoyer für ein mehrgliedriges und leistungsfähi ges Schulsystem begrüßte Reinhard Schwab , Landesvorsitzender des Hes sischen Philologenverbandes bis Ok tober 2023, die Gäste und stellte in seiner Rede die Position des Verban des hervor: »Wir sehen keinen Anlass – gerade auch vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Studien und den

von DR. IRIS SCHRÖDER-MAIWALD Geschäftsführerin und Referentin für Presse- und Öffentlichkeits arbeit des hphv

M it einer Jubiläumsfeier in klei nem Rahmen, organisiert von dem Kasseler Bezirksvorsit zenden Boris Krüger , begannen die Feierlichkeiten am Gründungsort. Das alte Gebäude des Gymnasiums wurde im Zweiten Weltkrieg komplett zer stört. An seiner Stelle befindet sich heute der ‘Lyceumsplatz’. In einer klei nen historischen Tour schilderte Boris Krüger die Entstehungsgeschichte und die Entwicklung des Verbandes. Die Ziele des neu gegründeten Vereins ge hen aus den Satzungen von 1873 und 1874 hervor: »Die Förderung der wis senschaftlichen und Standesbestre bungen, die Amtsgenossen in Hessen und Nassau, in Frankfurt und Waldeck einander freundschaftlich nahe zu bringen.« – »Heute würde man in die sem Zusammenhang von Vernetzung sprechen«, so Boris Krüger, »im Übri gen ein heute noch sehr wichtiger As pekt der verbandlichen Arbeit.«

13

Fotos [7 x]: Felix Wachendörfer

SCHULE

» Boris Krüger

sprachlichen Bildungserfahrung. Er habe zwar in seinem Leben nie einen praktischen Nutzwert aus seinem Alt griechisch ziehen können: »Ich bin trotzdem unglaublich froh, dass ich es gelernt habe. Ich hatte dadurch das Vergnügen, Platon im Original zu le sen.« Konstruktiv-kritisch und immer engagiert für das Gymnasium, so er lebe er den Hessischen Philologenver band. Einig sei man sich bei der Be deutung von gymnasialer Bildung mit dem Abschluss Abitur, die eine vertief te Allgemeinbildung, die Wissen schaftspropädeutik und die Studier fähigkeit umfasst. Nicht immer einig sei man sich jedoch über die geeigne

ten Maßnahmen und deren Umset zung, eben genau diese gymnasiale Bildung zu sichern. Er betonte in sei ner Ansprache, dass er sich in jedem Fall auf weitere Gespräche und eine gute Zusammenarbeit freue. Die Vorsitzende des Deutschen Phi lologenverbandes (DPhV), Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing , seit Jahrzehn ten ein aktives Mitglied bei den hessi schen Philologen, betonte in ihrem Grußwort die Bedeutung des Hessi schen Philologenverbandes bei der ‘Erfolgsgeschichte des Gymnasiums’ und dem ‘Primat der Bildung’. Wir be danken uns ganz besonders herzlich für diese sehr besondere Rede.

hphv intern

» Heinz-Peter Meidinger

hervor. »Dieses Engagement war da bei von Beginn an keine bloß landes spezifische Angelegenheit«, betonte Meidinger: »Die hessischen Philolo ginnen und Philologen setzten auch national und bundesweit immer wie der wichtige Impulse. Ich habe meine Verbandsfreunde aus Hessen immer – und das meine ich absolut positiv – als besonders kämpferisch, besonders kritisch und aufmerksam-sensibel gegenüber alten und neuen Bedro hungen des Gymnasiums, den Inte ressen seiner Lehrkräfte und des Leis tungsprinzips generell wahrgenom men. Durchaus konstruktiv, aber wenn es notwendig war und ist, eben auch glasklar und kompromisslos.« Der hessische Kultusminister, Prof. Dr. R. Alexander Lorz , ebenfalls Gast redner und direkt aus einer Sitzung im Landtag zur Feier gekommen, beton te, dass das Gymnasium die erfolg reichste Schulform sei. Er verband die Wurzeln des humanistischen Denkens mit der gymnasialen Idee. Die immer wieder gestellte Frage von Schülerin nen und Schülern: »Wozu brauche ich das später überhaupt?«, beantwortet Lorz mit einem Beispiel seiner alt

14

» v.l.n.r.: Heinz-Peter Meidinger, Reinhard Schwab, Susanne Lin-Klitzing, R. Alexander Lorz und Boris Krüger

» v.l.n.r.: Borries A. Thiele, Lothar Wiesemann, Christian Sorg, Ralph Hartung und Volker Weigand

SCHULE

» Prof. Dr.

R. Alexander Lorz

» Volker Weigand und Annabel Fee

Rede des Landesvorsitzenden Reinhard Schwab (2019 bis 2023) 150 Jahre Hessischer Philologenverband – das heißt: stete Arbeit an der gymnasialen Bildung!

hphv intern

U nbestritten ist die Bedeutung des Verbandes für die gymna siale Bildung! Orientiert an Wilhelm von Humboldts dynami schem, aber auch empathischem Bil dungsverständnis, zugegeben einem hohen Ideal, war und will der Hessi sche Philologenverband weiterhin Ga rant sein für einen wissenschaftspro pädeutischen Unterricht, der Leistung wertschätzt, intellektuelle Fähigkei ten aufseiten der Lernenden entwi ckeln, deren Fähigkeiten zu selbst ständigem Arbeiten und zur Reflexion ausbauen hilft. Wir sind an Fachlich keit, an kulturellen Wissensbestän den, an wissenschaftlichen Fakten und Kompetenzen ausgerichtet. Ohne Frage stehen wir ein für die Mehrgliedrigkeit unseres Schulsys tems mit einer starken gymnasialen Säule. Es gibt aus unserer Sicht keine wirklich gute Alternative zur Mehr gliedrigkeit, wenn diese begabungs gerecht und mit entsprechender Durchlässigkeit gestaltet wird. Des halb sehen wir keinen Anlass – gerade auch vor dem Hintergrund wissen schaftlicher Studien und den üblichen Praxiserfahrungen – die Verheißun gen des »längeren gemeinsamen Ler nens« zu goutieren. Auf unseren Wi derstand trifft auch die Abschaffung von Noten bzw. die Abschaffung der Nichtversetzung bei schlechten Leis tungen. Unser Interesse gilt einem leistungsfähigen Bildungssystem, das dem Einzelnen die Möglichkeit zur Entfaltung seiner Begabungen gibt sowie eine starke und solidarische Gesellschaft konstituieren hilft. Unsere Mitglieder – und nicht nur diese, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Schulfor men – sehen sich mit manifesten Pro blemen konfrontiert. Wir arbeiten schon zu lange mit zu großen, mehr und mehr inhomogenen Lerngruppen – da stellt sich – mit Blick auf unsere Schulform – die

Frage: Wie viel Leistungsspreizung verträgt das Gymnasium, ohne an Qualität zu verlieren? Die Realität macht hier einige Illusionen zunichte. Neben dem steigenden Förderbe darf stellen Inklusion, Diversität und ungebremste Migration besondere Herausforderungen dar. Lehrkräfte erleben heutzutage pä dagogische Situationen, die viel Zeit und psychische Energie kosten, denn Verhaltensauffälligkeiten in der Schü lerschaft auch aufgrund mangelnder familiärer Erziehung haben deutlich zugenommen. Mediale Vorbilder, und nicht nur gute, insbesondere in den sozialen Medien, sind heute wesent lich ausgeprägter als früher und kei neswegs unproblematisch. Eine hohe Arbeitsverdichtung – ge rade auch abseits des Klassenraums – wirkt enorm belastend, erhöht emp findlich den Stresslevel der Lehrkräfte im Alltag und hat schädliche Auswir kungen auf unsere Kernaufgabe, das Unterrichten. Wir verfolgen die weiteren Diskus sionen zum Thema Arbeitszeit von Lehrkräften mit angespanntem Inte resse! Kurzum: Das Klima in den Schulen hat sich verändert. Es mangelt zu oft an Respekt vor dem Lerngegenstand, vor den Mitschülern, vor den Lehrper sonen. Die Autorität der Lehrkräfte hat spürbar gelitten. Muss man sich da wundern, dass der Lehrerberuf an Attraktivität verloren hat? Personelle Engpässe sind unüber sehbar – wir erleben einen gravieren den Lehrkräftemangel in allen Schul formen. Quer- und Seiteneinsteiger können auf Dauer die Misere nicht beheben. Das Berufsbild Lehrerin/Lehrer braucht einen nachhaltigen Motiva tionsschub , hier ist die Politik gefor dert mit größerem Engagement für eine hohe Bildungskultur, mit mehr Einsatz für bessere Arbeitszeiten und

Foto: Felix Wachendörfer

» Reinhard Schwab

eine dem Arbeitsaufwand angemes sene, gerechte Besoldung. Man kann es nicht oft genug beto nen: Bildung ist Recht und Pflicht zugleich . Ohne ein Pflichtgefühl für den eigenen Einsatz im Lernprozess aufseiten der Lernenden bleibt das Recht auf Bildung auf der Strecke. Leider wird der Begriff ‘Bildungsge rechtigkeit’ inflationär verwendet, gerade von Personen, die von Sach kenntnis wenig belastet sind. Wir Lehrkräfte zahlen mit unserem Ansehen für politische Entscheidun gen, Zustände, irritierende Diskus sionen, die nicht wir zu verantworten haben, die sich aus ideologischen Verdikten sowie abenteuerlichen didaktischen Vorgaben entwickelt haben (s. Verzicht auf Noten, keine Nichtversetzung, Methode ‘Lesen durch Schreiben’, auch ‘Schreiben nach Gehör’ genannt). Lassen wir uns unser Berufs- und Arbeitsethos nicht von der Politik, nicht von Wissenschaft und Medien zerreden. Wir sollten den Kompass liefern für die gymnasiale Bildung! Hier ist der Philologenverband gefragt wie nie! Dazu braucht es Kraft und Zuversicht und verbandliche Solidarität. An den großen Philosophen Ernst Bloch und sein ‘Prinzip Hoffnung’ an knüpfend, wage ich eine Ermutigung: Man sollte »ins Gelingen verliebt (sein) statt ins Scheitern.«

15

SCHULE

Made with FlippingBook Online newsletter creator