Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 3/2014 (Dezember 2014)

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 3/2014 (Dezember 2014)

Fortbildung aktuell Das Journal

Osteoporose, Orale Zytostatika und die neuen Arzneimittel 2013

5/2014 Das Journal: Dezember 2014 Seite 5

Osteoporose und AMTS

Seite 15 Orale Zytostatika

Seite 23 Ein pharmazeutischer Jahresrückblick

KASSENSYSTEME

1,1

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EDITORIAL

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor Ihnen liegt nun zum Jahresende die diesjährige dritte und damit letzte Ausgabe unseres Fortbildungsjournals, die auch diesmal ein sehr breites The- menspektrum abdeckt: Wie angewandte Arzneimitteltherapiesicherheit Apothekerinnen und Apo- theker darin unterstützen kann, Patienten mit Risikofaktoren für Osteoporose zu identifizieren und sodann richtig zu beraten – das verdeutlicht Ina Richling in ihrem Aufsatz „Osteoporose – Pharmakotherapie und Praxisbeispiele zur AMTS“. Identifikations- und Risikofaktoren werden dabei ebenso thematisiert wie Möglichkeiten der Prophylaxe und verschiedene Behandlungsmöglichkei- ten. Über die vielen neuen Chancen und Optionen oraler Zytostatika schreibt Apo- theker Stephan Ludigkeit in seinem Aufsatz, der anschaulich und gut struktu- riert die wichtigsten Fakten dieser Wirkstoffgruppe nennt und dabei praxis- nah auf Vorteile wie auch auf mögliche Risiken eingeht. Ein Augenmerk wirft der Autor zudem auf die große Bedeutung der Therapieadhärenz – sowohl für den Therapieerfolg als auch für die Vermeidung unerwünschter Arzneimit- telwirkungen oder Wechselwirkungen. Einen umfassenden pharmazeutischen Jahresrückblick auf die Arzneimittel des Jahres 2013 gewährt Dr. Henrik Müller in seinem gleichnamigen Aufsatz. Die spezifischen Anwendungsgebiete der neuen Arzneistoffe spielen dabei ebenso eine zentrale Rolle wie explizite beratungsrelevante Hinweise für die Praxis. Dabei beschränkt sich Müller nicht auf ein spezielles Anwendungsge- biet, sondern bespricht neue Arzneimittel zur Behandlung unterschiedlichster Krankheitsbilder: von Brustkrebs über die Behandlung der aktinischen Kerato- se bis hin zu Multipler Sklerose. Nach der Lektüre können Sie sich wie immer den Lernerfolgskontrollen zu den Artikeln im internen Bereich unter www.akwl.de stellen und sich damit Fortbildungspunkte sichern. Dort finden Sie übrigens auch die Lernerfolgskon- trollen zu den bisherigen Ausgaben des Journals.

Gabriele Regina Overwiening Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

René Graf Vizepräsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Impressum: „Fortbildung aktuell“

der Apothekerkammer Westfalen-Lippe erscheint zweimal jährlich als „Fortbildung aktuell – Themen & Termine“ und dreimal pro Jahr als „Fortbildung aktuell – Das Journal“. Herausgeber: Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Bismarckallee 25, 48151 Münster, Tel: 0251/520050, Fax: 0251/52005-69, E-Mail: info@akwl.de, Internet: www.akwl.de Redaktion/Grafiken: Dr. Sylvia Prinz Layout: Sebastian Sokolowski Autoren dieser Ausgabe: Ina Richling (PharmD) Stephan Ludigkeit (PharmD) Dr. Henrik Müller Der Bezugspreis für „Fortbildung aktuell“ und „Fort- bildung aktuell – Das Journal“ ist für die Mitglieder der Apothekerkammer Westfalen-Lippe im Kammer- beitrag enthalten. Auflage: 7.500 Exemplare Nachdruck – auch in Auszügen – nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Gedruckt auf Papier aus 100 Prozent recycelten Fasern. Titelfoto: www.fotolia.com – decade3d

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen, Lernen und Punkten!

Gabriele Regina Overwiening René Graf

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 1/2010 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 3 Fortbi dung aktuell – Das Journal der Apothe erkammer Westfalen-Lippe

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Ina Richling

Osteoporose Pharmakotherapie und Praxisbeispiele zur AMTS

Die maximale Knochendichte ist mit spä- testens 30 Jahren erreicht (Peak bone mass). Danach ist der Knochen einem kontinuierlichen physiologischen Ab- bauprozess unterworfen. Das Risiko für Frakturen steigt mit höherem Lebensal- ter, besonders bei den Frauen nach Ein- setzen der Wechseljahre. Gerade in der Apotheke ergeben sich durch Umsetzen von AMTS und dem Angebot einer Me- dikationsanalyse immer wieder die Mög- lichkeit, Patienten mit Risikofaktoren für Osteoporose zu identifizieren und zu be- raten. Zur Einschätzung des Osteoporoserisikos und zur Prüfung der Indikation für eine medikamentöse Therapie wird bei der Knochendichtemessung (Osteodensito- metrie) mittels Dual-Röntgen-Absorpti- ometrie-Messung (DXA) der sogenann- te T-Score bestimmt. Nach der Definition der WHO von 1994 liegt eine Osteoporose dann vor, wenn der Knochenmineralge- halt in einer DXA-Knochendichtemessung an der Lendenwirbelsäule und/oder am proximalen Femur um mehr als -2,5 Stan- dardabweichungen vom Mittelwert einer 30-jährigen Frau abweicht (Tabelle 1). Die Knochendichte ist eine wesentliche Komponente der Osteoporose. Neben ei- ner niedrigen Knochendichte sind aber auch mikroarchitektonische Schwächen, Wann liegt eine Osteoporose vor?

liegt eine manifeste Osteoporose vor. Die Klinik der Osteoporose ist durch Frak- turen und ihre Folgen geprägt. Der Frak- tur vorausgehende Symptome sind nicht bekannt. Akute und chronische Schmer- zen, funktionelle Einschränkungen und eine erhöhte Mortalität sind die Folge von Frakturen. Der Mortalitätsanstieg ist im ersten Jahr nach der Fraktur am höch- sten. MERKE: „Einer ist genug!“ Der erste Kno- chenbruch sollte auch der Letzte sein. Aber nicht einmal die Hälfte der Patienten, die eine Osteoporo- se-bedingte Fraktur erleiden, erhält eine adäquate Arzneimitteltherapie zur Behandlung ihrer Osteoporose. • extremes Über- oder Untergewicht (bei einem BMI < 20 verdoppelt sich das Ri- siko) • falsches Ernährungsverhalten • Nikotin • übermäßiger Alkohol- und Kaffeekon- sum • Hypogonadismus • Überproduktion von Cortisol, Morbus Cushing • Hyperparathyreoidismus • Langzeitbehandlung über mehrere Monate mit Glucocorticoiden • Schwere chronische Nierenfunktions- störung (Niereninsuffizienz) • Diabetes mellitus Typ 1 Risikofaktoren: • Alter und Geschlecht • genetische Disposition • körperliche Konstitution • Bewegungsmangel

die indirekt über klinische Risikofaktoren erfasst werden können, und andere Fak- toren, wie beispielsweise Stürze, weitere Faktoren, die zu der vermehrten Kno- chenbrüchigkeit beitragen. Diese Fak- toren haben eine hohe Relevanz in Be- zug auf nichtmedikamentöse und medi- kamentöse Maßnahmen zur Verminde- rung des Frakturrisikos. 1,2 Daher kann die Diagnose Osteoporose nicht allein auf Grundlage des DXA T-Scores gestellt wer- den, sondern muss im Kontext betrachtet werden. Ina Richling, PharmD, (Menden) ist Filial- leiterin der Kant-Apotheke in Iserlohn, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der West-Gem-Studie und hat einen Ab- schluss als Doctor of Pharmacy von der University of Florida.

Sind bereits eine oder mehrere Frakturen als Folge der Osteoporose aufgetreten,

Tabelle 1: T-Score; Schwellenwert für eine Osteoporose ist ein T-Score von -2,5. *Die Osteopenie ist eine mäßige Minderung der Knochendichte, ohne dass bereits eine Osteoporose vorliegt. T-Score Frakturrisiko > -1 normaler Wert: kein erhöhtes Risiko -1 bis -2,5 Osteopenie* (geringer Knochenschwund): leicht erhöhtes Risiko < -2,5 Osteoporose: stark erhöhtes Risiko

Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 5

Osteoporose

Hypnotika, Psychopharmaka, Antiar- rhythmika und Diuretika • Bewegungsbezogene Funktionsein- schränkungen (veränderte Mobilität, Motorik und Sensibilität, wie beispiels- weise nach Schlaganfall oder bei Par- kinson) • Sehbeeinträchtigungen • Beeinträchtigungen von Kognition und Stimmung • Erkrankungen, die zu kurzzeitiger Ohnmacht führen können, wie zum Beispiel Hypoglykämien, orthosta- tische Hypotension, Herzrhythmusstö- rungen, Epilepsie • Angst vor Stürzen und Stürze in der Anamnese • Gefahren in der Umgebung, wie Stol- perfallen, steile Treppen oder man- gelnde Haltemöglichkeit • Ernährung, Bewegung und Rauchen: Eine für die Knochen gesunde Lebens- weise sollte von Geburt an erfolgen. Es sollte auf eine ausreichende Kalo- rienzufuhr mit einem BMI > 20 geach- tet werden. Regelmäßiges Muskeltrai- ning mit Gewichten reduziert das Risi- ko für Frakturen und Stürze. Immobi- lisationen sollten vermieden werden. Ab dem 70. Lebensjahr sollte eine jähr- liche Sturzanamnese mit einer Bera- tung zur Vermeidung von Stürzen im Wohnumfeld erfolgen. Rauchen scha- det nicht nur der allgemeinen Gesund- heit, sondern hat auch einen ungün- stigen Einfluss auf die Knochengesund- heit. Daher sollte bei allen Patienten ein Rauchverzicht angeregt werden. • Calcium: Die adäquate Menge an Cal- cium beträgt maximal 1000-1500  mg Calcium pro Tag, aufgeteilt in mehre- re Dosen. Optimaler Weise erfolgt die Aufnahme über die Nahrung (Abbil- dung 2). Nur wenn diese Menge nicht Osteoporoseprophylaxe

kungen, wie Morbus Crohn, Colitis ul- cerosa, die häufig mit Glucocorticoiden behandelt werden • entzündlich-rheumatische Erkran- kungen • Behandlung mit Aromatasehemmern bei hormonabhängigem Brustkrebs • Weitere Medikamente, die bei Einnah- me mit einem erhöhten Sturzrisiko ein- hergehen, wie zum Beispiel Sedativa/

• Malassimilation, wie zum Beispiel Zöli- akie (Glutenunverträglichkeit), Insuffi- zienz der Bauchspeicheldrüse, der Le- ber und/oder der Galle, Gastrektomie • Einnahme von Antiepileptika • Organtransplantation • Schilddrüsenüberfunktion bzw. eine Überdosierung mit Schilddrüsenhor- mon (TSH < 0,3 mlU/l) • chronisch-entzündliche Darmerkran-

Abbildung 1: Nach der Definition der WHO liegt eine Osteoporose vor, wenn der Kno- chenmineralgehalt in einer DXA-Knochendichtemessung an der Lendenwirbelsäule und/ oder am proximalen Femur (Oberschenkel) um mehr als -2,5 Standardabweichungen vom Mittelwert einer 30-jährigen Frau abweicht.                     Foto: decade3d – Fotolia.com

6 Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2014 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe de Apothek kammer Westfalen-Lippe

Ina Richling

Tabelle 2: Auswahl an Bisphosphonaten und deren Kombinationen

Substanz

Dosierung

Alendronat (Fosamax®)

10 mg/d 70 mg/Woche

Etidronat (Etidronat Jena- pharm®) Ibandronat (Bonviva®)

400 mg/d für 14 Tage danach 500 mg Calcium/d für 76 Tage

150 mg/Monat p.o. oder 3 mg alle 3 Monate i.v.

Ibandronat (Ascendra duo/ Ascendra trio®)

3 mg Ibandronsäure i.v.+90 BTA mit 500 mg Calcium (und 880 I.E. Colecaliferol)

Risedronat (Actonel®)

5 mg/d oder 35 mg/Woche oder 75 mg an 2 folgenden Tagen/Monat

Zoledronat (Aclasta®)

5 mg i.v./Jahr mind. 1-2 Gläser Wasser vor der Infusion trinken 1 Tablette mit Alendronsäure 70 mg und 6 Weichkap- seln mit Alfacalcidiol 1 µg Alendronsäure 70 mg mit 5.500 I.E. Colecalciferol Eine Wochenpackung enthält 1 Filmtablette Risedronat 35 mg und 6 Beutel mit 1000 mg Calcium/880 I.E. Cole- calciferol

Alendronsäure/Alfacalcidi- ol (Tevabone®) Alendronsäure/Colecalcife- rol (Fosavance®) Risedronat/Calcium/Cole­ calciferol (Actonel plus Calcium und Vitamin D®)

bralen Frakturrisikos am besten belegten Medikamente bei postmenopausalen Frauen sind: • Bisphosphonate: Alendronat, Ibandro- nat, Risedronat, Zolendronat • Serm: Raloxifen, Bazedoxifen, (zurzeit nicht auf dem deutschen Markt erhält- lich), • Denosumab, • Östrogene,

Nichterklärte Muskelschwäche, Stürze oder Schmerzen können ein Hinweis auf einen Vitamin-D-Mangel sein. Zusätzlich sollte auch auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B12 und Folsäure geachtet werden.

Abbildung 2: Milch ist ein guter Calcium- lieferant.                  Foto: Okea – Fotolia.com

Pharmakotherapie der Osteoporose

erreicht wird, sollte supplementiert werden. Ausnahmen für diese Empfeh- lungen, wie zum Beispiel bei Nieren- steinen, einer Sarkoidose oder einem primären Hyperparathyreoidismus, müssen beachtet werden. Bei gleich- zeitiger Einnahme von Protonenpum- pen-Inhibitoren (PPI) sollte Calciumci- trat bevorzugt eingesetzt werden. • Vitamin D: Empfohlen wird eine Son- nenlichtexposition von ca. 30 Minuten täglich, um einen Vitamin D-Mangel vorzubeugen. Personen mit hohem Sturz- oder Fraktur- risiko oder einer geringen Sonnenlichtex- position (gerade ältere Menschen schaf- fen es nicht mehr täglich in die Sonne zu gehen) sollten 800-1000 I.E. Vitamin D3 täglich peroral einnehmen (Abbildung 3).

Die in Bezug auf eine Senkung des verte-

Abbildung 3: Vitamin D3 ist ein wichtiger Baustein der Osteoporoseprophylaxe. Foto: Okea – Fotolia.com

Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 7

Osteoporose

MERKE: Sinkt die Adhärenz unter 50 Pro- zent bei der Einnahme von Bis- phosphonaten, ist keine Wirkung mehr zu erwarten. Zu beachten ist auch, dass alle Therapeutika zur Behandlung der Osteoporose nur wirksam sind in Zusammenhang mit der gleichzeitigen Calcium- und Vitamin-D-Gabe. Eine nicht ausrei- chende Zufuhr von Vitamin D und Calcium kann ein Therapieversagen bis zur Wirkungslosigkeit bedeu- ten. Auch nach Absetzen der anti- osteoporotischen Therapie ist die Vitamin-D- und Calciumgabe fort- zuführen.

tergehende Nutzen einer antiresorptiven Therapie über fünf Jahre hinaus fraglich, eine Therapiepause (sogenannte drug ho- lidays) wird empfohlen. Neuere Studien 6 geben Aufschluss für welche Patienten eine Therapiepause in Frage kommt. Zur Entscheidungsfindung über eine Bisphos- phonat-Pause wird neben dem Patienten­ alter auch die Knochendichte nach fünf Therapiejahren herangezogen. Ist die Knochendichte hoch und der Patient re- lativ jung, so scheint eine Therapiepau- se plausibel, andernfalls gibt es aufgrund des hohen Frakturrisikos mögliche Grün- de, die Therapie fortzuführen. Allerdings gibt es noch keine konkreten Handlungs- empfehlungen für die Pharmakotherapie. • Serumcalciumspiegel: eine bestehende Hypocalciämie muss vor dem Beginn der Therapie ausgeschlossen werden • Nierenfunktion: ab einer GFR von un- ter 35 ml/min sind Bisphosphonate kontraindiziert • Knochendichtemessung: vor Beginn der Therapie und danach mindestens alle 2 Jahre; bei gleichzeitiger Gluco- corticoidtherapie alle 6-12 Monate • Jährliche Messung der Körpergröße und des Gewichtes • Assessment der Schmerzen • Serum-25(OH)-Vitamin-D-Konzentra- tionen sollten überwacht werden, mit dem Ziel von über 20 ng/ml Strontiumranelat wirkt gleichzeitig osteo- anabol und antiresorptiv. Es wird als Gra- nulat einmal täglich, am besten abends vor dem Zubettgehen mindestens 2 Stun- den nach dem Abendessen, eingenom- men. Nachdem Bedenken hinsichtlich der kardiovaskulären Sicherheit aufkamen, ist die Anwendung auf die Behandlung der schweren Osteoporose bei postmenopau- Strontiumranelat (Protelos®) Monitoring Bisphosphonate

• Teriparatid, • Strontiumranelat.

Für Alendronat, Denosumab, Östrogene, Risedronat, Strontiumranelat und Zole- dronat (Empfehlungsgrad A) ist auch ei- ne Verminderung peripherer Frakturen nachgewiesen. Für den Mann sind Alen- dronat, Risedronat, Strontiumranelat, Zoledronat und Teriparatid zur Therapie der Osteoporose zugelassen. Insgesamt ist die Evidenz für den Mann in Bezug auf die Effizienz der Fraktursenkung geringer als bei der Frau. Bei den Bisphosphonaten handelt es sich um die zurzeit wirksamsten Anti-Osteo- porotika. Sie hemmen die Osteoklasten- tätigkeit und blockieren so die Calcium- freisetzung aus dem Knochen sowie den Knochenabbau. Eine Auswahl an den auf dem Markt befindlichen Bisphosphona- ten und deren Kombinationen sind in Ta- belle 2 aufgeführt. Bei einer Glucocorticoid induzierten Oste- oporose sind nur Alendronat, Risedronat und Etidronat in der einmal täglichen Ga- be zugelassen. Die wöchentliche Gabe ist Off-Label, wird aber als gleichwertig an- gesehen. Alle oral anzuwendenden Bisphospho- nate müssen am Morgen mit einer ausrei- chenden Menge (180 - 240 ml) Leitungs- wasser (kein Sprudelwasser oder anderes Wasser mit hohem Calciumgehalt) in auf- recht sitzender oder stehender Haltung eingenommen werden. Danach müssen die Patienten für mindestens 30 Minuten (bei Ibandronat Bonviva ® 60 Minuten) aufrecht bleiben. Gegessen werden darf auch erst 30 Minuten nach der Einnahme. Bisphosphonate Einnahmehinweise zu den Bisphospho­ naten

Diese Einnahmeempfehlung zu den Bis- phosphonaten gilt es öfter mit den Pati- enten zu wiederholen.

Einnahme vergessen?

Die einmal wöchentliche Einnahme kann schnell auch mal in Vergessenheit gera- ten. Erinnerungshilfen, wie die Markie- rung im Kalender oder eine Erinnerungs- funktion im Kalender des Smartphones sind eine wirkungsvolle Hilfe. Das Ver- schieben der Einnahme ist zwar möglich, es sollte jedoch keine doppelte Einnah- men in einer Woche stattfinden. Arzneimittelwirkungen wie mögliche Kiefernekrosen in der Tu- mortherapie, atypische Femurfrakturen unter Langzeittherapie 3 und das Risiko an einem Ösophaguskarzinom 4 zu erkran- ken haben dazu geführt, die Therapie- dauer zu hinterfragen. Da sich Bisphos- phonate in den Knochen einlagern und auch nach Therapieabbruch weiterhin wirksam sind, ist laut Einschätzung der amerikanischen NFO-Leitlinie 5 der wei- Therapiepause bei Bisphosphonaten? Unerwünschte

8 Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Ina Richling

Osteoporosepravention bedurfen, sowie ein positiver Einfluss auf kardiovaskuläre Erkrankungen sind Vorteile der SERM. Nachteilig sind die Erhöhung des Throm- boserisikos und klimakterische Nebenwir- kungen, wie Hitzewallungen, periphere Ödeme, Depressionen und Schlaflosig- keit. Die Einnahme erfolgt einmal täglich und ist zur Prophylaxe und Therapie der Osteo- porose in der Postmenopause indiziert. Bezadoxifen (Conbriza®) wurde wahr- scheinlich auf Grund von einer unbefrie- digenden Nutzendokumentation im Fe- bruar 2014 in Deutschland vom Markt ge- nommen, ist aber weiterhin im europä- ischen Ausland erhältlich. Dieser Wirkstoff ist ein monoklonaler An- tikörper, der in der Lage ist, in einen Re- gelkreis im Knochenstoffwechsel einzu- greifen und somit die Osteoklasten zu hemmen. Die Folge ist eine verbesserte Knochendichte sowie eine verringer- te Knochenresorption. Denosumab wird zweimal jährlich injiziert. Als Nebenwir- kungen können Infektionen der Harn- und oberen Atemwege, Katarakt, Obsti- pation, Exantheme und Gliederschmerzen auftreten. Denosumab ist eine gute Wahl bei Patienten, die die Bisphosphonate auf Grund von gastrointestinalen Nebenwir- kungen nicht vertragen, bei denen gas- trointestinale Kontraindikationen, wie zum Beispiel Gastritis, Erkrankungen des Oesophagus und Ulcera vorliegen oder bei Patienten, die auf Grund einer Nie- reninsuffizienz keine Bisphosphonate an- wenden können. Denosumab

sich mit steigendem Grad der Nierenfunk- tionsstörung erhöht. Da Denosumab in Xgeva® wesentlich höher dosiert ist als in Prolia® (60 mg alle 6 Monate versus 120 mg alle 4 Wochen) ist das Risiko un- ter Xgeva® größer. Eine bereits bestehen- de Hypokalziämie muss vor Beginn der Therapie korrigiert werden. Eine ausrei- chende Versorgung mit Calcium und Vita- min D ist bei allen Patienten bedeutend, und ist vor allem wichtig bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung, au- ßer bei Hyperkalziämie. • unter Prolia®: vor jeder Anwendung von Prolia®, innerhalb von zwei Wo- chen nach der initialen Dosis bei Pati- enten mit einer Prädisposition für ei- ne Hypokalziämie (zum Beispiel Pati- enten mit einer schweren Nierenfunk- tionsstörung, Kreatinin-Clearance < 30 ml/min), wenn Anzeichen für eine Hy- pokalziämie auftreten oder sofern auf- grund des klinischen Zustandes des Pa- tienten indiziert ist, • unter Xgeva®: vor der ersten Xgeva®- Dosis, innerhalb von zwei Wochen nach der ersten Xgeva®-Dosis, wenn Anzeichen für eine Hypokalziämie auf- treten, zusätzliche Kontrollen der Cal- ciumspiegel während der Therapie sollten erwogen werden bei Patienten mit Risikofaktoren für eine Hypokalzi- ämie (zum Beispiel bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung, Kre- atinin-Clearance < 30 ml/min), oder so- fern sie aufgrund des klinischen Zu- standes des Patienten indiziert sind. Die Patienten sollten auf Symptome, die auf eine Hypokalziämie hinweisen, wie Kribbeln und Taubheitsgefühl sowie Neigung zu Krämpfen und Muskelzu- ckungen, vor allem an Händen und Füßen und ein langsamer Herzschlag, hingewie- sen werden. Monitoring der Calciumspiegel

salen Frauen und bei erwachsenen Män- nern mit hohem Frakturrisiko, für die ei- ne Behandlung mit anderen für die Oste- oporosetherapie zugelassenen Arzneimit- teln nicht möglich ist, beispielsweise auf Grund von Kontraindikationen oder Un- verträglichkeit, beschränkt worden. Pati- enten mit klinisch gesicherter, aktuell be- stehender oder vorausgegangener ischä- mischer Herzkrankheit, peripherer arte- rieller Verschlusskrankheit und/oder ze- rebrovaskulärer Erkrankung oder unkon- trollierter Hypertonie dürfen nicht mit Protelos® behandelt werden. 7 Teriparatid ist ein Abkömmling des na- türlichen Parathormons. Wird es in hoher Konzentration als Medikament verabrei- cht, kann es die knochenbildenden Osteo- blasten aktivieren und so die Knochenbil- dung anregen. Außerdem wird die Auf- nahme von Calcium aus dem Darm geför- dert und die Ausscheidung über die Niere reduziert. Das Präparat wird bei postme- nopausalen Frauen mit fortgeschrittener manifester Osteoporose und bei Männern mit hohem Frakturrisiko eingesetzt. Te- riparatid muss täglich subkutan injiziert werden. Nebenwirkungen wie Schwin- del, Übelkeit, Glieder- und Kopfschmer- zen können auftreten. In den USA erhielt Teriparatid eine Black Box Warnung, da es im Langzeitversuch mit Ratten Knochen- krebs verursachte. Teriparatid (Forsteo®)

SERM – Selektive Östrogenrezeptormo­ dulatoren

Als Wirkungsmechanismus wird eine Un- terdrückung der Östrogen-Rezeptor Sti- mulation von Osteoklasten und so- mit Zunahme der Knochendichte be- schrieben. Die gleichzeitige Senkung des Brustkrebsrisikos und damit gute Eig- nung bei Frauen mit erhöhtem famili- ärem Mammakarzinom Risiko, die einer

Hypocalciämie unter Denosumab 8 (Prolia®, Xgeva®)

Der monoklonale Antikörper Denosumab birgt das Risiko von Hypokalziämien, das

Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 3/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 9 Fortbi dung akt ell – Das Journal der Apoth kerka mer Westfalen-Lippe

Osteoporose

in den letzten Jahren stark zugenommen. Es gibt Hinweise durch Studien und Meta- analysen, dass ein Vitamin D-Mangel nicht nur mit vermehrten Knochenbrüchen ein- hergeht, sondern auch mit Diabetes, neu- rologischen Erkrankungen, Atemwegs- infektionen und Lungenerkrankungen, Gastrointestinale Erkrankungen, Herz- Kreislauferkrankungen, Schlaganfall, Multiple Sklerose, Nierenerkrankungen, Muskel- und Knochenschmerzen, Überge- wicht, Karies, Trommelfellverletzungen, Nahrungsmittelallergien und sogar Krebs. Vitamin D scheint sich auf fast alle Syste- me des Körpers auszuwirken. Hier stellt sich die Frage, ob die orale Vitamin D- Substitution in Zusammenhang mit einer reduzierten Sterblichkeit steht. Abbildung 4 zeigt, wie aus Sonnenlicht und 7-Dihydrocholesterol aus der Haut Vitamin D3 entsteht, das in der Leber zu 25 -Hydroxyvitamin D und weiter in den Nieren zu 1,25 Dihydroxyvitamin D (Syno- nym: 1,25-dihydroxycholecalciferol, Calci- triol oder aktives Vitamin D Hormon) um- gewandelt wird. Bei Erkrankungen, bei denen im Vitamin D-Metabolismus die 1-alpha-Hydroxylierung in der Niere be- einträchtigt ist (wie beispielsweise bei chronischen Nierenfunktionsstörungen), wird Calcitriol oder Alfacalcidol (1-alpha- Hydroxycolecalciferol), das in der Leber zu Calcitriol (1,25-Dihydroxycolecalciferol) umgewandelt wird, eingesetzt. Calcitriol gilt als wirksamster Metabolit des Cole- calciferols (Vitamin D3) bei der Aufrecht- erhaltung der Calcium- und Phosphatho- möostase (siehe Abbildung 4). Der Haupt- wirkmechanismus basiert auf der Erhö- hung der zirkulierenden 1,25-Dihydroxy- colecalciferol-Spiegel und somit wird die intestinale Resorption von Calcium und Phosphat erhöht. Die Knochenminerali- sation wird gefördert, der Parathormon- spiegel gesenkt und die Knochenresorpti- on gehemmt. Bei Einnahme von Calcitri- ol oder Alfacalidol sollte die tägliche Cal-

setzt. Es hemmt die Aktivität der Osteo- blasten. Die Wirkung von Sclerostin wird als Bremssignal für die Regeneration des Knochens beschrieben. Fehlt die „Brem- se“, wird vermehrt Knochen aufgebaut. Ob es tatsächlich auch später vor Kno- chenbrüchen schützt ist Gegenstand der Studien.

Seltene Nebenwirkung: Kiefernekrose

Kiefernekrosen stellen eine schwerwie- gende Folge der Therapie mit Bisphos- phonaten oder Denusomab dar, die die Lebensqualität auch der Patienten stark beeinträchtigen kann. Sie kommen deut- lich seltener vor und haben einen milde- ren Verlauf bei der Osteoporosetherapie als Kiefernekrosen, die im Rahmen einer Malignomtherapie auftreten. Trotzdem sollten vor Beginn einer jeden antiresorp- tiven Knochentherapie mögliche Infekti- onsherde und Keimeintrittspforten zahn- ärztlich saniert werden. In der Beratung über eine Bisphosphonattherapie sollte der Patient auf eine regelmäßige zahn- ärztliche Kontrolle mit professioneller Zahnreinigung und Vermeidung von Pro- thesendruckstellen hingewiesen werden. Veränderungen im Mundberiech, wie be- wegliche Zähne, Schmerzen und Schwel- lungen sind sofort dem Arzt mitzuteilen. Können die oben genannten Medika- mente aufgrund von Nebenwirkungen oder Kontraindikationen nicht eingesetzt werden, können Calcitonin, Fluoride oder Hormone in der Therapie der Osteoporo- se zum Einsatz kommen. Bei einer Hor- monersatztherapie müssen im Einzelfall Nutzen und Risiko gegeneinander abge- wogen werden, da aufgrund von Studien Bedenken gegenüber einer Langzeithor- monersatztherapie, die ein erhöhtes Risi- ko für Mammakarzinome oder Thrombo- embolien aufzeigen, vorliegen. Weitere Medikamente

AMTS in der Apotheke

Eine Patientin mit chronischer Nierenin- suffizienz kommt mit einer privaten Ver- ordnung in die Apotheke. Darauf wurde verordnet:

• Vigantoletten® 1000 I.E. • Bondiol® 0,5 µg

Nach Vorlage der leeren Packungen in der Hausarztpraxis, wurden beide Arznei- mittel dort verordnet. Es stellt sich im Ge- spräch in der Apotheke heraus, dass die Patientin schon seit einiger Zeit mit Bon- diol® (Alfacalcidiol) von Nephrologen ei- gestellt wurde, und der Hausarzt weiter- hin Colecaliferol verordnet hatte. Laut Fachinformation des Bondiols dürfen Vi- tamin D und seine Derivate nicht gleich- zeitig mit Alfacalcidol verabreicht wer- den, da der additive Effekt mit einem er- höhten Risiko einer Hypercalcämie ein- hergeht. Nach Rücksprache mit dem be- handelnden Nephrologen, sollen trotz- dem, unter engmaschiger Kontrolle der Calciumspiegel, beide Arzneimittel wei- terhin eigesetzt werden, da auch eine ein- geschränkte Niere noch teilweise in der Lage ist Colecalciferol zu aktivieren. In der Apotheke sollte darauf hingewiesen werden, dass nicht mehr als 500 mg Calci- um pro Tag zugeführt werden dürfen, um das Risiko einer Hypercalciämie nicht wei- ter zu erhöhen.

Neue Therapiemöglichkeit bei Osteopo­ rose?

Der Antikörper Romosozumab, der das Si- gnalprotein für den Knochenabbau Scle- rostin im Knochen ausschaltet, wird zur Zeit in Studien getestet. 9 Das Glykoprote- in Sclerostin wird von Osteozyten freige-

Vitamin D ein Alleskönner?

Die Anzahl von Studien zu Vitamin D hat

10 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe – l de Apothek kammer Westfalen-Lippe

Ina Richling

ren kommt in die Apotheke, um ein Re- zept über ein Glucocorticoid einzulösen. Sie berichtet, dass Sie sich auf Grund der Schmerzen nicht mehr viel bewegen möchte und durch die Schmerzen auch wenig Appetit hat. Sie hat in letzter Zeit auch abgenommen und fühlt sich häufig schlapp, schwindelig und ängstlich.

Sonnenlicht

Haut

7-Dehydrocholesterol

Zurzeit nimmt die Patientin folgende Arzneimittel ein:

Cholecalciferol (Vitamin D 3 )

• Dekristol® 20.000 I.E. Colecalciferol einmal die Woche vom Orthopäden verordnet • Calcimagon® D3: 500 mg Calcium-Ion und 400 I.E. Colecalciferol (1-0-1) • L-Thyroxin 75 µg (1-0-0) • Ramipril 5 mg (1-0-0) • Diclofenac (Voltaren resinat ®) 75 mg, 2 x täglich bei Bedarf • Omeprazol 20 mg (1-0-0) • Zopiclon 7,5 mg zur Nacht bei Bedarf • Die Patientin nimmt morgens noch Calcium 1000 mg aus dem Supermarkt und ein Multivitaminpräparat ein. Nach einem kurzen Gespräch vereinbaren Sie mit der Kundin einen Termin zur Me- dikationsanalyse. Klinisch relevante Interaktionen • Calcium und L-Thyroxin: Eine vermin- derte Wirkung der Schilddrüsenhor- mone ist möglich. Daher sollte der Einnahmezeitpunkt des Calciums auf abends verlegt werden. Der TSH-Wert sollte nach 6 Wochen neu bestimmt werden. • Diclofenac und Ramipril: Durch diese Kombination ist eine vermehrte Schä- digung der Niere möglich, sowie eine verminderte Blutdruck senkende Wir- kung. • Es besteht die Gefahr der Überdosie- In der Analyse wurden folgende Dinge festgestellt:

Leber

Nahrungsaufnahme

Vitamin D 3

(Fisch, Fleisch)

(Nahrungsergänzung)

Vitamin D 2

25-hydroxyvitamin D 3

Aufrechterhaltung des Calciumhaushalt im Körper

Niere

1,25-dihydroxyvitamin D 3

Abbildung 4: Umwandlung von Vitamin D3 zum aktiven Vitamin D-Hormon.

• Patienten, bei denen Vitamin D-Man- gel assoziierte Beschwerden oder Pro- bleme durch einen so genannten se- kundären Vitamin D-Mangel be- dingten Hyperparathyreoidismus vor- liegen.

ciumdosis nicht mehr als 500 mg sein, da es sonst zu unerwünscht hohen Calcium- Blutspiegeln kommen kann. Die Krankenkassen übernehmen die Ko- sten für Calcium- und Vitamin D-Medika- mente bei Osteoporose für • Osteoporose-Patienten, die schon ei- nen Knochenbruch erlitten haben, • Patienten, die bereits oder voraus- sichtlich für über 6 Monate mindestens 7,5 mg Prednisolonäquivalent (Gluco- corticoid) einnehmen müssen.

Eine Medikationsanalyse aus der Praxis

Frau S. T., eine 78-jährige Stammkundin mit bekannter Polyarthrose, Hypertonie, einer Schilddrüsenunterfunktion und Zu- stand nach einer Femurfraktur vor 2 Jah-

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 11 Fortbildung ktuell – Das Journal

Osteoporose

Tests um eine Sturzgefährdung festzustellen:

kelhalsfraktur, wenn ein T-Score von < -2,0 an mindesten 2 Messorten gemessen wur- de oder wenn eine geplante Therapie mit oralen Glucocorticoiden ≥ 7,5 mg Pred- nisolonäquvivalent täglich für > 3 Monate geplant ist und der T-Score einen Wert von < -1,5 an mindestens einem Messort aufweist. Je nach individuellem Risiko ist eine medikamentöse Therapie auch dann indiziert, wenn der T-Score > -1,5 ist. Da die Patientin in der Vergangenheit schon eine Femurfraktur erlitten hat und weitere Risikofaktoren aufweist (Alter, weibliches Geschlecht, geringes Körper- gewicht, rheumatische Erkrankung, The- rapie mit einem Glucocorticoid, Bewe- gungseinschränkung, Sturzgefahr durch Schwindel und Einnahme von Zopiclon) sollte eine DXA-Messung und Therapie- einleitung mit einem Bisphosphonat wie beispielsweise Alendronsäure 70mg, ein- mal pro Woche, morgens nüchtern erfol- gen. Nach Einleiten der antiresorptiven Thera- pie muss weiterhin eine ausreichende Cal- cium (1000 mg/d) und Vitamin D Versor- gung sichergestellt sein. Bei kurzzeitigem Gebrauch werden Pro- tonenpumpenhemmer in der Regel sehr gut vertragen. Bei Langzeitanwendung gibt es jedoch seit längerer Zeit Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für proximale Fe- murfrakturen. 10 Sobald die Therapien mit dem NSAR und dem Glucocoirticoid been- det sind, ist ggf. kein Magenschutz mehr notwendig und es kann versucht werden Omeprazol abzusetzen. Therapie mit Omeprazol

rung durch die Doppelmedikation von Calcium und Vitamin D Präparaten. -- Vitamin D: im Multivitaminpräpa- rat; Calcimagon® D3 und Dekri- stol® 20.000 I.E. -- Calcium in Calcimagon®, Multivita- minpräparat und Calcium aus dem Supermarkt Eine Zufuhr von 1000 mg Calzium täg- lich mit der Nahrung ist für Patienten oh- ne eine medikamentöse Osteoporosethe- rapie als Basistherapie ausreichend. Nur wenn die empfohlene Calziumzufuhr mit der Nahrung nicht erreicht wird, sollte ei- ne Supplementierung durchgefuhrt wer- den. Die tägliche Calciumzufuhr aus der Nahrung kann gegebenenfalls mithilfe des Calcium-Rechners grob eingeschätzt werden (zum Beispiel unter http://www. gesundheitsinformation.de/kalzium-rech- ner.2032.de.html). Der Rechner wurde vom Institut für Qualität und Wirtschaft- lichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch In- stitut entwickelt. Weiterhin nimmt die Patientin auch Mul- tivitamine ein. Dabei ist darauf zu achten, dass hier nicht noch zusätzliches Calcium zugeführt wird. Symptome einer Hyper- calciämie sind Müdigkeit und Obstipati- on. Die Einnahme des Colecalciferols wird nach Serumcalciumwerten dosiert. Üb- licherweise reicht bei einer Langzeitbe- handlung die Einnahme einer Weichkap- sel alle 2 Wochen. Daher sollten die Wer- te bei Frau S. T. überprüft werden und die Dosierung angepasst werden. Einnahmeintervall problematisch

„Timed up and go“ Gemessen wird die Zeit, die benöti- gt wird, um von einem Stuhl aufzu- stehen, 3 Meter zu gehen, sich um- zudrehen, zurück zu gehen und sich wieder hinzusetzen. Bei einem Wert unter 10 Sekunden ist keine Mobili- tätsstörung, bei einemWert über 30 Sekunden ist eine Mobilitätsstörung und Sturzgefährdung anzunehmen. „Chair Rising“ Gemessen wird die Zeit, die benö- tigt wird, um 5x nacheinander von einem Stuhl ohne Unterstützung der Arme aufzustehen. Bei einem Wert über 10 Sekunden ist eine kraftbedingte Gangunsicherheit an- zunehmen. „Tandemstand“ Beide Füße stehen unmittelbar hin- tereinander auf einer gedachten Linie. Gemessen wird die Zeit, die ein Patient frei (ohne sich festzuhal- ten, ohne Ausweichschritt) und mit offenen Augen in dieser Position balancieren kann. Bei einem Wert unter 10 Sekunden ist eine Gleich- gewichtsstörung und Sturzgefähr- dung anzunehmen. Monitoring eingehalten? Vitamin D und Calcium-Werte sollten gemessen werden und je nach Ergebnis kann die Dosis des Vi- tamin D reduziert und ggf. das Cal- cium abgesetzt werden. Der TSH- Wert sollte nach ca. 6 Wochen nach Änderung der Dosierung oder Än- derung des Einnahmezeitpunktes bestimmt werden und ggf. die Do- sierung des L-Thyroxins angepasst werden.

Indikation ohne Medikament

Sturzgefahr

Laut Leitlinie der DVO ist eine medika- mentöse Osteoporosetherapie indiziert nach einer niedrigtraumatischen Schen-

Durch das Vorliegen von Risikodiagnosen, wie Bewegungseinschränkung, Sturzana- mnese, Schwindel, Ängstlichkeit, Arthro-

12 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe F rtbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2014 der Apoth kerkammer Westfalen-Lippe 12 – as r al de Apothek k mmer Westfalen-Lippe

Ina Richling

Tabelle 3: Auflistung der abgesetzten Arzneimittel

se und Muskelschmerzen gilt die Patientin als sturzgefährdet. Daher sollte eine ad- äquate Sturzprophylaxe initiiert werden. Nach der Analyse wurde ein neuer Thera- pieplan vorgeschlagen. Es wurden Calci- magon®, Zopiclon 7,5 mg, Voltaren resi- nat® und Omeprazol 20 mg abgesetzt (siehe Tabelle 3). Regelmäßig: • Ramipril 5 mg (1-0-1) • ASS 100 mg protect (1-0-0) • L-Thyroxin 75 µg (1-0-0) • Dekristol® 20.000 I.E. neu: alle 2 Wo- chen eine Kapsel • Alendronsäure 70 mg 1 x pro Woche sonntags Bei Bedarf: • Metamizol Tropfen 20-30 Tropfen 3 x täglich • Topisches NSAR bis zu 3 x täglich auf Finger und Knie auftragen Sonstige Interventionen • Impfstatus für saisonale Grippe und Pneumokokken überprüfen • DXA-Messung • Vitamin-D und Calcium-Spiegel messen Neuer Therapieplan Calciumreiche Ernährung und Bewe- gungsübungen sind für Patienten mit Ar- throse und Osteoporose wichtig. Die Patientin wurde über die korrekte Ein- nahme von L-Thyroxin und Alendronsäu- re informiert. Ein geringes Körpergewicht ist ein Risiko- faktor für Osteoporose. Untergewichtige Kunden sollten darauf aufmerksam ge- macht werden, dass sich der Body-Mass- Index möglichst auf über 20 kg/m² ein- Schulung

Arzneimittel

Grund

Calcimagon®D3 Kautbl.

Doppelverordnung des Vitamin Ds. Ausreichend Calcium wird über die Nahrung aufgenommen. Potenziell inadäquates Medikament der Priscusliste, Sturzgefahr Bei Herzinsuffizienz und mit Ramipril vermeiden Nach Absetzen des NSAR und des Glucocorticoids kann ein Absetzversuch gestartet werden.

Zopiclon 7,5 mg

Voltaren resinat® Tbl.

Omeprazol 20 mg

uploads/Leitlinie%202014/Entwurf%20Langfas- sung_DVO%202014.pdf 3 Shane E, Burr D, Abrahamsen B et al. Atypical subtrochanteric and diaphyseal femoral fractu- res: second report of a task force of the ame- rican society for bone and mineral research. J Bone Miner Res. 2014; 29(1): 1-23. 4 Andrici J, Tio M, Eslick GD. Meta-analysis: oral bisphosphonates and the risk of oesophageal cancer. Aliment Pharmacol Ther. 2012; 36(8): 708-716. 5 National Osteoporosis Foundation. Clinician’s Guide to Prevention and Treatment of Osteo- porosis. Washington, DC: National Osteoporosis Foundation; 2013. 6 Bauer CD, Schwartz A, Palermo L et al. Fractu- re Prediction After Discontinuation of 4 to 5 Years of Alendronate Therapy The FLEX Study. JAMA Intern Med. doi: 10.1001/jamainternmed. 2014.1232 Published online 5. Mai 2014. 7 Rote Hand Brief zur Anwendungseinschrän- kung von Protelos® vom 13.05.2013, verfügbar unter http://www.akdae.de/Arzneimittelsicher- heit/RHB/Archiv/2013/20130513.pdf 8 Rote Hand Brief zu Denosumab (Prolia und Xge- va) vom 03.09.2014, verfügbar unter http://ak- dae.de/Arzneimittelsicherheit/RHB/index.html 9 NEJM 2014; 370: 412-20 10 Khalili H, et al.: Use of proton pump inhibitors and risk of hip fracture in relation to dietary and lifestyle factors: a prospective cohort study. BMJ 2012; 344: e372.

pendeln sollte.

Die Patientin sollte im Umgang mit der oralen und topischen Schmerzmedikati- on geschult werden und die Bedeutung der Schmerzreduktion sollte deutlich ge- macht werden. Weiterhin wurde die Patientin über eine Sturzprophylaxe mittels Hüftprotektoren, Bewegungs- und Gleichgewichtstraining, Kontrolle des häuslichen Umfeldes nach Sturz- und Stolperfallen und adäquater nächtlichen Beleuchtung informiert. Referenzen & Literatur 1 Dachverband Osteologie e. V. DVO-Leitlinie 2009 zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Erwachsenen. Langfas- sung. Osteologie 2009, 18: 307-28. 2 Entwurf der DVO-Leitlinie Osteoporose 2014 available at http://www.dv-osteologie.org/

Zusammenfassung AMTS ist zurzeit in aller Munde. In der Apotheke gibt es zahlreiche Gelegenheiten im Beratungsgespräch oder bei einer Medikationsanalyse Patienten, die an Osteopo- rose erkrankt sind oder diese vorbeugen möchten intensiv aufzuklären. Angefangen über die Früherkennung über die Adhärenzförderung, Einnahmeempfehlungen und Aufdecken von Doppelverordnungen sowie klinisch relevanten Interaktionen bis hin zur systematischen Medikationsanalyse kommt der Apotheke hier eine bedeutende Rolle zu. Mit geeigneter Prävention, wie eine ausgewogene calciumreiche Ernährung, ausrei- chend Vitamin D3 und gezieltes Muskeltraining mit Gewichten lassen sich die Ent- stehung und das Fortschreiten der Erkrankung eindämmen. Beim Vorliegen einer Osteoporose sollte eine adäquate Versorgung mit Calcium und Vitamin D3 sicherge- stellt sein. Häufig werden Bisphosphonate, aber auch der monoklonale Antikörper Denosumab, Teriparatid oder SERM zur Therapie eingesetzt. Weitere wichtige Bau- steine in der Beratung der Patienten sind die Sturzprophylaxe und das Schmerzas- sessment.

13 Fortbildung aktuell – Das J urnal Nr. 1/2014 der Ap thekerkammer Westfalen-Lippe Fortbildung ktuell – Das Jou nal

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 13

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14 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Stephan Ludigkeit

Orale Zytostatika Orale Zytostatika stehen weder für eine „harmlosere“ Chemotherapie, noch sind alle der eingesetzten Substanzen brand- neu. Es handelt sich in jedem Fall um hochwirksame Substanzen, die schwe- re Nebenwirkungen verursachen kön- nen, welche ein erhebliches Interaktions- potential haben und deren Therapieer- folg von der genauen Einhaltung eines Therapieschemas abhängig ist. Ein Thera- pieschema gibt genau vor, wann und un- ter welchen Bedingungen der Arzneistoff eingenommen werden muss. Die Therapieadhärenz ist zum einen wich- tig für den optimalen Erfolg, aber auch zur Vermeidung von unerwünschten Arz- neimittelwirkungen oder Wechselwir- kungen. Die Information und die Schu- lung des Patienten sind für die Adhärenz an ein Therapieregime sehr wichtig, denn wird der Patient nur wenig oder gar nicht über seine Therapie und Krankheit infor- miert, so wirkt sich das definitiv negativ auf seine Mitarbeit bei der Therapie aus. 1 Die Ergebnisse einer Studie, die im Jahr 2013 in Frankreich durchgeführt und in den „Annals of Oncology“ im Januar 2014 veröffentlicht wurde, stimmen nachdenk- lich: Nur 54 Prozent der 157 Onkologen geben an, ihre Patienten zu Therapie­ beginn mit zusätzlichen Informationen zur Therapieadhärenz oder zur Vermei- dung von Nebenwirkungen versorgt zu haben. Nur 53,5 Prozent der Ärzte ge- ben den Patienten Therapiepläne mit In- formationen zur Dosierung des Zytostati- kums. 2 Folgender Fall, der sich in einer deut- schen Klinik ereignete, ist somit nicht ver- wunderlich: Eine junge Frau suchte, nach Einfluss von Therapieadhärenz auf den Therapieerfolg

stellen die verschiedenen Kinaseinhibi- toren (small molecular Kinase Inhibitor = smKI) dar. Mit ihnen besteht die Mög- lichkeit, Signalwege, die das Zellwachs- tum kontrollieren, den programmierten Zelltod regulieren oder aber DNA-Repa- raturmechanismen koordinieren, gezielt anzugreifen („targeted therapy“). Ob die „Klassiker“ oder die „Neu- en“ – sämtliche Zytoralia sind erklä- rungsbedürftige Arzneistoffe. Ohne fun- diertes Wissen zur Pharmakologie und Pharmakodynamik dieser Substanzen, verbunden mit einer optimalen Beratung, ist die Therapie entweder zum Scheitern verurteilt oder aber lebensgefährlich. Um 400 v. Chr. taucht zum ersten Mal ein Wort für Krebs in der medizinischen Lite- ratur auf: Karkinos, das griechische Wort für Krebs. Hippokrates kam auf die Idee, weil ihn ein Brustgeschwür in seiner Um- klammerung aus geschwollenen Blutge- fäßen an die kreisförmig abgespreizten Beine eines Krustentieres im Sand erin- nerte. Der Begriff Onkologie leitet sich vom griechischen Wort Onkos ab. Onkos ist der griechische Begriff für eine An- schwellung oder Masse, allgemein für ei- ne Last. 3 Umgangssprachlich wird das Wort Krebs als ein Sammelbegriff für alle malignen Erkrankungen gebraucht. Die Onkologie, ein Teilgebiet der inneren Medizin, be- schäftigt sich mit der Entstehung und Be- handlung solider Tumoren, während sich die Hämatologie ganz allgemein mit Er- krankungen des Blutes und des blutbil- denden Systems beschäftigt. Darunter fallen dann auch die bösartigen Erkran- kungen des blutbildenden Systems, wie Leukämien oder Lymphome. Mit dem Grundlagen und Begriffsbestimmungen

einem zehnminütigen Aufklärungsge- spräch zur oralen Tumortherapie durch den Onkologen, unterbrochen von drei Telefonaten und trotz eines erhaltenen „Informationszettels“, erst einmal zwei weitere Onkologen auf. Erst dann, drei Wochen nach dem Gespräch, entschloss sie sich, mit der Therapie zu beginnen. Im Jahr 1946 wurden zum ersten Mal die beiden Alkylantien Chlorambucil und Cy- clophosphamid synthetisiert, Stickstoff – Lost Derivate, die peroral verabreicht werden können. Leukeran® und Endo- xan®, so die Markennamen der Substan- zen, sind fester Bestandteil vieler Thera- pieregime. Stephan Ludigkeit, PharmD, (Coesfeld) ist Apothekenleiter der Ahorn-Apothe- ke in Coesfeld. Er hat den Abschluss als Doctor of Pharmacy von der Universität in Florida seit 2007, ist Fachapotheker für „Allgemeinpharmazie“ und in den Bereichen „Naturheilverfahren und Ho- möopathie“ und „Geriatrische Pharma- zie“ weitergebildet. Zytostatikaklassen

Eine neue Generation oraler Zytostatika

15 Fortbildung aktuell – Das J urnal Nr. 1/2014 der Apothekerkammer Westfalen-Lipp Fortbildung ktuell – D s Journal

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 15

Orale Zytostatika

Tabelle 1: Merkmale von benignen und malignen Tumoren (© DGOP; Nov. 2012).

Begriff„Tumor“ beschreibt man zunächst einmal eine Schwellung oder Geschwulst, ohne Aussage darüber ob es sich um eine bösartige oder gutartige Gewebeschwel- lung handelt. Eine Warze ist beispiels- weise ein gutartiger Tumor. Im normalen Sprachgebrauch wird Tumor aber meist mit einer bösartigen Geschwulst gleich- gesetzt. Malignes Wachstum, Krebs, liegt also dann vor, wenn die Zellen des Tumors infiltrativ wachsen, also über Gewebs- grenzen hinweg in benachbartes, gutar- tiges Gewebe hinein. Wenn sie destruktiv wachsen, also das gutartige, umgebende Gewebe zerstören und wenn sie meta- statisch wachsen, also in entfernten Ge- weben und Organen Tochtergeschwüls- te bilden (Tabelle 1). Auch das Zellgewe- be des Tumors lässt Rückschlüsse auf die Malignität zu. So ist ein wenig differen- ziertes Zellgewebe, das wenig Ähnlichkeit mit dem Ausgangsgewebe aufweist, auch ein Zeichen für die Malignität einer Ge- schwulst. Beim Typing des Tumors macht man Aus- sagen über sein Herkunftsgewebe, also eine Charakterisierung des histologischen Tumortyps. Grading steht für die Einord- nung der Differenzierung des Tumorge- webes (Tabelle 2). Wie ist die Ähnlichkeit zum Ausgangsgewebe? Eine Verände-

Neoplasmen

Benigne – gutartig Langsames Wachstum

Maligne – bösartig

Unreife (Aplasie) der Zellen

Nur mech. Rückwirkung auf den Allgemeinzustand

Invasiv, infiltrierend, zerstörend; Reduktion des Allgemeinzustandes

Keine Metastasierung

Metastasierend

Selten rezidivierend

Rezidivierend

Gut abgrenzbar

Schlecht abgrenzbar

Keine oder wenige Zellveränderungen; geringe Mitoserate

Hohe Mutationsrate; viele Atypien, hohe Zellteilungsrate

rung korreliert, wie bereits erwähnt, mit der klinischen Malignität und damit zur Prognose. Staging beschreibt die Tumor- ausbreitung zum Zeitpunkt der Erstdia- gnose bzw. des Therapiebeginns. 4 Die Stadieneinteilung erfolgt hier mit Hil- fe des TNM-Systems. Die Kriterien für die- ses System wurden in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts von der UICC (Union Internationale contre le Cancer), Interna- tionale Vereinigung gegen Krebs, www. uicc.org, festgelegt. Im Laufe der Jahre wurde diese UICC-Klassifikation immer wieder ergänzt und aktualisiert. Mit Hilfe der Buchstaben, die sich hinter dem Kür- zel TNM verbergen, lassen sich die lokale Ausbreitung des Tumors, der Lymphkno- tenbefall und Metastasierungen beschrei- ben. Der Buchstabe T (=Tumor) steht für die örtliche Ausdehnung des Primärtu- mors, N (=Node) für vorhandene oder fehlende Lymphknotenmetastasen, der

Buchstabe M (=Metastasis) steht für das Fehlen oder Vorhandensein von Fern- metastasen. Die Ziffern 1 bis 4 beschrei- ben in der T-Kategorie die Größe des Tu- mors. Die Kleinbuchstaben von a bis d hel- fen bei Prostata- und Brustkrebs zur noch genaueren Einteilung. Die Zahlenzusät- ze der N-Kategorie richten sich nach der Lage und Zahl der von Metastasen be- fallenen regionären Lymphknoten (Lk). Metastasen in nicht regionären Lymph- knoten gelten als Fernmetastasen. Diese werden mit Hilfe des Buchstabens M be- schrieben. Man unterscheidet hier aller- dings nur M0 bei Abwesenheit von Meta- stasen, oder M1 bei Anwesenheit von Me- tastasen. Der Zusatz von Kleinbuchstaben gibt hier an, wo sich Metastasen im Kör- per befinden. Das TNM-System ist am Bei- spiel Prostata-Karzinom in Tabelle 2 ver- deutlicht.

Tabelle 2: Klassifizierung des Prostatakarzinoms mit dem TNM-System (© onkologie2014.de; 29.7.2014).

TNM T1 weder tast- noch sichtbar (Zufallsbefund) T1a Tumoranteile < 5%

T1b Tumoranteile > 5% des resezierten Gewebes

Tumordiagnose durch Nadelbiopsie (ein oder beide Lappen)

T1c

Tumor begrenzt auf die Prostata

T2

ein Lappen ≤ 50 %

T2b ein Lappen > 50 % T2c beide Lappen betroff.

T2a

Tumordurchbruch durch die Prostatakapsel

T3

T3a uni- oder bilateral T3b Einbruch in die Samenblase T4 Tumorinfiltration in andere Nachbarstrukturen als Samenblasen: Blasenhals, Sphincter externus, Rektum, in Levatormus- kel, Beckenwand N1 regionäre Lk-Metastase M1a nicht regionäre Lk-Metastase M1b Knochen-Metastase M1c andere Organ-Metastase

16 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe Fortbildung aktuell – Das J urnal Nr. 1/2014 der Apothek rkammer Westfalen-Lippe 16 F rtbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2014 der Apothe erkammer Westfalen-Lippe – as Jo rnal de Apothek rk mmer Westfalen-Lipp

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